Lula da Silva hat die Stichwahl um das Amt des brasilianischen Präsidenten knapp gegen Jair Bolsonaro gewonnen. Der amtierende Präsident hat seine Niederlage noch nicht akzeptiert und schürt dadurch Ängste um gewalttätige Auseinandersetzungen. Auf den neuen Präsidenten Lula warten enorme Herausforderungen. Er muss die Armut in Brasilien bekämpfen, die Abholzung im Amazonas stoppen und ein geteiltes Land wieder zusammenbringen.
Der linke Gewerkschaftsführer und Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat die Wahl zum Präsidenten von Brasilien gewonnen. Mit 50,9 Prozent der Stimmen konnte er sich knapp gegen den rechtsextremen amtierenden Präsidenten Jair Messias Bolsonaro in der Stichwahl durchsetzen. Lula konnte bereits die erste Wahlrunde für sich entscheiden. Die Stichwahl fiel jedoch knapper aus als erwartet. Am Beginn der Auszählung lag Bolsonaro sogar für einige Zeit in Führung.
Gratulationen zum Wahlerfolg Lulas folgten rasch aus der USA, der EU und anderen Staaten. Bolsonaro selbst hat sich noch nicht zum Wahlergebnis geäußert.
Wahl zeigt geteiltes Brasilien
Lula konnte besonders im Norden Brasiliens viele Stimmen für sich gewinnen. Bolsonaro hingegen war im Süden des Landes stark. Das hat vor allem ökonomische Gründe. Der Norden ist wirtschaftlich bedeutend schwächer als der Süden. Die Bevölkerung in den nördlichen Bundesstaaten hat von den Sozialprogrammen profitiert, die Lula in seiner Zeit als Präsident (2003-2010) eingeführt hat. Dazu kommt, dass Lula in Staaten, die eine große afrobrasilianische Bevölkerung haben, wie etwa Bahia, viel Zuspruch bekommen hat. Die Bundesstaaten, in den Bolsonaro viele Unterstützer hat, sind vor allem durch europäische Einwanderer geprägt, wie etwa Santa Catarina. Bolsonaro hat wiederholt rassistische Aussagen gegen Minderheiten in Brasilien getätigt.
Ein weiterer wichtiger Machtfaktor war die evangelikale Bevölkerung Brasiliens, die stark wächst. Bolsonaro baute seine politische Macht auf dieser Gruppe auf. Er präsentierte sich als Verteidiger des christlichen Glaubens, hetzte gegen Homosexuelle und sprach sich vehement gegen Abtreibung aus. Lula versuchte vor dem zweiten Wahlgang verstärkt diese Wählergruppe anzusprechen. Der Gewerkschaftsführer konnte besonders bei der weiblichen Bevölkerung Brasiliens punkten. Während seiner Amtszeit setzte er sich für mehr Gleichberechtigung ein. Bolsonaro hingegen fiel immer wieder mit frauenfeindlichen Aussagen auf.
Putsch-Phantasien von Bolsonaro
Im Zug des Wahlkampfs kam es wiederholt zu Gewalttaten. Mehrere Lula-Anhänger wurden ermordet, darunter ein Funktionär von Lulas Arbeiterpartei. Viele politische Beobachter befürchten, dass es zu mehr Gewalt kommen könnte, wenn Bolsonaro seine Wahlniederlage nicht akzeptiert.
Bereits vor der Wahl hatte der rechtsextreme Präsident mehrmals die Rechtmäßigkeit des Wahlprozesses angezweifelt. Er ging sogar so weit, einen Militärputsch anzudeuten, falls er die Wahl nicht für sich entscheiden kann.
Bevor Bolsonaro in die Politik ging, war er Offizier in der brasilianischen Armee. Noch heute hat er enge Verbindungen zu den Streitkräften. Viele seiner Regierungsmitglieder rekrutierte er aus ihren Reihen. Trotzdem gilt ein Militärputsch als unwahrscheinlich. Obwohl Brasilien eine vergleichsweise junge Demokratie ist, sind die demokratischen Strukturen in der Bevölkerung stark verankert, und in der Armee gibt es wenig Unterstützung für eine erneute Militärdiktatur.
Das große Idol Bolsonaros ist der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Politische Beobachter befürchten, dass sich Bolsonaro die Angriffe gegen den Wahlsieg von Joe Biden und an dem Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol als Vorbild nehmen könnte.
Neustart für Brasilien
Auf Lula wartet eine gewaltige Aufgabe. Er muss ein gespaltenes Land wieder vereinen und eine schwächelnde Wirtschaft ankurbeln. Die Coronakrise hat Brasilien besonders hart getroffen. Fast 700.000 Menschen sind an dem Virus gestorben und Millionen haben ihre Jobs und Existenz verloren. Dadurch ist die Armut massiv gestiegen und der Hunger hat sich wieder im Land ausgebreitet. Heute leiden 60 Prozent mehr Menschen in Brasilien an Hunger, als es noch vor dem Amtsantritt Bolsonaros war. Schuld an der menschlichen und wirtschaftlichen Misere habe vor allem das katastrophale Krisenmanagement Bolsonaros, der das Virus als „leichte Grippe“ kleinredete und einen effektiven Kampf gegen die Pandemie blockierte, argumentiert Lula. Er will durch verstärkte Sozialausgaben für die Ärmsten des Landes und staatliche Kredite für Klein- und Mittelunternehmen Brasilien wieder einen Aufschwung geben.
Dazu kommen massive Umweltprobleme. Unter Bolsonaro hat die Abholzung im Amazonas einen neuen Höhepunkt erreicht. Das Ergebnis war, dass die grüne Lunge des Planeten in seiner Amtszeit zum ersten Mal mehr CO2 ausgestoßen hat, als sie gebunden hat. Lula will die Abholzung des Regenwalds stoppen und gerodete Flächen wieder aufforsten. Auch viel er stärker gegen illegalen Goldabbau im Amazonas vorgehen und die Rechte der indigenen Bevölkerung stärken.
Die Aufgaben, die auf den neuen, alten Präsidenten zukommen, wirken überwältigend. Lula hat jedoch bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass er Großes bewirken kann. In seiner Amtszeit konnte er die Armut in Brasilien von 40 auf 20 Prozent halbieren und die Abholzung im Amazonas um 80 Prozent reduzieren.
Wenigstens haben die Brasilianer jetzt Hoffnung. Im Gegensatz zu uns.