Finanzminister Schelling hat ein Papier gegen internationale Steuerv ermeidung präsentiert. Bislang ist er in dieser Frage durch eine zögerliche bis blockierende Haltung aufgefallen. Zudem hängen ihm die aggressiven Steuervermeidungspraktiken aus seiner Zeit als Geschäftsführer und Aufsichtsrat bei XXX Lutz nach. Hat sich Finanzminister Schelling jetzt vom Steuervermeidungs-Saulus zum Steuergerechtigkeits-Paulus gewandelt? Leider nein. Er macht nur das, was er nicht mehr verhindern kann, wenn der Druck von außen zu stark wird. Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit will er nur so spät und so geringfügig wie möglich zulassen.
ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling inszeniert sich neuerdings als Kämpfer gegen Steuerflucht und Gewinnverschiebung. Dazu hat er ein Papier vorgelegt, das ganz unbescheiden „Schelling-Plan zum Schließen der internationalen Steuerflucht-Route“ heißt.
Schellings Plan beinhaltet eine wirklich neue Idee: die digitale Betriebsstätte. Das ist ein interessanter Vorschlag, den Schelling zusammen mit sehr vielen anderen schon Ende April von der SPÖ unterbreitet bekommen hat.
Seine Reaktion damals: „In Österreich nicht umsetzbar.“ Aber immerhin ist das jetzt der erste Punkt des „Schelling-Plans“.
Zur Erklärung: Bisher knüpft der Begriff der Betriebsstätte und damit die Steuerpflicht an die physische Präsenz eines Unternehmens im Inland an. Unternehmen wie Google, die nur Internetgeschäfte machen ohne eine Niederlassung in Österreich, sind davon also nicht erfasst. Indem man nun für diese Fälle rechtlich eine digitale Betriebsstätte annimmt, sollen Internetunternehmen, die erhebliche Umsätze in Österreich machen, auch ihre Steuern hier zahlen müssen.
Die weiteren Punkte in Schellings Plan sind hingegen nur für Schelling neu:
- Gewinntransfers von Konzerntöchtern aus Niedrigsteuerländern an die Muttergesellschaft sollen verbindlich nach der Anrechnungsmethode versteuert werden. Ein Beispiel: Nach dem Transfer eines mit 5 % versteuerten Gewinns einer Tochtergesellschaft an die österreichische Muttergesellschaft müssen noch einmal 20 % bezahlt werden, um auf den in Österreich geltenden KÖSt-Satz von 25 % zu kommen; die schon bezahlten 5 % werden angerechnet. (Die Befreiungsmethode – dabei wird ein, egal wie niedrig auch immer, besteuerter Gewinn nach dem Transfer zur Muttergesellschaft von einer weiteren Besteuerung befreit – kann nicht mehr angewendet werden)
- einen besseren grenzüberschreitenden Datenaustausch bei der Umsatzsteuer
- europaweit harmonisierte Bemessungsgrundlagen für die Körperschaftssteuer
Steuergerechtigkeit nur unter Vorbehalt
Für seinen gesamten Plan hat Schelling allerdings den EU-Vorbehalt eingebaut; das alles sei „nur europäisch“ zu lösen. Und das muss man leider als Umschreibung dafür verstehen, dass der Finanzminister selbst weiterhin nicht wirklich etwas tun will.
Denn tatsächlich ist Schelling auch schon bisher in Steuergerechtigkeitsfragen dadurch aufgefallen, dass er zwar das umsetzt, was die SPÖ im Regierungsprogramm verankert konnte und was sich durch EU-Vorschriften zwingend ergibt, er aber freiwillig keinen Millimeter weiter gehen will.
So kämpft der Finanzminister (übrigens auch auf europäischer Ebene) seit langem dagegen an, dass multinationale Konzerne ihre länderweisen Umsätze, Gewinne und Steuern (Country-by-Country-Report) auch in öffentlichen Berichten bekannt geben müssen.
EU-weit hat man durchsetzen können, dass die Multis diese Daten zumindest den Finanzbehörden in den Staaten, wo sie tätig sind, melden müssen. Österreich ist unter den ersten Staaten, die das umgesetzt haben.
Jetzt finden die Kommission und das Europäische Parlament, dass diese Informationen von großem öffentlichen Interesse sind und daher auch von den Unternehmen öffentlich berichtet werden sollen. (Auch das ist Teil des SPÖ-Maßnahmenkatalogs und Teil des von der SPÖ vorgelegten Gewinnverschiebungs-Bekämpfungsgesetzes.
Schelling blockiert die Initiative auf Europäischer Ebene. Dabei hat er sogar Othmar Karas, den Delegationsleiter der ÖVP im Europäischen Parlament, gegen sich. Der hat vor kurzem gemeinsam mit der SPÖ-Delegationsleiterin im Europäischen Parlament, Evelyn Regner, die öffentlichen Reports gefordert: „Durch die Offenlegung wird klar, wo die Eiterballen sind, die wir aufstechen müssen.”
Und noch ein Beispiel: Schelling kündigt jetzt an, dass es mehr Personal für die Großbetriebsprüfung geben wird, bis 2018 sollen zu den 490 PrüfererInnen noch einmal 40 dazukommen. Sie werden, wie Schelling sagt, dabei helfen, „Steuersünder effektiv zu verfolgen“. Beschlossen wurde das allerdings schon 2015.
Die Frage ist hier also nur, warum der Finanzminister drei Jahre braucht, um 40 Mitarbeiter einzustellen.
In Schellings Grundsatzrede kommt Steuergerechtigkeit nicht vor
All das setzt sich zu einem Bild zusammen, das erhebliche Zweifel daran aufkommen lässt, dass der Finanzminister es jetzt wirklich erst meint mit der Steuergerechtigkeit. Denn natürlich hängen Schelling noch die aggressiven Steuervermeidungspraktiken aus seiner Zeit als Geschäftsführer und Aufsichtsrat des Möbelkonzerns XXX Lutz nach.
Es gibt auch sonst keine Hinweise, dass sich Schelling vom Steuervermeidungs-Saulus zum Steuergerechtigkeits-Paulus gewandelt hätte.
Denn wie wenig er Steuergerechtigkeit insgesamt am Radar hat, das hat Schelling in seiner programmatischen Rede zum Jahresauftakt 2017 gezeigt. Inhaltlich blieb er auf einer strikt neoliberalen Linie: Deregulieren, länger Arbeiten, Steuern, und da vor allem die Unternehmenssteuern senken, Abgabenquoten senken, Arbeitsinspektoren in die Schranken weisen usw. usf.
Der Kampf gegen Gewinnverschiebung und Steuerhinterziehung war ihm dagegen keine Erwähnung wert. Der Finanzminister hat in seiner gut einstündigen Rede, die ja, wie er damals noch glaubte oder wenigstens sagte, sein Programm für die kommenden 18 Monate den ZuhörerInnen näherbringen sollte, Steuergerechtigkeit mit keinem einzigen Wort erwähnt.