Wer sich am Abend nach der Arbeit ein Bier aufmacht, hat in Österreich von Gösser bis Puntigamer scheinbar zahlreiche heimische Marken zur Auswahl. Nur: So unterschiedlich die Namen der Brauprodukte auch sind, der Hersteller ist meist derselbe – die „Brau Union“. Sie stellt über hundert Biersorten her, darunter auch die Marken Gösser, Zipfer, Puntigamer, Schwechater oder Wieselburger. Seit 2003 gehört der Braukonzern zur internationalen „Heineken AG“ und versucht in Österreich Schritt für Schritt kleinere Brauereien aufzukaufen. Mit Erfolg: Die Brau-Union braut etwa die Hälfte des in Österreich hergestellten Bieres. Dennoch steht sie immer wieder in der Kritik. So auch jetzt: Denn die Bundeswettbewerbsbehörde wirft dem Unternehmen Marktmissbrauch und Verstöße gegen das Kartellrecht vor.
Die Geschichte der „Brau-Union“ seit 1921
Die Brau Union dominiert den heimischen Biermarkt schon länger. Ihre Ursprünge gehen bis ins Jahr 1921 zurück. Und schon damals versuchte die seinerzeit als „Braubank“ gegründete Aktiengesellschaft sich mit zahlreichen Übernahmen und Expansionen auszudehnen. 1998 vereinigten sich die „Österreichische Brau AG“ und die Marke „Steirerbrau“ zur heutigen Brau Union. Fünf Jahre später kaufte sie der ursprünglich niederländische Heineken-Konzern auf.
Laut eigenen Angaben produziert das Brauerei-Unternehmen über 5 der etwa 10 Millionen Hektoliter, die in Österreich jährlich an Bier gebraut werden. Umgerechnet stellt damit die Brau-Union-Familie jedes Jahr etwa eine Milliarde Krügerl Bier her. Die eine Hälfte des österreichischen Biers wird also von einem einzigen Konzern hergestellt. Die andere andere Hälfte teilt sich auf zahlreiche Kleinbrauereien auf. Ewald Pöschko, Geschäftsführer des lokalen „Freistädter Bier“, spricht deshalb etwa von „einer Art Monopolsituation“ auf dem Biermarkt.
Kleinbrauereien leiden schon lange unter der Brau-Union
So alt die Brau Union ist, solange ist auch ihr aggressives Verhalten am Biermarkt bekannt. In den letzten Jahren kam es dann auch vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen dem Bier-Riesen und kleineren, lokalen Anbietern. Erst vorletztes Jahr übernahm der Brauerei-Konzern die vorarlbergische Marke „Fohrenburg“, indem er dem Fruchtsafthersteller „Rauch“ Anteile abkaufte. Das passierte sehr zum Ärgernis kleinerer Bierherstellen. Die beäugen die Expansionen schon länger kritisch. Die neueste Übernahme ließen sie zum „Brauereien-Konflikt“ eskalieren, wie auch die Lokalzeitung „Vorarlberg Online“ berichtete. Im Zuge dessen wurde das Kartellamt eingeschalten, um die Expansion auch rechtlich zu überprüfen; jetzt wurde die Anteilsübernahme jedoch letztendlich unter Auflagen zugelassen. Bisher war die Brau-Union mit 11% an „Fohrenburg“ beteiligt, jetzt ist sie mit 74% Anteil der Mehrheitseigentümer.
Internationaler Bierkonzern Heineken kauft österreichische Brau-Kette
Was für den österreichischen Markt die Brau-Union war, war Heineken zunächst in den Niederlanden. Heineken trat aber auch Schritt für Schritt auf dem weltweiten Biermarkt auf. Schon Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts setzte sich der Konzern gegen niederländische Konkurrenten mit einer aggressiven Unternehmenspolitik durch. In den Achtzigern begann sich Heineken in die USA, und in den Neunzigern nach Deutschland auszudehnen und dort die sehr zersplitterten, regionalen Biersorten aufzukaufen. In Österreich gelang ihnen der Coup 2003 mit dem Erwerb der Brau-Union.
Heute ist die Brau-Union-Mutter Heineken gemessen am „Bierausstoß“, also der Menge des gebrauten Biers, die zweitgrößte Brauereigruppe der Welt. Gemeinsam mit der belgischen Marke „Anheuser“, den „China Resources Breweries“ und der dänische „Carlsberg“-Gruppe sind die vier größten Bierproduzenten für über die Hälfte des weltweit gebrauten Bieres verantwortlich. Auch weltweit sind es statt der kleinen lokalen Brauereien die großen internationalen Konzerne, die hinter den bekannten Biermarken stecken. Heineken kennt man beispielsweise von Marken wie Morreti und Lasko, zu Carlsberg zählen Astra und Mythos und Anheuser ist bekannt für das – durch die Pandemie bekannt gewordene – Corona-Bier, die belgische Sorte Stella Artois, sowie die us-amerikanische Marke Budweiser.
Trotz der Übermacht der Brau-Union ist der Biermarkt in Österreich damit immer noch vielfältiger als in anderen Ländern, meint zumindest Karl Schwarz, Eigentümer der Zwettler Brauerei. „In Österreich muss man Heineken zugestehen, dass sie die Regionalität anerkannt und Braustätten offengelassen haben“, meint Karl Schwarz zu Kontrast, „aber ich sage immer ‘Wehret den Anfängen’. Das funktioniert nur, solange es einen starken Mittelstand am Biermarkt gibt.“ Anders sei das in anderen Ländern gewesen, wo die geringe Brauereienvielfalt zu einer niedrigeren Biervielfalt führte.
Die Privatbrauereien wehren sich
Spätestens mit der „Fohrenburg“-Übernahme 2019/2020 ist der Unmut bei den kleinen Brauereien gegen die Brau-Union so groß geworden, dass sie sich gegen die Übermacht großer, internationaler Konzerne zusammenschließen. Seit Februar 2021 arbeiten jetzt zehn von ihnen im Verein „Unabhängige Privatbrauereien Österreichs“ zusammen. „Bereits 6 von 10 Bieren, die in Österreich getrunken werden, stammen von internationalen Großkonzernen“, warnen die Privatbrauereien auf ihrer Homepage. Sie wollen ein Zeichen setzen, um unabhängiges, regionales Bier zu schützen.
Statt einem Einheitsbier setzt der Verein auf ein Siegel: „Österreichische Privatbrauerei – 100% unabhängig“. „Wir wollen auf die Stärken hinweisen, die Privatbrauereien zweifellos haben“, sagt Karl Schwarz von der Zwettler-Brauerei. Er sei erschüttert darüber, wie wenig aufgeklärt die Bevölkerung ist und hofft, dass durch das Siegel mündige Konsumenten entscheiden, ob sie Bier von Konzernen oder von Privatbrauereien kaufen wollen.
Über ein Viertel des österreichischen Bieres wird von Vereinsmitgliedern hergestellt. Etwa 250 weitere Biermarken – vor allem kleine Privatbrauereien – könnten noch Mitglied und Siegelträger werden. Ab nächstem Jahr sollen etwa 30 Brauereien dem Verein angehören.
Die Großkonzerne versuchen währenddessen ihre Monopolstellung abzusichern, indem sie beliebte Gerstesorten patentieren lassen, wie Kontrast schon berichtet hat. „Man bringt so eine Jahrtausende alte Bierkultur um“, sagt auch der „Freistädter“-Geschäftsführer Pöschko und ergänzt, „Ziel der Großen ist eine Bierlandschaft, wie man sie zum Beispiel aus unserem Nachbarland Slowenien kennt. Die haben eine völlige Monopolsituation. Die droht uns auch, wenn wir nichts unternehmen. Und die Folgen sind klar, das Angebot sinkt, die Qualität wird schlechter und die Preise letztendlich höher“.
Kleine Brauereien mit traditionsreichen Rezepten, sicheren Arbeitsplätzen und engagierten Eigentümern stehen unter einem immer größeren Druck, sich von den großen Brau-Ketten aufkaufen zu lassen und sich dem Monopol zu ergeben. Gerade deswegen ist es so wichtig, sie vor internationalen Großkonzernen zu schützen. Für die Beschäftigten, die Kundinnen und Kunden – und vor allem: Für die Bierkultur.
Welche Biere gehören zur Brau-Union?
Folgende Biermarken zählen zur Brau-Union:
Zipfer | Puntigamer | Wieselburger | Kaiser |
Reininghaus | Villacher | Schleppe | Piestinger |
Heineken | Desperados | Sol | Gösser |
Schlossgold | Edelweiß | Kaltenhausen | Bürgerbräu Innsbruck |
Schladminger | Forenburger | Schwechater | Linzer Bier |
Bill Gates ist jetzt Miteigentümer von Heineken und Brau Union
Im Februar 2023 ist Microsoft-Gründer Bill Gates bei Heineken eingestiegen und ist somit auch Mitbesitzer österreichischer Biermarken wie zB Zipfer, Puntigamer, Wieselburger, Gösser und Schwechater. Gates kaufte 10,8 Millionen Aktien der Heineken Holding im Wert von 883 Mio. Euro. Das sind 3,76 Prozent aller Heineken-Anteile. Gekauft wurden die Anteile von der mexikanischen Gruppe Femsa, die sich von ihren Heineken-Anteilen trennt.
Bundeswettbewerbsbehörde wirft der Brau Union Marktmissbrauch vor
Nach einem knapp zweijährigen Verfahren hat die Bundeswettbewerbsbehörde vergangen Freitag (14.06.2024) dem Kartellgericht einen Antrag auf Strafzahlungen gegen die Brau Union übermittelt. Der Vorwurf: Die Brau Union soll ihre Marktmacht missbraucht, gegen das Kartellgesetz verstoßen und heimischen Getränkelieferanten unter Druck gesetzt haben. Konkret soll die Union versucht haben, die Lieferanten zu zwingen, alle Getränke ausschließlich über die Brau Union zu beziehen. Also sowohl die alkoholischen als auch die nicht-alkoholischen. Sollten die Lieferanten sich weigern, so soll die Union gedroht haben, künftig die Lieferung des Bieres selbst zu übernehmen. Strafrechtlich nennt man das: wettbewerbsbeschränkender Alleinbezugsverpflichtung, Markenzwang und sogenannte Kopplungs- oder Exklusivbindungen. Also ganz nach dem Motto: alles oder nichts. Die Brau Union bestreitet die Vorwürfe.
Bekannt wurden die Ermittlungen bereits vor 2 Jahren durch Hausdurchsuchungen bei den Brauern durch die BWB. Ein Whistleblower informierte die Behörde über die unlauteren Methoden der Union. Über das Verfahren muss jetzt das Kartellgericht des Oberlandesgericht-Wien entscheiden. Bei einem Schuldspruch drohen dem Heineken-Konzern eine Strafe in Höhe von bis zu 10 Prozent des Gesamtumsatzes.
Wenn große Konzerne ihre Marktmacht missbrauchen, dann leiden nicht nur die kleineren regionalen Brauereien, Betriebe und Lieferanten, sondern auch die Kund:innen. Denn mit solchen Methoden sollen meist Mitkonkurrenten verdrängt werden oder es sollen ihnen der Einstieg in den Markt erschwert werden. In den meisten Fällen führt das zu einer geringen Produktvielfalt und zu höheren Preisen.
Toller Artikel, aber: Ewald Pöschko ist “ehemaliger” Geschäftsführer von Freistädter Bier.
Corona-Bier ist durch die Pandemie bekannt geworden. Ernsthaft?
Corona ist doch nur der Schein um die Sonn’.