Wirtschaft und Finanzen

Agrana will Zuckerfabrik schließen: 150 Kündigungen trotz 50 Millionen Dividende

Der Zucker-Produzent Agrana ist der größte Anbieter an Österreichs Markt und garantiert, dass das Land seinen Bedarf mit heimischen Produkten decken kann. Im Juli erst zahlte Agrana 48,1 Millionen Euro an Dividenden aus. Jetzt steht die Zuckerfabrik in Leopoldsdorf vor der Schließung. 150 Festangestellte und 100 Saisonarbeiter verlieren ihren Job.

Der Zucker- und Stärkekonzern Agrana will kommendes Jahr eine seiner beiden Zuckerfabriken in Niederösterreich schließen, in Leopoldsdorf verlieren dann 150 Menschen ihren Arbeitsplatz. „Das sind hochspezialisierte Menschen. Was macht ein Zentrifugenschlosser dann, der sein halbes Leben die Zuckerproduktion bei Agrana optimiert hat? Was macht die Zuckerchemikerin dann?“, sorgt sich Bürgermeister Clemens Nagel (SPÖ) um die Arbeitnehmer in seiner Region. „Das wäre eine Tragödie für das Marchfeld“.

Auch die niederösterreichische SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits aus dem Wahlkreis fordert: „In einer Zeit, in der Arbeitsplätze ohnehin durch Corona verloren gehen, muss die Rettung oberste politische Priorität haben. Sollten Bund und Land die Schließung nicht abwenden können, stellt das für viele Menschen in der Region eine Tragödie dar. “

Immer weniger Rübenanbau

Bürgermister Nagel erwartet, dass sich die Landwirtschaftsministerin für den Erhalt des Standorts einsetzt. Elisabeth Köstinger (ÖVP) hat einen Zuckergipfel angekündigt. „Wenn das Werk in Leopoldsdorf schließt, kann Österreich seinen Bedarf an Zucker nicht mehr selbst decken,“ warnt Nagel.

„Dann kommt der Wiener Zucker zum Teil aus Brasilien und wird über den Atlantik verschifft. Wir können uns doch bei Grundnahrungsmitteln nicht von Importen aus dem Ausland abhängig machen.“

Auch die SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr drängt darauf, die Schließung des Werkes zu verhindern und damit die Selbstversorgung Österreichs mit Zucker zu erhalten. Auch aus Klimaschutz müssen lange Transportwege aus Brasilien verhindert werden.

Die Zuckerrübenbauern brauchen mehr Unterstützung, immer weniger Landwirte wollen auf ihren Flächen Zuckerrüben anbauen. Seit der Marktliberalisierung in den 1990er Jahren sind die Preise stark gesunken, außerdem macht der Rübenrüsselkäfer den Bauern seit ein paar Jahren vermehrt zu schaffen. In den letzten acht Jahren hat sich die Anbaufläche für Zuckerrüben halbiert, von 50.000 Hektar 2012 auf 26.000 Hektar im Jahr 2020. Viele Landwirte bauen lieber Getreide oder Soja an als Zucker, das ist profitabler. Agrana-Vorstandschef Johann Marihart sieht eine Möglichkeit, das Werk zu erhalten, wenn wieder mehr Anbauflächen in Österreich gefunden werden.

Agrana dominiert den Markt

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Zucker der Marke Wiener Zucker

Der Konzern Agrana ist in Österreich Quasi-Monopolist beim Zucker. Als 2006 der österreichische Zuckermarkt für die ausländische Konkurrenz geöffnet wurde, mussten viele Firmen schließen – Leopoldsdorf und Tulln sind die letzten Zuckerfabriken in Österreich.

Agrana gehört zum Raiffeisenkonzern: 78,34 Prozent der Aktien gehören der Zucker & Stärke Holding AG, die gehört wiederum zur Hälfte Raiffeisen und zur anderen Hälfte dem größten europäischen Zuckerkonzern, der Südzucker AG.

Dem Konzern geht es gut, Gewinn und Dividende lassen keine Krise erkennen: Der Nettogewinn hat sich im letzten Jahr um fast 70 Prozent auf 51,3 Mio Euro erhöht. Und erst Anfang Juli durften sich die Aktionäre – also im wesentlichen Raiffeisen und der Südzucker-Konzern – über eine Dividenden-Zahlung von 48,1 Millionen Euro freuen. Auch der Vorstand hat einen Bonus von 2,1 Millionen kassiert. Profitable Sparten des Konzerns sind vor allem die Stärkesparte, das Ethanolgeschäft floriert wegen hoher Preise, aber auch das Zuckergeschäft war 2019 erfolgreicher als in den Jahren davor.

Die Beschäftigten in Leopoldsdorf sind verzweifelt. Bürgermeister Nagel wünscht sich, dass die Regierung sich dafür einsetzt, dass die Zuckerproduktion in Leopoldsdorf und damit im Land bleibt. Sonst verlieren nicht nur 150 hochspezialisierte Menschen ihren Arbeitsplatz, sondern auch 100 Saisonarbeiterinnen und -arbeiter, die von der Anstellung in den regelmäßigen Rübenkampagne von vier bis fünf Monaten abhängig sind. Übrig blieben nur 72 Hektar Industrieruine in Leopoldstadt.

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