
Wie das Finanzministerium mit Beinschab, sollen drei ÖVP-Ministerien parteipolitische Inhalte abgefragt haben. Unterlagen aus dem Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Verteidigungsministerium geben Hinweise auf Studien, die zwar aus Steuergeld bezahlt, aber für die ÖVP genutzt worden sein dürften. Beauftragt wurde u.a. das Institut „Demox“, der Geschäftsführer Paul Unterhuber ist am Donnerstag vor dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss geladen. Er bestreitet alle Vorwürfe.
329.000 Euro sind zwischen 2018 und 2020 aus drei ÖVP-geführten Ministerien an das ÖVP-nahe Umfrageinstitut „Demox“ geflossen. Viel Steuergeld, um herauszufinden, wie beliebt ein Minister und seine Vorhaben sind. Doch das ist nicht alles: In den Umfragen, die Demox für das Landwirtschafts-, das Wirtschafts- und das Verteidigungsministerium durchgeführt hat, finden sich regelmäßig Fragen, die nichts mit der Arbeit der Ministerien zu tun haben. Sie klingen, als wären sie direkt von der ÖVP beauftragt – verpackt in Studien für das Ministerium.
Das vermutet zumindest der SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss Jan Krainer: „Die Daten wurden zwar im Ministerium bezahlt, aber wanderten zur ÖVP weiter“, so Krainers Verdacht. Er spricht von einem „Unterhuber-ÖVP-Tool“, in Anlehnung an das berüchtigte Beinschab-Österreich-Tool, das Bundeskanzler Kurz zum Rücktritt zwang.
Gab es ein „Beinschab-Tool“ auch in anderen Ministerien?
Nur Beinschab heißt diesmal Paul Unterhuber, Geschäftsführer von Demox. Er war Direktor des Wiener Bauernbunds und in der ÖVP Hietzing aktiv. Bevor Unterhuber sein Umfrageinstitut gründete, war er bei GfK tätig gewesen. Eine Aufstellung zeigt, dass die regelmäßigen Aufträge an GfK ausgerechnet dann endeten, als Demox ins Spiel kommt. Im Kuratorium von Demox saß jahrelang auch der Meinungsforscher Franz Sommer, bis vor Kurzem schien er ganz offen auf der Webseite von Demox als Kuratoriumsmitglied auf, seit Herbst ist sein Eintrag dort aber plötzlich gelöscht. Laut WKStA ist Sommer der „Umfragelieferant der ÖVP“:
„Zusammenfassend ist nach derzeitigem Kenntnisstand Dr. Sommer parallel zum Beinschab-Österreich-Tool beauftragt worden und (er) dürfte der ‚offizielle Umfragenlieferant‘ der ÖVP sein“, steht in ihrem Bericht.
Auch die APA schreibt über Sommer 2018: „Alle paar Wochen ist Franz Sommer, Chef des Meinungsforschungsinstituts Demox Research, für die ÖVP im Feld, alle relevanten Themen und Stimmungen werden abgefragt.“
Ausmaß parteipolitischer Fragen größer als bisher bekannt
Doch im Fall der Umfragen, die dem U-Ausschuss vorliegen, ist der Auftraggeber nicht die ÖVP, es sind ÖVP-geführte Ministerien. Und sie sind es auch, die dafür bezahlen, wenn Unterhuber Fragen abtestet, die kaum mit der Ministeriums-Arbeit in Zusammenhang gebracht werden können. Ein Beispiel:
„Wenn Hans-Peter Doskozil als Spitzenkandidat der SPÖ antreten würde. Wem würden Sie Ihre Stimme geben?“, fragt eine Demox-Umfrage für das Wirtschaftsministerium im April 2020 (die ganze Umfrage gibt es hier zum Download, die das Ausmaß parteipolitischer Fragen aufzeigt). Die gleiche Frage wird im Juni 2020 an eine Demox-Studie für das Verteidigungsministerium gehängt.
Auch die Sonntagsfrage wurde in der Umfrage des Verteidigungsministeriums gestellt. Paul Unterhuber erklärt das im U-Ausschuss damit, dass es sich um eine sogenannte Omnibus-Umfrage gehandelt habe, also dass aus Preisgründen mehrere Auftraggeber beteiligt gewesen wären. Dabei sei die Sonntagsfrage Standard, die bei der Qualitätssicherung helfe, so die Auskunftsperson. Wenn nämlich die Personen aus der Stichprobe an das Wahlergebnis herankommen, wisse man, dass die Gruppe in Ordnung sei, erklärt Unterhuber. Wer Auftraggeber dieser Frage war, das könne er nicht mehr sagen, aber er könne ausschließen, dass das Verteidigungsministerium die Frage bezahlt habe.
Auftraggeber der gesamten Umfrage waren zwei Forschungsinstitute, deren Namen Unterhuber aufgrund des Betriebsgeheimnisses zuerst nicht nennen möchte. Die Verfahrensrichterin entscheidet jedoch, dass in diesem Fall das öffentliche Interesse überwiegt. Daraufhin nennt Unterhuber u.a. ein Institut, das einen Meinungsforscher betreffen soll, der eine deutliche Nähe zur ÖVP aufweist und im Laufe des U-Ausschusstages noch eine größere Rolle spielen könnte.
Auch das Wirtschaftsministerium hat die Sonntagsfrage stellen lassen. Unterhuber könne die Umfrage allerdings nicht verifizieren und deshalb nicht sagen, wer die Frage in Auftrag gegeben hat.
Gegenüber der APA hieß es vonseiten der ÖVP, dass ihr Parlamentsklub die Fragen zu den Beliebtheitswerten von Politikerinnen und Politikern bezahlt habe. Entsprechende Belege liegen dem U-Ausschuss nicht vor.
Hier die Studie des Wirtschaftsministeriums als PDF herunterladenHier Auszüge aus der Studie des Verteidigungsministeriums als PDF herunterladen
In seiner Befragung vor dem U-Ausschuss hält Unterhuber fest, dass die Bezeichnung oben auf der Umfrage (BMLV_0620_TO) – die auf das Bundesministerium für Landesverteidigung schließen lässt – willkürlich sei und es sich lediglich um eine interne Bezeichnung handle.
Überhaupt beauftragten die Ministerien auffallend viele Umfragen bei Unterhuber vor der Wienwahl 2020. In jenem Jahr flossen 230.000 Euro Steuergeld an Demox – den Großteil davon zahlte das Wirtschaftsministerium. Insgesamt 10 Studien wurden in den Monaten vor der Wienwahl durchgeführt, im Jahr zuvor lediglich eine. Zum Vergleich: Das grün geführte Gesundheitsministerium, das im Pandemiejahr 2020 im Zentrum des politischen Geschehens stand, hat offenbar keine zusätzlichen Umfragen beauftragt.
Mehr zur Wienwahl als zum Wirtschaftsministerium passt dann auch die Frage: „Wenn am kommenden Sonntag Wien-Wahlen wären. Wen würden Sie wählen?“ Abgefragt wurde sie in einer Studie des Wirtschaftsministeriums, auch bezahlt von diesem. Unterhuber kann das in seiner Befragung nicht bestätigen.
Ermittelt wird in der Sache nicht, es handelt sich um politische Vorwürfe, die den betreffenden Ministerien im U-Ausschuss gemacht wurden.
[Der Artikel wurde am 30.6. um 18:30 um die Aussage der ÖVP ergänzt.]
