Am 25. Juni 2022 nahm Bundeskanzler Karl Nehammer (r.) am Europa-Forum Wachau teil. Im Bild mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (l.). BKA/Dunker
ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss

WKStA ermittelt wegen öffentlicher Aufträge für NÖ ÖVP-Wahlkampfagentur

Foto: BKA/Dunker, eigene Montage

Die niederösterreichische ÖVP-nahe Agentur Media Contacta machte immer wieder Schlagzeilen: So sollen nicht nur öffentliche Aufträge aus ÖVP-geführten Ministerien mithilfe von Scheinangeboten an die Agentur vergeben worden sein, sondern die Agentur könnte sich dafür auch im ÖVP-Wahlkampf revanchiert haben. Das vermutete die SPÖ im U-Ausschuss. Jetzt ermittelt auch die WKStA im erstgenannten Vorwurf gegen sechs Personen. Es geht um mögliche Absprachen bei Vergabeverfahren. Auch die Bundeswettbewerbsbehörde prüft den Fall. Es gilt die Unschuldsvermutung und sowohl die Agentur als auch die ÖVP bestreiten die Vorwürfe.

Die Event-Agentur Media Contacta GmbH stand bis 2002 über ihre Mutterfirma im Eigentum der ÖVP-Niederösterreich – und nach wie vor ist die Nähe zur Landespartei auffällig. Bis vor wenigen Monaten hatte sie ein Büro direkt im Landhaus in St. Pölten. Geschäftsführer ist einerseits Gerhard Schlack, der auch den Innova Verlag führt und damit die ÖVP-NÖ-Parteizeitung verlegt. Er war auch jahrelang Geschäftsführer mehrerer ÖVP-Gesellschaften (z.B. Heimatwerbung). Andererseits Peter Madlberger, der bis 2016 ÖVP-Gemeinderat in Korneuburg sowie Mitarbeiter in der niederösterreichischen ÖVP-Landesparteizentrale war. Dort hat er für den damaligen Geschäftsführer der ÖVP NÖ, den heutigen Innenminister Gerhard Karner gearbeitet.

Eine Vielzahl an ÖVP-nahen Personen machte bei der Media Contacta Halt: so etwa Daniela Fazekas, die Frau des burgenländischen ÖVP-Landesgeschäftsführers und langjährige Kabinettsmitarbeiterin im Innenministerium. Sie ist jetzt stellvertretende Kabinettschefin bei Bundeskanzler Nehammer.

Wenig überraschend ist demnach, dass die Agentur viele lukrative Aufträge der ÖVP erhält. Sie richtete etwa die ÖVP-Bundesparteitage 2017 und 2022 aus, den ÖVP-Wahlkampfauftakt in der Wiener Stadthalte 2017 um rund 1 Million Euro sowie die ÖVP-Sommertour 2017 (über zwei ihrer Subunternehmen). Außerdem hat die Agentur einen Beratungsvertrag mit der ÖVP-Bundespartei. Als die Bundespartei 2017 Finanzprobleme hatte – im Kurz-Wahlkampf gab die ÖVP fast 13 Millionen Euro und somit 6 Mio. mehr aus als gesetzlich erlaubt – kommt die Media Contacta der ÖVP entgegen und stundet der Bundespartei einen Betrag von 500.000 Euro.

Öffentliche Aufträge aus ÖVP-Ministerien mithilfe von Scheinangeboten?

Doch auch öffentliche Aufträge erhält die Agentur nicht wenige. Während sich 2016 die öffentlichen Aufträge für die Agentur noch in Grenzen hielten, schnellten sie 2017 und 2018 auf 600.000 Euro in die Höhe. Auch den Auftrag für das 231.000 Euro teure „Familienfest“ ging 2019 an Media Contacta – finanziert durch das ÖVP-geführte Familienressort und das Landwirtschaftsministerium. Das Land Niederösterreich beauftragte das Unternehmen, sechs Veranstaltungen zwischen 2021 und 2022 zu organisieren, die insgesamt 700.000 Euro kosteten – ohne direkte Ausschreibung.

Während auch bei manchen Auftragsvergaben von Ministerien – etwa kurzfristig abgehaltene Pressekonferenzen – gar keine anderen Angebote eingeholt worden sind, könnten andere mithilfe von Scheinangeboten vergeben worden sein, wie die SPÖ vermutet. Die SPÖ legte im U-Ausschuss drei zum Großteil wortidente Angebote zu den über 100.000 Euro teuren „Stallgesprächen“ 2019 vor, bei denen Media Contacta den Zuschlag bekam. Begründet wurde das mit der „sehr guten und übersichtlichen Darstellung der Leistungsdarstellung“ und dem günstigeren Angebot. Dabei unterbot Media Contacta die anderen Bewerber nur um 300 Euro und wies die gleiche Leistungsdarstellung auf. Einen ähnlichen Fall soll es laut SPÖ auch bei dem 100-Jahr-Jubiläum der Bundesgärten gegeben haben.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen des Verdachts auf wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Vergabeverfahren gegen sechs Personen. Auch die Bundeswettbewerbsbehörde prüft den Fall. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Revanchierte sich die Agentur dafür im NÖ-ÖVP Wahlkampf?

Auslöser der Ermittlungen war eine Sachverhaltsdarstellung der SPÖ. Darin erheben die Sozialdemokraten auf 143 Seiten noch weitere Vorwürfe. Es geht um mögliche Untreue, gewerbsmäßigen Betrug sowie Geldwäscherei.

Denn auffälligerweise löst die Media Contacta just in Zeiten der niederösterreichischen Wahlkämpfe Gewinnrücklagen auf – und engagiert sich sichtbar im ÖVP-Wahlkampf. So wurden etwa im Jahr 2015 – als Gemeinderatswahlen waren – Gewinnrücklagen in Höhe von über 125.000 Euro aufgelöst. Drei Jahre später, als in Niederösterreich Landtagswahlen stattfinden, greift die Agentur erneut auf ihre Gewinne zurück – in Höhe von über 174.500 Euro.

Die Vermutung liegt nahe, dass mit diesen Geldern der niederösterreichische ÖVP-Wahlkampf mitfinanziert wurde. Denn die Media Contacta tätigt unverhältnismäßig hohe Anschaffungen – die dann im ÖVP NÖ Wahlkampf auftauchen. So meldet Media Contacta eine Flotte von 20 Fahrzeugen an, die im ÖVP-NÖ-Design und mit fortlaufenden Wunschkennzeichen mit dem ÖVP-Slogan „WIR“ unterwegs war. Der Landesgeschäftsführer betonte dazu im Ausschuss, dass man die Media Contacta gebeten habe, die Autos „zur Verfügung zu stellen“ und nach dem Prinzip „was wir bestellen, bezahlen wir“ handle.

Mitarbeiter der Media Contacta engagieren sich im Wahlkampf

Gleichzeitig hat die Media Contacta im Zeitraum der Intensivwahlkampfphase der Landtagswahl 2018 neun zusätzliche Dienstnehmer:innen beschäftigt, die in einem Naheverhältnis zur ÖVP stehen. Darunter etwa Stefanie H., die als Angestellte von Media Contacta gleichzeitig das Freiwilligenbüro für die ÖVP Niederösterreich koordinierte. Jakob S. war von Juni 2017 bis März 2018 bei der Media Contacta für „Wahlkampagnen-Leitung in der Region Mostviertel/Wahlkreis 3c“ und „Landtagswahl 2018“ beschäftigt. Beides wurde im U-Ausschuss bestätigt.

 

Der Artikel wurde am 1. Dezember 2022 veröffentlicht und am 19. Jänner 2023 aufgrund der Ermittlungen der WKStA aktualisiert.

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