Bier - Foto Timothy Dykes on unsplash.com
Landwirtschaft

Jahrtausende alte Bierkultur in Gefahr: Heineken & Carlsberg wollen Gersten-Patent

Patente gibt es nicht nur auf Medikamente und Impfstoffe. Auch bei Grundnahrungsmitteln setzen immer mehr Konzerne auf Patente, um Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Aktuell laufen österreichische Bierbrauer wie die Freistädter Brauerei Sturm: Die Bierkonzerne Heineken und Carlsberg haben Patente auf beliebte Gerstsorten angemeldet. Für andere Brauereien drohen Lizenzgebühren. Das verschärft Monopolisierung-Tendenzen des Biermarktes in Österreich. 

Die Frage nach dem Zugang zu Corona-Impfstoffen hat die Diskussion rund um Patente angeheizt. Bei Patenten und „geistigem Eigentum“ geht es aber nicht nur um medizinische Produkte: Die Patentanmeldungen sind in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Immer öfter werden auch Patente auf weit verbreitete Produkte wie Forellen, Brokkoli, Salat oder Braugerste angemeldet – vor allem von den großen Lebensmittelkonzernen wie Monsanto oder Heineken. Die rechtliche Situation in der EU ist folgende: Patente auf Pflanzen und Tiere, die „im Wesentlichen aus biologischen Verfahren“, also aus herkömmlicher Züchtung  stammen, sind verboten. Patente auf gentechnische Züchtungen sind erlaubt, auch wenn diese ebenfalls den Zugang zu genetischen Ressourcen blockieren. Dazu kommt es häufig zu Überschneidungen zwischen Gentechnik mit der konventionellen Züchtung und somit zu Streitigkeiten. Konzerne arbeiten dabei immer mehr mit juristischen Tricks, um die Patente auf wichtige Lebensmittel zu erhalten.

So umgeht Monsanto das Patentverbot

Patentiert werden dürfen eigentlich nur Verfahren zur Erzeugung von Lebensmittel. Pflanzen und Tiere aus konventioneller Zucht dürfte das europäische Patentamt gar nicht schützen. Doch große Lebensmittelkonzerne haben Wege gefunden, um das zu umgehen. Das zeigt sich etwa am Beispiel einer Melone. Auf der Nordhalbkugel hat sich ein Virus ausgebreitet, das Melonen befällt und ganze Ernten zerstört. Eine indische Sorte zeigte sich immun gegen den Befall. Durch gewöhnliche Züchtungsmethoden wurden diese Resistenzen von der indischen in andere Melonen überführt. Monsanto (seit 2018 im Besitz des Chemiekonzerns Bayer) meldete daraufhin ein Patent an, das es dem Konzern erlaubte, den Zugang zu jeglichem Züchtungsmaterial zu beschränken, das die Resistenz der indischen Melone aufweist.

Die indische Melone ist keine Erfindung des Konzerns – doch ihr Einsatz in der Zucht wurde als geistiges Eigentum Monsantos angemeldet. Damit ist es anderen nicht nur untersagt, die Monsanto-Melone anzubauen – sondern auch selbst mit der indischen Melone eigene Sorten zu züchten. International regte sich Widerstand von ZüchterInnen und Organisationen, die sich gegen Patente auf Lebensmittel einsetzen. Ein ungleicher Kampf. Monsanto gibt Millionen für Anwälte aus und spielt oft auf Zeit. Das Melonen-Patent wurde 2011 angemeldet, im März 2021 wurde es schließlich gekippt. Die maximale Laufzeit für derartige Patente beträgt 20 Jahre.

Es geht um die Sicherung unserer Nahrungsmittelversorgung

Die Patent-Spiele der großen Lebensmittel-Konzerne haben Konsequenzen, die weit über Vorteile einzelner Unternehmen auf dem Weltmarkt hinausgehen. „In Wahrheit geht es darum, unsere Nahrungsmittelversorgung auch in Zukunft sichern zu können“, erklärt Johanna Eckhardt von der Initiative „No patents on seeds!“.

Deutlich sieht man das etwa bei einer Sojabohnen-Art, die so gezüchtet wurde, dass sie auch mit trockenem Klima gut zurechtkommt oder bei Salatsorten, die auch bei höhere Temperaturen keimen können.

„Züchter müssen weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Arbeit zu leisten und unsere Nahrungsmittel an die sich verändernden Umweltbedingungen anzupassen. Darum brauchen sie Zugang zu Pflanzen und das verhindern Patente“, ärgert sich Eckhardt.

20 Jahre Zucht umsonst

Im Extremfall können Patente auch dazu führen, dass bereits bestehende Zucht beendet werden muss. Das zeigt der Fall von Karl Josef Müller, einem Züchter ökologischer Getreidesorten aus Bayern. Er erhielt 1997 von einem japanischen Kollegen eine Braugerste, an der er insgesamt zwanzig Jahre weiterzüchten sollte. Das Ergebnis war eine Gerste, die die besonderen Eigenschaften der japanischen Ursprungssorte, vor allem was die Zusammensetzung der Stärke betrifft, optimal nutzte und es ermöglichte, im Brauprozess Zeit und Energie zu sparen.

2019 meldete Carlsberg ein Patent auf eine Gerste an, die sehr ähnliche Eigenschaften aufwies. Sie war ein Produkt eines Verfahrens, bei dem mit Chemikalien Mutationen bei Getreidekörnern gefördert werden. Aus der großen Bandbreite an genetischen Variationen werden dann jene ausgewählt, bei denen man den Nutzen bereits kennt. Das Verfahren dient also nicht dem Erschaffen neuer Arten, sondern der Ermöglichung von Patenten auf bereits bestehende.

Müller setzte sich mit der Weiterverwendung der Gerste einem hohen Risiko aus: Jederzeit hätten die Carlsberg-Anwälte gegen ihn vorgehen können. Ob seine Gerste vom Carlsberg Patent betroffen ist, müsste in einem aufwendigen Verfahren geprüft werden. Ob der kleine Züchter einen Rechtsstreit mit dem drittgrößten Braukonzern der Welt durchgehalten hätte, ist fraglich. Zwanzig Jahre Arbeit wären beinahe umsonst gewesen, doch Carlsberg zog das Patent überraschend zurück. Über die Gründe kann nur spekuliert werden, vielleicht brauchte man die Gerste doch nicht, vielleicht fürchtete man schlechte Presse.

Patente auf Lebensmittel? „Das wir das als Gesellschaft überhaupt diskutieren ist traurig“

In Österreich läuft derzeit ein Zusammenschluss von Bierbrauern Sturm gegen Patente auf Braugerste. Der Verein der unabhängigen Privatbrauereien Österreichs legte rechtliche Schritte gegen Patentanmeldungen der Firmen Carlsberg und Heineken ein.

„Es geht hier aber nicht nur um die Braugerste oder uns Bierbrauer. Es geht um die grundsätzliche Frage: Kann man Grundnahrungsmittel patentieren? Allein schon dass wir als Gesellschaft so weit sind, das überhaupt darüber diskutiert wird, ist traurig“, erklärt der Obmann des Vereins, Ewald Pöschko.

Für ihn ist es klar, was Carlsberg und Heineken mit den Patenten versuchen: Der Zugang zu vorteilhaften Sorten soll nur noch durch Lizenzgebühren ermöglicht werden und die Konkurrenz so von Wettbewerbsvorteilen wie energieeffizienterem Brauen ausgeschlossen werden.

„Ziel ist eine Bierlandschaft, wie man sie zum Beispiel aus unserem Nachbarland Slowenien kennt. Die haben eine völlige Monopolsituation, die droht uns auch, wenn wir nichts unternehmen. Und die Folgen sind klar, das Angebot sinkt, die Qualität wird schlechter und die Preise letztendlich höher“, erklärt Pöschko.

Ewald Pöschko von der Freistädter Braucommune setzt sich gegen Patente auf Lebensmittel ein. Bild: Facebook „Freistädter Bier“

6 von 10 Biere in Österreich stammen von Heineken

Schon jetzt stammen in Österreich sechs von zehn getrunkenen Bieren aus dem Heineken-Konzern. Heineken kaufte 2003 die Brau Union auf, zu der Biermarken wie Gösser, Zipfer, Schwechater oder Wieselburger gehören. Pöschkos Betrieb, die Freistädter Brauerei, blieb von solchen Übernahmeversuchen verschont. Als einzige Brauerei in Europa hat man die Rechtsform einer Braucommune. Eigentümer sind alle BürgerInnen, die innerhalb der Freistädter Stadtmauer ein Haus besitzen. „Möchte uns Heineken übernehmen, muss der Konzern alle Häuser in der Innenstadt kaufen. Wir werden auf Ewigkeiten ein Freistädter Brauerei sein“, freut sich der Brauer. Pöschko ist froh „100 Prozent konzernfrei“ zu sein, doch er weist auf die Nachteile hin, die er und seine Kollegen aus anderen Brauereien gegenüber Heineken haben:

„Wir zahlen alle unsere Steuern in Österreich – internationale Konzerne eher nicht, das ist eine Katastrophe. Bei uns steht ein Mann im Sudhaus und produziert 80 Hektoliter Bier – in einem Heineken-Betrieb steht genauso einer, aber der produziert die zehnfache Menge. Jetzt wollen sie uns auch noch mit Patenten den Zugang zu Rohstoffen erschweren. Man bringt so eine Jahrtausende alte Bierkultur um.“

Bierbrauer und Saatgut-Verein gemeinsam gegen Konzerne

Pöschko ist sichtbar stolz auf seine Brauerei, auf seine Kollegen etwa von Murauer oder Hirter, auf ein Ökosystem von regionalen Betrieben, das es in Österreich noch gibt. In seinem Verein versammeln sich ab 1.1.2022 insgesamt 30 Brauereien. Sie sehen sich auch als eine Interessenvertretung. Denn der Verband der Bierbrauer in der Wirtschaftskammer könne sich nicht für alle einsetzen, schließlich sitzen darin auch zu einem guten Teil Vertreter von Heineken-Betrieben. Die Privatbrauereien haben sich mit „Arche Noah“, einem Verein, der sich für den Erhalt von Saatgut und dessen Verfügbarkeit einsetzt, zusammengetan. Sie unterstützen eine Petition, die sich gegen den Missbrauch des Patentrechts bei Lebensmitteln einsetzt. Wichtig ist Pöschko, dass die Braugerste nur ein Symptom des Problems ist:

„Dass Saatgut, Mais, Soja oder ein anderes Grundnahrungsmittel zum geistigen Eigentum eines Konzerns werden kann, ist doch krank.“

Der Verein der Privatbrauereien möchte dafür sorgen, dass sich diese Erkenntnis auch bei der Bundesregierung durchsetzt. „Die Politik muss aufgerüttelt werden. Da wird leider Gottes vieles abgenickt. Man hat den Eindruck, das berührt sie nicht. Aber wer soll sonst etwas machen, wenn nicht die Politik? Darum müssen wir die sensibilisieren, vor uns hertreiben, damit dieser Wahnsinn gestoppt wird“, so Pöschko.

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saloo
saloo
15. Dezember 2021 20:49

na und Bill Gates hat die Padente auf Impfstoffe Zusätze und wir lachen. Er hat ein Patent auf Miniatomkraftwerke angemeldet und wir lachen. Und arbeiten so wie Lukaschenko für die superreichen, aber nicht um den Menschen im Land zu dienen

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