ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss

Steuergeld für ÖVP-Wahlkampf: U-Ausschuss findet Hinweise auf illegale Parteifinanzierung

Im Untersuchungsausschuss kamen seltsame Zahlungsströme aus dem Landwirtschaftsministerium an eine ÖVP-Zeitung ans Licht. Es geht um 300.000 Euro Steuergeld, die vermeintliche zur Finanzierung des ÖVP-Wahlkampfs verwendet wurden. Später kam es zu weiteren Geldflüssen aus dem Finanzministerium, für die sich der heutige Landwirtschaftsminister Totschnig starkgemacht hat. Der Vorwurf der illegalen Parteifinanzierung steht im Raum – es gilt die Unschuldsvermutung.

2017 brauchte die ÖVP viel Geld. Die große Wahlkampfshow für Sebastian Kurz sollte der teuerste in der Geschichte der Zweiten Republik werden und den gesetzlichen Rahmen um das Doppelte sprengen. So nahm die Partei nach der Demontage Mitterlehners einen 15 Millionen Euro schweren Kredit auf. Zusätzlich hat die Partei auch bei ihren Teilorganisationen Schulden – so auch beim Bauernbund. Zur selben Zeit kommt es zu einem sprunghaften Anstieg bei den Inseratenschaltungen des Landwirtschaftsministeriums in der „Bauernzeitung“. Das Inseratenvolumen steigt um 350.000 Euro. Wenig später erlässt der Bauernbund der Mutterpartei ÖVP wiederum 300.000 Euro Schulden. Die Bauernzeitung befindet sich durch ein kompliziertes Konstrukt zu 100 Prozent im Eigentum des ÖVP-Bauernbundes.

Verdacht auf illegale Parteifinanzierung: 300.000 Euro Inserate – 300.000 Euro Schuldenerlass für ÖVP

Es tut sich der Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung auf: Hat das ÖVP-geführte Landwirtschaftsministerium die Rekord-Inseratenschaltungen bei der Bauernbund-Zeitung unter der Voraussetzung getätigt, dass der ÖVP im Gegenzug Schulden erlassen werden? Noch ist die Causa nicht gänzlich geklärt und es gilt die Unschuldsvermutung. Die konkreten Zahlen sorgen jedenfalls für eine schiefe Optik: Das Landwirtschaftsministerium schaltete 2014 knapp 50.000 Euro, 2015 rund 90.000 Euro und 2016 knapp 145.000 Euro an Inseraten in der Bauernbundzeitung. 2017 explodiert das Auftragsvolumen plötzlich auf eine halbe Million Euro. Ausgerechnet in dem Jahr, als Sebastian Kurz Parteiobmann wird und Elisabeth Köstinger, die selbst bis heute Vizepräsidentin des Bauernbundes ist, zu seiner Generalsekretärin macht, erhält der Bauernbund um 350.000 Euro mehr aus dem ÖVP-geführten Landwirtschaftsministerium. Wenig später erlässt der Bauernbund der ÖVP 300.000 Euro Schulden.

E-Mail zeigt: Köstingers Büro orchestrierte Inseraten-Deals

Das Kalkül der ÖVP geht auf: Sie sprengen mit 13 Millionen Euro zwar die gesetzliche Wahlkampfkosten-Obergrenze um das doppelte, doch sie gewinnt die Wahl. Kurz wird Kanzler. Köstinger wird Landwirtschaftsministerin und der Geldregen für den Bauernbund hält an. 2018 sinken die Zahlungen zwar deutlich im Vergleich zu 2017, bleiben aber mit 300.000 Euro mehr als doppelt so hoch wie in der Vergangenheit üblich.

Köstinger sagte im Untersuchungsausschuss aus, nicht in die Inseratenvergabe eingebunden gewesen zu sein und verwies auf die eigene Fachabteilung im Ministerium, die unabhängig von der Ministerin die Inseratenschaltungen vornehme. Doch eine Mail, die der SPÖ-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss Jan Krainer vorlegte, deutet auf das Gegenteil hin:

Köstingers damaliger Pressesprechers Daniel Kosak informierte die Fachabteilung in einer Mail: „Ich habe heute in einem persönlichen Gespräch einen Gesamtrahmen von rund 110.000 Euro für die Bauernbund-Zeitung vereinbart.“ Krainer sieht darin eine Anweisung aus dem Büro der Ministerin, die Vereinbarung mit dem Bauernbund auch tatsächlich durchzuführen.

Das verstehen auch die zuständigen Beamten so. Schriftlich halten sie fest, dass die Medienkooperation mit der Bauernzeitung im Auftrag des Ministerbüros erfolge. Kosak stieg mittlerweile zum Sprecher des Bundeskanzlers auf.

Landwirtschaftsminister Totschnig keilte Inserate für den ÖVP-Bauernbund beim Finanzministerium

Die Inseratenzahlungen für den Bauernbund aus dem Landwirtschaftsministerium wurden zwar weniger, doch unter der ÖVP-Kanzlerschaft sind die PR- und Werbeausgaben der Regierung insgesamt massiv gewachsen. Mit 44,8 Millionen Euro gab türkis-blau mehr als doppelt so viel für Werbung aus wie die Regierung davor. Spitzenreiter war mit großen Abstand das Finanzministerium mit 10,8 Millionen. Von diesem Kuchen wollte offenbar auch der Bauernbund ein Stück. So setzte sich 2018 der damalige Direktor des Bauernbundes, Norbert Totschnig, dafür ein, dass der Bauernbund erstmals Inserate aus dem Finanzministerium erhalten soll. Das zeigen Chats des mittlerweile berühmt gewordenen Ex-Generalsekretärs im Finanzministerium Thomas Schmid.

Ein Mitarbeiter des Finanzministeriums schreibt am 12. November 2018 an Thomas Schmid: „Nobert Totschnig bittet um deinen Rückruf, Stichwort Bauernzeitung“. Schmid verweist auf seinen Mitarbeiter Johannes Pasquali, gegen den mittlerweile wegen Verdacht auf Untreue und Bestechlichkeit in der Beinschab-Causa ermittelt wird. Noch am selben Tag schreibt Totschnig an Schmid: „Vielen Dank!! Hat geklappt!!“ 17 Tage später schaltet das Finanzministerium erstmals Inserate in der Bauernzeitung in Höhe von 62.695,28 Euro, berichtet die Krone. Totschnig will freilich nichts mit den Inseratendeals zu tun haben und sagt gegenüber der Krone, er habe sich nur auf Bitten einer Mitarbeiterin der Bauernzeitung im Finanzministerium gemeldet. Mittlerweile ist Totschnig vom Bauernbund-Direktor zum Landwirtschaftsminister aufgestiegen.

SPÖ-Krainer: „Die ÖVP muss offenlegen, wie viel Steuergeld sie kassiert hat!“

„Es scheint kein Tag zu vergehen, ohne dass sich die ÖVP-Bauernbund-Affäre ausweitet“, kommentiert der Fraktionsführer der SPÖ im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, Jan Krainer, die Verwicklung des neuen Landwirtschaftsministers in die Causa. „Die ÖVP muss endlich ihren Trotz aufgeben und reinen Tisch machen: ÖVP-Chef Nehammer soll aufklären, wie viel Steuergeld die ÖVP und ihre Teilorganisationen, wie der ÖVP-Bauerbund, über Medienkooperationen, Inserate und „Werkverträge“ bekommen haben und welche Regierungsmitglieder involviert sind! Die Zahlen müssen von Nehammer selbst offengelegt werden, anstatt darauf zu warten, bis alle Deals einzeln nachgewiesen werden!“

Krainer fordert: „Am besten wäre es, die ÖVP zahlt die Millionen sofort zurück!“

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