Sicherheit & Justiz

BVT-Razzia: Wie der „Falter“-Chef und eine Rechtsextremismus-Ermittlerin unter Druck gesetzt werden

Ein Artikel des Falter-Chefredakteurs sorgt beim Innenministerium für Wirbel. Seine Recherchen zeigen: Der BVT-Razzia gehen Versuche des Innenministeriums voraus, Informationen über Ermittlungen gegen Burschenschafter zu beschaffen – einen Tag nachdem die Nazi-Liederbuch-Affäre rund um den niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Landbauer öffentlich wird. Ebenfalls durch den Falter. Kickls Generalsekretär stellt eine Anfrage, wie gegen Burschenschaften ermittelt wird. Die Auskunft der Extremismus-Expertin nennt keine Namen- Das reicht ihm offenbar nicht, denn kurz darauf findet die Razzia beim BVT statt. Als der Falter-Redakteur Florian Klenk das veröffentlicht, gerät er selbst ins Visier des Ministeriums.

Sybille G. ist Leiterin des Extremismus-Referats im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Bei G. laufen die Rechtsextremismus-Fälle zusammen, vor allem Infos zu Burschenschaften und Identitären. In ihrer Funktion weiß G. auch über verdeckte Ermittlungen auf Burschenschafter-Buden Bescheid. Das hat den Generalsekretär von Innenminister Kickl, Peter Goldgruber, näher interessiert. Das zeigt eine Gesprächsnotiz, die der Falter veröffentlicht hat.

Was wollte Kickls Generalsekretär vom BVT wissen?

Die Unterlagen von G. enthalten wohl Antworten auf die Fragen, die Kickls Generalsekretär gestellt hat. Dieser wollte wissen:

„Welche Burschenschaften waren zwischen 2012 und 2017 Gegenstand von Ermittlungen? Gab es in dieser Zeit Ermittlungen gegen Personen, die Mitglieder einer Burschenschaft sind? Wenn ja, gibt es Anzeigen? Welche Maßnahmen im Zusammenhang mit Vereinsauflösungen wurden in der letzten Regierungsperiode seitens REX-Referat gesetzt? Wo wurden im Bereich REX (Rechtsextremismus, Anm.) verdeckte Ermittler eingesetzt?“

Diese Fragen wurden kurz nach der Nazi-Liederbuch-Affäre um den FPÖ-Politiker Udo Landbauer gestellt. Das deutet darauf hin, dass möglicherweise Burschenschafter vor weiteren Ermittlungen gewarnt werden sollten. In Kickls Büro finden sich etliche Burschenschafter, zum Beispiel sein Kabinettschef Reinhard Teufel. Er ist Mitglied der deutschnationalen Burschenschaft Brixia.

Extremismus-Chefermittlerin im BVT wird unter Druck gesetzt

Das BVT will sich nicht in die Karten blicken lassen und antwortete knapp –  wohl auch zum Schutz seiner Ermittler. Sybille G. beantwortete die Fragen des Generalsekretärs laut Falter recht knapp mit:

„Seitens des BVT wurden bisher verdeckte Ermittler in den Bereichen der neonazistischen ideologisierten Szene, Skinhead Blood and Honour und Rechtsextremismus Hooliganismus eingesetzt“.

Wenig später wird eine Hausdurchsuchung im BVT angeordnet, bei der die Beamten auch den Computer von Sybille G. beschlagnahmen. Schon zuvor hat sich G. im Innenministerium wohl keine Freunde gemacht. Sie hat beispielsweise einen kritischen Bericht über einen Kongress Linz verfasst, bei dem Herbert Kickl 2016 eine Rede gehalten hat. G. hat außerdem unzensuriert beobachtet – dessen ehemaliger Chefredakteur jetzt Kickls Pressesprecher ist. Seit den Geschehnissen rund um die BVT-Razzia wird G. an ihrer Arbeit gehindert. Sie schreibt in einer Mail an die Staatsanwaltschaft:

Ich habe mittlerweile die persönliche Situation, dass man mir seitens des Dienstgebers signalisiert, dass man mir etwas anhängen möchte (eventuell auch nur disziplinär), als gelinderes Mittel mir konkret die Pension nahelegt.“ (Sybille G., Leiterin des Extremismus-Referats im BVT)

Außerdem berichtet die Chefermittlerin von Einschüchterungsversuchen aus der rechten Szene.

Innenministerium versucht, den Falter-Chefredakteur einzuschüchtern

Über diese Zusammenhänge hat Florian Klenk im Falter berichtet. Das Innenministerium fühlt sich angegriffen – und wirft Klenk vor, schlecht recherchiert zu haben. Es veröffentlicht zudem den gesamten SMS- und Mailverkehr zwischen Klenk und Ministeriums-Mitarbeitern. Das Brisante daran: Mit dem Veröffentlichen der Nachrichten und der privaten Mailadresse des Chefredakteurs hat das Ministerium wohl auch gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen.

Damit nicht genug hat das Ministerium von Herbert Kickl sogar den Presserat eingeschalten, um sich gegen den unbequemen Artikel von Klenk zu beschweren. Das Ziel ist, den „Falter“-Chefredakteur einzuschüchtern. Das sieht auch Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen, so:

Es handelt sich hier um die gezielte Verhetzung und Verleumdung von Journalisten, um diese unglaubwürdig zu machen. Offenbar versucht der Innenminister einzelne Journalisten an den Pranger zu stellen.

Zuletzt hat sich noch Martin Glier, Pressesprecher von FPÖ-Vizekanzler Strache, eingeschaltet. Er unterstellt dem Falter-Chefredakteur, bloß dem Image von Kickl schaden zu wollen:

Screenshot: Twitter

FPÖ-Angriffe auf Journalisten haben System

Es ist nicht das erste Mal, dass die FPÖ gegen kritische Medien und Journalisten vorgeht. Unlängst hat es der Innenminister mit einer Mail in alle Schlagzeilen geschafft: Zeitungen, die zu kritisch über den Innenminister berichten, sollen künftig weniger Informationen vom BMI und von Landespolizeidirektionen erhalten. Journalisten des Standard, des Falter und des Kurier werden also in ihrer Arbeit behindert.

Schon bevor Herbert Kickl Minister wurde, waren ihm diese Medien unangenehm. Auf einem Kongress mit rechtsextremen Ausstellern im Oktober 2016 in Linz hat er „Standard“-JournalistInnen als „Gesinnungsstasi“ und ORF-ModeratorInnen als „mieselsüchtige Partie“ beschimpft.

Der aktuelle Umgang mit dem Falter-Chefredakteur reiht sich in eine Serien von Angriffen auf Journalisten und Medien ein – Die FPÖ schreckt dabei nicht davor zurück, Einzelpersonen unter Druck zu setzen. Eine Sammlung ähnlicher Attacken können in unserem Dossier nachgelesen werden.

Zum Weiterlesen:

Dossier: FPÖ-Attacken auf Journalisten (Kontrast)

Kickl im Innenministerium: Medien zensuriert, Gewalt gegen Frauen ignoriert, rechtsextreme Blätter finanziert (Kontrast)

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1544 Stimmen
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    1544 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 401 Stimme
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    401 Stimme - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 326 Stimmen
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    326 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 240 Stimmen
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    240 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 120 Stimmen
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    120 Stimmen - 5% aller Stimmen
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12. März 2024
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