Was Donald Trump gestern in den USA gemacht hat, fordern Rechtspopulisten und -extreme heute auch in Europa. Dieses Spiel wird jetzt mit NGOs gespielt: Die FPÖ sagt diesen den Kampf an. Egal, ob Rotes Kreuz, Ärzte ohne Grenzen oder Frauenhäuser – für die FPÖ stehen Organisationen wie diese unter Generalverdacht einer angeblichen linken Weltverschwörung. Nach einer parlamentarischen Anfrage zu staatlichen Förderungen an bestimmte Organisationen legen die Freiheitlichen nun nach und beantragen einen Unter-Ausschuss im Parlament.
FPÖ sieht in Vereinen und Hilfsorganisationen eine linke Weltverschwörung
An einem Dienstagabend im Oktober lud die FPÖ im Parlamentsrestaurant zu einem Vortrag namens “Der NGO-Komplex – Wie die EU ihre eigene Zivilgesellschaft finanziert“ für Mitglieder der EU-Rechts-Außen-Fraktion “Patrioten für Europa”. Dort anwesend waren hauptsächlich FPÖ-Mandatare, FPÖ-Funktionäre und FPÖ-Mitarbeiter. Herbert Kickl bezeichnet NGOs als angebliche „Propagandainstrumente einer politischen Schattengesellschaft”, als „Teil der Macht für Umerziehungsprogramme und betreutes Denken“, als „Vertreter von Regenbogenkult und Klimaschutzreligion“ und als „Heuchler, die die Gesellschaft mit Moralin fluten“.
Den verschwörerischen Schreckensworten von Kickl folgt der ungarische Fidesz-EU-Mandatar Csaba Dömötör, der davon ausgeht, dass Ungarn von “liberal and left-wing NGOs” regiert wird. Ungarn – ein Staat, den ja Orbán selbst seit 15 Jahren regiert. Der dort das Gesundheitssystem kaputtspart, schwarze Listen für Journalist:innen führt, die Wirtschaft lahmt; und der einen Staat führt, der laut Transparency Index seit drei Jahren in Folge das korrupteste EU-Land ist.
Rechte Parteien in Europa attackieren anti-autoritäre NGOs
NGOs werden schnell zur Zielscheibe für Hass und Hetze, sobald rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien in Regierungen sitzen. Diese sehen viele davon als Gefahr für deren autoritäre Politik. Denn Organisationen, die mitunter gegen autoritäre Strukturen kämpfen, bringen deren Macht ins Wanken. In Ungarn soll es bald eine “schwarze Liste” für unabhängige Medien und NGOs geben, die nicht ins ideologische Bild des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Orbán passen. Der slowakische Ministerpräsident Fico macht es ihm nach und fordert eine NGO-Registrierungspflicht. Die deutsche AfD-Parteichefin Weidel spricht davon, den “NGO-Sumpf auszutrocknen” und in Italien wird Ministerpräsidentin Meloni vorgeworfen, “Krieg gegen NGOs” zu betreiben und ein “Verbrechen an der Solidarität” zu begehen.
FPÖ stellt in parlamentarischer Anfrage Vereine wie Rotes Kreuz und Kinderkrebshilfe unter Generalverdacht
Nach ungarischem Vorbild geht nun auch die FPÖ massiv gegen alles, was ihrer Meinung nach wie eine “NGO” ausschaut, vor. In einer parlamentarischen Anfrage forderten blaue Abgeordnete vergangenen Juni alle Ministerien dazu auf, Förderungen an ausgewählte “NGOs” offenzulegen. Auf über 200 Seiten standen 2100 Fragen rund um Organisationen und deren Mitarbeiter:innen. Unter den abgefragten “NGOs” sind viele beliebte Vereine. Laut APA-Umfrage wird diesen Vereinen innerhalb der österreichischen Bevölkerung großes Vertrauen entgegengebracht: darunter Rotes Kreuz, Kinderkrebsforschung, Rote Nasen, Volkshilfe, Caritas und viele mehr.
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In der Anfrage vom FPÖ-Abgeordneten Michael Schnedlitz bezieht er sich auf eine Aussage des deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz: “Manche Stimmen sehen in den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eine Schattenstruktur, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt.” Damit reiht er sich in den verschwörerischen Sprachgebrauch jener Politiker:innen ein, die Angst vor Klimaschutz, Demokratieverteidigung und Menschenrechten haben. Auch Merz beantragte im Februar eine “Kleine Anfrage”, in der er staatliche Förderungen für Vereine wie die “Omas gegen Rechts” und die Investigativ-Plattform “CORRECTIV – Recherchen für die Gesellschaft” erfragen ließ. Für diese Anfrage wurde er stark kritisiert.
77 % der ausgezahlten Gelder gehen nicht an NGOs, sondern an öffentliche Unis
Eine von vielen Fragwürdigkeiten der FPÖ-Anfrage liegt darin, dass fast 77 % (3,3 Mrd. Euro) der ausgezahlten Gelder ausschließlich an öffentliche Universitäten gingen. Um das ganze ins Verhältnis zu setzen: Das gesamte Bundesbudget betrug rund 700 Milliarden Euro. An NGOs im nicht-akademischen Bereich wurden also rund 1 Milliarde Euro innerhalb von fünf Jahren ausbezahlt. Das sind schlappe 0,14 % des gesamten Bundes-Budgets. Was die Anfrage der FPÖ außerdem unprofessionell macht: Die Liste wurde aus der Jobplattform ngojobs.eu kopiert und wohl mit KI generiert.
Eine NGO (Non-Governmental-Organisation, Nichtregierungsorganisationen) ist ein nicht-staatlicher, zivilgesellschaftlicher Akteur. Sie schafft sozialen Zusammenhalt, ist Dienstleister und arbeitet im Interesse der gesamten Gesellschaft. In den 1980er-Jahren entstanden NGOs als politisch unabhängige Akteure, die Menschen eine direkte Beteiligung und Mitgestaltung der Gesellschaft ermöglichen, ohne direkt einer Partei anzugehören. NGOs sind also private Organisationen, die sich für Gerechtigkeit, Umweltschutz und den Schutz von hilfsbedürftigen Menschen einsetzen.
FPÖ beantragt NGO-Ausschuss im Parlament
Dennoch ist die FPÖ nach der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage besorgt, dass “Missbrauch, Freunderlwirtschaft und Verschwendung nicht ausgeschlossen werden können.” Also legt sie Ende September mit einer weiteren Aktion nach: Sie beantragt einen Ausschuss, genau genommen einen Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses, bei dem sämtliche Zahlungen an Stiftungen, Vereine, gemeinnützige GmbHs durch Bundesministerien offengelegt werden sollen. “Ständig” heißt, dass der Ausschuss permanent besteht und regelmäßige, spezialisierte Aufgaben übernimmt. Abgefragt wird der Zeitraum zwischen 2019 und 2025, also die vergangene und aktuelle Gesetzgebungsperiode. Nach den geplanten zwölf Sitzungen soll bis spätestens 22. April der Abschlussbericht vorliegen.
Der Fahrplan für die von der FPÖ verlangte Prüfung von NGO-Förderungen steht: Der Rechnungshof-Unterausschuss tritt noch heute nach der Plenarsitzung des #OeNR zusammen. Bis 22. April 2026 soll es einen Abschlussbericht geben. ➡️ Alle Details: https://parl.at/gCv-
— Parlament Österreich (@parlament.gv.at) 16. Oktober 2025 um 13:27
FPÖ pickt sich heraus, was nicht in ihr ideologisches Bild passt
Die FPÖ begründet den Ausschuss damit, Transparenz über sämtliche Förderungen an Vereine und Hilfsorganisationen bekommen zu wollen. Das klingt zunächst legitim, wird aber schnell unglaubwürdig, wenn man genauer hinschaut. Denn die Freiheitlichen unterscheiden in “gute” und “böse” NGOs –Sportvereine und Feuerwehr zählen zu den guten. Aber Vereine und Hilfsorganisationen, die sich für die Rechte von Frauen und Gewaltprävention sowie für Umweltschutz und Menschenrechte einsetzen, sind der FPÖ ein Dorn im Auge.
Denn das, was die FPÖ macht, ist, sich einzelne Sätze und Veranstaltungen aus den Vereinsbeschreibungen herauszupicken, die nicht in ihr ideologisches Bild passen. Unter dem Vorwand der Transparenz und der Frage, was diese Förderungen “dem Steuerzahler bringen”, gehen sie auf Angriff: Gegen Frauenberatungsstellen, Diversität, Umweltschutz, Gedenk- und Menschenrechtsvereine. Und das völlig unverhältnismäßig.
Denn dass drei Viertel der Förderungen an öffentliche Universitäten gehen, wird weder in der Pressekonferenz zum “NGO-Business”, noch auf der FPÖ-eigenen Transparenz-Website “NGO-Kontrolle” erwähnt. Die angekündigten umfassenden Listen der Förderungen sind dort nämlich nicht zu finden, sondern lediglich ein Anmeldefenster für einen Newsletter mit einer FPÖ-eigenen Auswahl. Dass da Förderungen an das Rote Kreuz oder an die St. Anna Kinderkrebsforschung erwähnt werden, ist stark anzuzweifeln.
Nicht nur die FPÖ, auch Parteien der sog. „Mitte“ und das eine oder andere Medium haben NGOs als neues Feindbild entdeckt. Wir von Amnesty sind das mittlerweile gewohnt und haben nur eine Antwort: Wir machen unbeirrt weiter.
— ShouraHashemi (@shourahashemi.bsky.social) 6. September 2025 um 19:38
Die Freiheitlichen kämpfen gegen Frauenrechte und Klimaschutz
Parallel zum Ausschuss stellt die FPÖ laufend extra parlamentarische Anfragen zu ausgewählten Organisationen. Darunter ist etwa die Frauenberatung Frauentreffpunkt in Salzburg. Diese unterstützt Frauen “bei der Lösung sozialer, psychischer, rechtlicher und ökonomischer Probleme”. Der Verein Kassandra* mit Beratungsstellen in Mödling und Schwechat ist für Frauen da, die von Gewalt betroffen sind. Dort bekommen sie psychosoziale Betreuung und Übergangswohnungen. Auch diesen Verein attackiert die FPÖ und bezeichnet ein Frauenschutzzentrum als “Organisation mit starker ideologischer Prägung”.
Nachdem es für die FPÖ keinen Klimawandel gibt oder sie ihn immer noch herunterspielt, passen globale und nationale Klimavereine nicht in die eigene Weltanschauung. Dem Klimabündnis Österreich, das sich für globalen Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften einsetzt, wird deshalb eine zusätzliche parlamentarische Anfrage gewidmet. Bildungsprojekte des Vereins Global 2000 werden als Konfrontation mit “ideologischen Umweltprojekten” interpretiert. Die FPÖ stört es außerdem, dass die ÖGUT (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik) einen Schwerpunkt namens “Gender & Diversität” aufweist.
FPÖ wirft Mauthausen-Komitee „politische Meinungsmache“ vor
Die FPÖ fragt im Parlament neben Menschenrechts- und Frauenorganisationen auch Organisationen ab, die sich für die mahnende Erinnerung an die Verbrechen der Nazis einsetzen. Das Mauthausen Komitee ist für die FPÖ auch eine der “bösen NGOs”. Im Titel der Anfrage nach staatlichen Förderungen bezichtigt sie diesen der “politischen Meinungsmache”. Das Mauthausen Komitee macht unter anderem auf rechtsextreme Aktivitäten von FPÖ-Politiker:innen aufmerksam.

Auch gegen den Gedenkverein “Drustvo/Verein Persman” und den slowenischen Studierendenverein „Klub slovenskih studentk*studentov na Dunaju – Klub slowenischer Student*innen in Wien“ stellt der jüngste Abgeordnete des Parlaments gleich mehrere Anfragen. Er äußert darin die Sorge, dass „linksextreme Netzwerke in Österreich eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ sind. Er bezieht sich dabei auf eine Razzia am Gedenkort Persmanhof im Juli 2025. Das Innenministerium stellte mittlerweile fest, dass der große Polizeieinsatz rechtswidrig, unverhältnismäßig und in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft war. Der Einsatz kostete knapp 15.000 Euro.
Steirische Landesregierung macht es vor und reißt soziale Programme nieder
Was mit verbalen Angriffen gegen wichtige zivilgesellschaftliche Vereine und Hilfsorganisationen beginnt, endet oft bei dramatischen Kürzungen. In der Steiermark sieht man momentan, wie sich Angriffe gegen Sozial- und Kulturvereine auswirken können. Denn seitdem der FPÖ-Soziallandesrat Hannes Amesbauer diversen Kultur- und Sozialvereinen das Geld entzieht, haben diese existenzielle Bedrohungen.
Mehrere soziale Projekte verlieren Förderungen, darunter die Gewaltpräventionsprogramme Divan und CariM der Caritas. Beide Vereine beraten Frauen, die von Gewalt und Zwangsehe betroffen sind, sowie Burschen und Männer im Kontext „Gewalt in der Ehe“. Auch die Caritas-Schule für Sozialbetreuungsberufe, die seit über 75 Jahren Fachkräfte in der Behinderten-, Familien- und Altenhilfe ausbildet, erhält keine Unterstützung mehr. Caritas-Direktorin Nora Tödtling-Musenbichler kritisiert die Entscheidung: Die Einsparungen von 2,5 Millionen Euro stünden in keinem Verhältnis zu den gravierenden sozialen Folgen. Die Oppositionsparteien solidarisieren sich mit den Vereinen. Zahlreiche Grazer:innen gingen auf die Straße und sprachen sich für sozialen Zusammenhalt und gegen Kürzungen im Sozialbereich aus.
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Politisch motivierte Kampagne statt Interesse an Transparenz
Michael Meyer, Leiter des Instituts für Nonprofit Management und Governance an der Wirtschaftsuni Wien, sagt laut Nachrichtenmagazin profil, dass es hier nicht um allgemeine Transparenz, sondern um eine ideologische Kampagne geht:
“Der Generalangriff der FPÖ auf alle NGOs ist nicht nachvollziehbar. Dass die Freiheitlichen von der Caritas bis zur Blasmusikkapelle jede NGO abfragen, zeigt, dass sie sich gar nicht für die konkrete Arbeit oder die genauen Förderungen von NGOs interessieren. Sie wollen aus politisch-strategischen Gründen ein Feindbild schaffen”.
Meyer sagt außerdem, dass die Vereine, gegen die Kickl hauptsächlich wettert, gerade diejenigen sind, die selten öffentliche Gelder bekommen. Also inklusive, feministische, Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen.
Schon seit Jahren sagen rechtspopulistische bis -extreme Politiker:innen diversen NGOs den Kampf an. Die teils absurden Vorwürfe kommen tief aus der verschwörungsideologischen Szene. Ein bekanntes Beispiel ist die Verschwörung gegen den in Budapest geborenen US-amerikanischen Milliardär George Soros. Er selbst spendet einen großen Teil seines Privatvermögens an Organisationen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Angeführt von Viktor Orbán hat sich eine internationale Verschwörung von Rechtsextremen formiert. Sie behaupten, Soros würde mit seiner NGO Open Society Foundations (OSF) einen “großen Bevölkerungsaustausch” steuern.
Von den USA über Deutschland und Ungarn bis nach Österreich: Rechte Politiker:innen diffamieren Bildungs- und Erziehungsarbeit als ideologische Umerziehung; sie sehen Gewaltschutzprogramme für Frauen als Angriffe auf eine männerdominierte Welt; sie bezeichnen Umweltschutz als Hysterie; sie sehen in Gedenkvereinen und -veranstaltungen politische Meinungsmache; und sie werten alle Menschenrechts-Organisationen ab, weil sich diese für die Rechte von Minderheiten und armen Menschen einsetzen.
max. 5 zur Auswahl
































