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Ärztemangel in Österreich: Immer mehr Wahlärzte und Privat-Versicherte

Warum gibt es immer weniger Kassenärzte und immer mehr Wahlärzte in Österreich?// Bild: Flickr/TÜV Süd/Daniela Ge

Warum gibt es immer weniger Kassenärzte und immer mehr Wahlärzte in Österreich?// Bild: Flickr/TÜV Süd/Daniela Ge

Kontrast Redaktion Kontrast Redaktion
in Dossier, Gesundheit
Lesezeit:10 Minuten
10. Dezember 2025
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Kassenärzt:innen müssen sich um immer mehr Patient:innen kümmern. Österreichs Gesundheitssystem wurde in den vergangenen Jahren schleichend ausgedünnt. In manchen Regionen bleiben Kassenarzt-Ordinationen unbesetzt und es gibt nicht einmal mehr Bereitschaftsdienste. Gleichzeitig boomen private Krankenversicherungen und immer mehr Wahlärzte bieten ihre Dienste an. Das österreichische Gesundheitssystem hat sich in Richtung einer Zwei-Klassen-Medizin entwickelt. Um gegenzusteuern, hat die Regierung zusätzlich 500 Millionen Euro jährlich für das öffentliche Gesundheitssystem beschlossen.

Inhalt
Wahlärzte seit 2000 um 148 % gestiegen
Bis zu 120 Kontakte pro Tag: Ärzte und Ärztinnen wollen mehr Zeit für Patienten haben
Ärzte und Ärztinnen kritisieren Sparzwang der Gesundheitskasse
Kassenärzte verdienen zwischen 130.000 und 300.000 im Jahr
In manchen Regionen ist die Hälfte der Bereitschaftsdienste unbesetzt
Wahlärzt:innen als „Rosinen-Picker“?
Wahlarzt-Kosten für Krankenkasse in vier Jahren verdoppelt
Eine Möglichkeit: Das Wahlarztsystem beschränken
Die großen Profiteure: Private Gesundheitsversicherungen
+500 Mio. Euro pro Jahr: Regierung will gegen Trend der Zwei-Klassen-Medizin vorgehen

Wahlärzte seit 2000 um 148 % gestiegen

Aktuell sind in Österreich rund 311 Kassenstellen nicht besetzt. 175 davon in der Allgemeinmedizin.  Ein paar hunderttausend Menschen in Österreich haben also keinen Hausarzt in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung.

Während es 2000 insgesamt 8.203 Kassenärzte gab, waren es im Jahr 2025 8.236 – ein Zuwachs von nur 0,4 %. Wahlärzte verzeichneten einen enormen Anstieg um 148 %, von 4.768 auf 11.802.
Entwicklung- Wahlärzte vs. Kassenärzte
Seit über 10 Jahren gibt es mehr Wahlärzte als Kassenärzte (Quelle: krankenversichern.at/Ärztekammer)

Das Problem beschränkt sich nicht nur auf Hausarzt-Stellen: Bei den Fachärzt:innen sind die Kinderheilkunde und die Frauenheilkunde große Problemfelder. Von 2017 bis 2025 ging auch die Zahl der Kassenstellen bei Chirurg:innen um 17 zurück, bei Kinderärzt:innen um 15 und bei Hautärzt:innen sogar um 70 Stellen. Das wirkt sich auf die Versorgungssicherheit aus: Auf eine Hautärztin kommen im Durchschnitt 36.634 Einwohner:innen. (Quelle: parlamentarische Anfrage der SPÖ 2024)

Dass weniger Kassenärzt:innen eine höhere Anzahl von Patient:innen versorgen müssen, stellte auch der Rechnungshof in seinem Bericht zur ärztlichen Versorgung von 2021 fest: Eine Hausärztin betreut heute deutlich mehr Patient:innen, insgesamt rund 4.900 Patient:innen im Quartal. Bei Ärzt:innen fallen die Begriffe „Fünf-Minuten-Medizin“ oder „Fließband-Medizin”. Tatsächlich haben Kassenärzt:innen rund fünf bis sieben Minuten pro Patient:in – oft wären aber zwanzig Minuten notwendig, meinen viele Ärzt:innen.

Bis zu 120 Kontakte pro Tag: Ärzte und Ärztinnen wollen mehr Zeit für Patienten haben

100 bis 120 Patient:innen betreut eine Allgemeinmedizinerin durchschnittlich pro Tag, heißt es aus der Ärztekammer (Stand 2023). Laut Rechnungshof kommt es durchschnittlich zu 65 Konsultationen mit E-Card pro Tag (mit einer Bandbreite von 13 bis 178). Kassenärzt:innen verdienen vor allem über die Menge der Behandlungen.

„Den Ärzten geht es nicht darum, dass sie reich werden, aber sie wollen genug Zeit haben, um Beziehung zu den Patienten aufzubauen – diese Zeit muss man ihnen zahlen“, sagt eine Wiener Allgemeinmedizinerin.

Laut Mirjam Hufgard-Leitner, Oberärztin im Wiener AKH, entscheiden sich viele Mediziner:innen für eine private Praxis, weil sie mit dem Druck im öffentlichen System nicht zurechtkommen:

“Wir müssen davon wegkommen, dass wir Wahlärzt:innen für Menschen halten, die es sich bequem machen und ausschließlich dem Geld folgen. Ganz häufig sind das Ärzt:innen, die mit der Medizin, die sie derzeit anbieten, so nicht einverstanden sind. Sie wollen gern mehr Zeit für die Patient:innen und auch mehr Zeit für ihre Familie haben.”

In der österreichischen Sozialversicherung gibt es da wenig Tradition. In den Leistungskatalogen werden nur spezielle Untersuchungen und Eingriffe abgerechnet, Gespräche aber kaum – darüber klagen so gut wie alle Ärztinnen und Ärzte, mit denen wir sprechen. Einer von ihnen ist Peter Voitl. Er betreibt ein Kindergesundheitszentrum im 22. Bezirk in Wien, das aus mehreren Ärzt:innen und Therapeut:innen besteht und an sieben Tagen die Woche geöffnet ist.

„Kinder brauchen eine kindgerechte, angstfreie Umgebung. Aber wir Kinderärzte im Kassensystem haben nur sehr begrenzte Zeitressourcen zur Verfügung“, klagt Voitl.

Voitl wünscht sich einen überarbeiteten Leistungskatalog für die Abrechnung der Leistungen mit der Gesundheitskasse. Mit den Primärversorgungszentren (PVZ) habe sich mittlerweile aber auch einiges zum Besseren verändert, so der Wiener Kinderarzt. In einem PVZ arbeiten Kassenärzt:innen mit anderen Gesundheits- und Sozialberufen eng zusammen und bieten eine erste Anlaufstelle für Patient:innen.

“Die Kollegen können im Team gemeinsam mit anderen Gesundheitsdienstleistern für Kinder tätig sein und in Summe familienfreundlich arbeiten.”

Derzeit gibt es in Wien 25 solche Zentren, wodurch sich die Versorgungssituation deutlich verbessert hat – Tendenz steigend. Dennoch gibt es noch zu viele Kassenarztpraxen mit überfüllten Wartezimmern – gerade in der Kinderheilkunde. Von 2012 bis 2024 hat sich die Zahl der abgewiesenen Neu-Patient:innen in Wiener Kinderarztpraxen von 12 auf 54 fast verfünffacht.

Keine Aufnahme neuer Patient:innen// Grafik: krankenversichern.at/Ärztekammer/https://www.krankenversichern.at/wahlarzt-kassenarzt-statistiken/
Keine Aufnahme neuer Patient:innen in Wien (Grafik: krankenversichern.at/Ärztekammer)

Ärzte und Ärztinnen kritisieren Sparzwang der Gesundheitskasse

Dass man diese Leistungskataloge überarbeiten muss, darüber sind sich von den Ärzt:innen, über die Gesundheitslandesräte bis hin zur Gesundheitskasse eigentlich alle einig. Trotzdem kommt es seit Jahren nicht zur Aufnahme der Gesprächs- und Zuwendungsmedizin in der Abrechnung mit den Ärztinnen und Ärzten. Aus Sicht der Ärztekammer liegt das am Sparzwang der Gesundheitskasse.

„Das oberste Ziel ist es, Geld zu sparen. Finanziell gut dazustehen ist wichtiger als die Qualität in der Versorgung der Patienten zu erhöhen. Mit der Kassenreform sind noch mehr Leute ans Ruder gekommen, denen die Versorgung weniger wichtig ist als die Finanzen der Gesundheitskasse“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter in der Sozialversicherung, der anonym bleiben möchte.

Gemeint sind damit die Vertreter vom Wirtschaftsbund und der ÖVP, die nach der Kassenreform die Mehrheit in den ÖGK-Gremien hatten. Die Reform – als Patientenmilliarde versprochen – brachte am Ende ein Milliardendefizit für die Krankenkassen.

Kassenärzte verdienen zwischen 130.000 und 300.000 im Jahr

Die Gesundheitskasse sieht das naturgemäß anders und verweist auf das hohe Einkommensniveau von Ärztinnen und Ärzten in Österreich. Der mittlere Verdienst eines Kassenarztes lag 2022 bei rund 201.000 Euro brutto im Jahr. Zwischen 2015 und 2022 stiegen die Einkommen der Kassenärzte um rund 40 Prozent. Laut Rechnungshof war diese Steigerung doppelt so hoch wie die Inflation. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum stiegen die Löhne von Arbeitnehmer:innen nur um 23 Prozent.

Innerhalb der Ärzteschaft sind die Einkommen aber sehr unterschiedlich: Während Allgemeinmediziner:innen auf rund 162.696 Euro brutto im Jahr kommen, verdienen Radiologen fast 369.122 Euro. Die Ärzte betonen wiederum, dass von diesen Einnahmen der gesamte Betrieb der Ordination bezahlt werden muss und oft nur ein Drittel als Einkommen für den Arzt übrig bleibt.

In Österreich gibt es derzeit einen Konflikt zwischen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und der Österreichischen Ärztekammer (ÄK) über die Bezahlung von niedergelassenen Ärzt:innen. Die ÖGK fordert, dass Wahlärzt:innen künftig höchstens das 2,5-Fache des Kassentarifs verrechnen dürfen. Sie begründet das damit, dass manche Ordinationen ihrer Ansicht nach derzeit sehr hohe, teils zehn- bis fünfzehnfache Sätze verlangen. Die Ärztekammer widerspricht und meint, dass eine solche Begrenzung viele Wahlordinationen wirtschaftlich unter Druck setzen würde.

In manchen Regionen ist die Hälfte der Bereitschaftsdienste unbesetzt

Warum finden sich aber immer weniger Ärztinnen und Ärzte für die einst begehrten Kassenordinationen? Für viele junge Ärzt:innen – vor allem, wenn sie Kinder haben – sind Arbeitszeiten in einer Praxis, bei der auch Öffnungszeiten abends und früh morgens vorgeschrieben sind, nicht attraktiv. Ein weiterer Grund dürfte auch ein Wandel in den Bedürfnissen von Ärzt:innen und Patient:innen sein – viele wollen weg von der „5 Minuten Medizin“. Das hängt auch mit dem Zeitgeist zusammen: Immer mehr Patienten erwarten sich deutlich mehr Zeit vom Arzt und haben wenig Toleranz gegenüber Wartezeiten und anderen Schwächen im System.

Ärztliche Leistungen werden teilweise zu einem „Konsumgut“, das je nach Bereitschaft zu Zusatzzahlungen schnell verfügbar sein und auf individuelle Wünsche eingehen muss, wird die Sozialversicherung im Rechnungshofbericht von 2021 zitiert.

All das begünstigt den Trend zu Wahlärzten. Wartezeiten von einigen Monaten für einen Termin beim Kassenarzt – davon lebt die Privatmedizin. Für Mediziner:innen bietet eine Privatordination wiederum den Vorteil, dass sie den Standort und die Öffnungszeiten selbst bestimmen können. In Wien konzentrieren sich viele private Ordinationen um die städtischen Krankenhäuser. Spitalsärzte arbeiten dort neben ihrer Tätigkeit im Krankenhaus nur wenige Stunden und können sich damit Geld dazu verdienen. “Im 8. oder 9. Bezirk bedeutet Hausarzt, dass es in jedem Haus einen Arzt gibt”, lautet ein Scherz über die Dichte an Ordinationen rund um das Wiener AKH.

Wahlärzt:innen als „Rosinen-Picker“?

Die Krankenkasse schreibt den Ärzten und Ärztinnen hingegen Mindestöffnungszeiten und den Standort für ihre Ordinationen vor, um die Versorgung im ganzen Land zu sichern. Dazu kommen Qualitätsprüfungen und Berichtspflichten.

“Die Wahlärzte müssten stärker in die Pflicht genommen werden. Jetzt ist es oft so, dass der Wahlarzt sich die Rosinen pickt. Er hat keine Mindestöffnungszeiten, braucht sich nicht an die ökonomische Verschreibweise halten und nicht am Bereitschaftsdienst mitarbeiten”, kritisiert ÖGK-Obmann Huss das bestehende System.

„Waffenungleichheit zwischen Kassen- und Wahlärzten“ nennt das Wolfgang Hilbe, einer von 19 Kinderärzten Vorarlbergs. Er wundert sich nicht, warum sich Vorarlbergs Ärzt:innen schwertun, ihre Ordinationen nachzubesetzen: Wieso sollte sich unter diesen ungleichen Bedingungen eine Berufsanfängerin für einen Kassenvertrag entscheiden?

Psychiater, Orthopädie, Chirurgie, Augenarzt, Hautarzt, Urologie, Kinderpsychiatrie, Kassenärzte, Wahlärzte, Zwei-Klassen-Medizin, Entwicklung 2017-2023
Psychiater, Orthopädie, Chirurgie, Augenarzt, Hautarzt, Urologie, Kinderpsychiatrie, Kassenärzte, Wahlärzte, Zwei-Klassen-Medizin, Entwicklung 2017-2023

Für Wahlärzt:innen und Privatpatient:innen funktioniert das System, übrig bleiben jene Patient:innen, die auf einen Kassenarzt angewiesen sind. Wenn Privatärztinnen in ihrer Arbeitszeit weniger, aber besser zahlende Patienten betreuen, müssen die übrig gebliebenen Kassenärzte eine größere Zahl an Patient:innen stemmen. Die Qualität leidet, die Wartezeiten werden länger und der Beruf des Kassenarztes wird unattraktiver. Eine Spirale nach unten für das öffentliche Gesundheitssystem im niedergelassenen Bereich. ÖGK-Obmann Huss schlägt daher vor, die Wahlärzte bei den Leistungen und den Öffnungszeiten stärker in die Pflicht zu nehmen, ihnen dafür aber 100 Prozent der Behandlung zu ersetzen, statt wie aktuell 80 Prozent.

Wahlarzt-Kosten für Krankenkasse in vier Jahren verdoppelt

Liegt das Honorar für einen Besuch beim privaten Kinderarzt für eine kurze Untersuchung samt Impfung bei 120 Euro, bekommen die Patient:innen 80 Prozent des Kassentarifs rückerstattet. Das sind 96 Euro, 24 Euro müssen sie selbst zahlen. Etwa 351 Mio. Euro hat die Gesundheitskasse 2020 für Kostenerstattungen inkl. Kostenzuschüssen im Wahlarztbereich ausgegeben. 2024 hat sich diese Zahl auf etwa 686 Mio. Euro nahezu verdoppelt. (Quelle: Versorgungsmonitoring und Analyse, ÖGK 2025) Kritiker meinen, die Gesundheitskasse spart sich dadurch auch Geld, weil sie nur 80 Prozent der Leistung zahlt und den Rest die Patient:innen privat übernehmen.

Seit 2000 hat sich die Zahl der Wahlärzt:innen auf über 10.000 mehr als verdoppelt. Seit rund zehn Jahren gibt es mehr Wahl- als Kassenärzte.

Die ÖGK relativiert diese Darstellung der Ärztekammer: Die über 10.000 Wahlärzte sind nicht alle „versorgungswirksam“. Die meisten von ihnen arbeiten hauptberuflich im Spital und nur ein paar Stunden in ihrer Wahlarztpraxis, der Vergleich sei also nicht gültig.

Eine Möglichkeit: Das Wahlarztsystem beschränken

So oder so, die Zahl der Wahlärzt:innen steigt kontinuierlich, die Kassenärzte stagnieren. Selbst 55 % der Hausärzt:innen arbeiten mittlerweile privat, bei Kinderärzt:innen sind es 60 %, bei Frauenärzt:innen 68 %. In den letzten Jahren gab es immer wieder Vorschläge, wie man die Situation verbessern könnte. Doch unter den Regierungen ÖVP-FPÖ und ÖVP-Grün gab es kaum merkliche Verbesserungen.

Als ÖGK-Obmann Huss 2021 beispielsweise vorschlug, man könnte einfach jedem Arzt und jeder Ärztin einen Kassenvertrag anbieten, dafür aber keine Kassenrefundierung für Wahlärzte mehr zahlen, war der Aufschrei der Ärztekammer groß.

Vor der Corona-Krise schlug auch Wiens Gesundheitsstadtrat Hacker vor, das System der Wahlärzte zu beschränken.

„Wir haben so viele Ärzte wie niemals zuvor in der Zweiten Republik und gleichzeitig einen Mangel an Ärzten in der öffentlichen Versorgung. Es stimmt jedenfalls etwas nicht im System, wenn in manchen Regionen Österreichs 60-70 Prozent der Frauen zum Wahlarzt gehen müssen, wenn sie eine normale Routine-Untersuchung brauchen“, sagte Hacker damals.

Vom burgenländischen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil kam ein ähnlicher Vorschlag: Österreich sollte teuer ausgebildete Ärzte verpflichten, eine gewisse Zeit hier zu arbeiten.

Mittlerweile vergeben die ÖGK und einige Bundesländer Stipendien an Medizinstudierende, wenn diese sich dann als Kassenärzte verpflichten. Erstmals gab es 2024 ein Kontingent für jene Medizinstudierende, die sich verpflichten, nach dem Studium für eine gewisse Zeit im öffentlichen Bereich zu arbeiten – etwa als Kassen-, Spitals-, Militär- oder Amtsärzt:innen. Diese Personen bekommen auch mit geringerer Punktezahl einen Studienplatz. Doch mit maximal 85 Plätzen ist dieses Kontingent nach wie vor sehr klein.

Beim Arbeitszeit-Problem sollten weitere Primärversorgungszentren Abhilfe schaffen – dort sitzt nicht ein Arzt in seiner Ordination, sondern mehrere Ärzt:innen und Gesundheitsberufe teilen sich eine Praxis mit langen Öffnungszeiten. Derzeit gibt es in ganz Österreich um die 100, bis 2030 soll sich diese Zahl auf 300 erhöhen.

Die SPÖ präsentiert den Vorschlag eines verpflichtenden Solidarbeitrags für Medizinstudierende um das öffentliche Gesundheitssystem zu stärken. Kernidee ist, dass Absolvent:innen eines staatlich finanzierten Medizinstudiums nach ihrem Abschluss für eine bestimmte Zeit im öffentlichen Bereich arbeiten – etwa in Spitälern oder Kassenordinationen. Diese Maßnahme soll dazu beitragen, Engpässe in der medizinischen Versorgung zu verringern und den langfristigen Zugang zu ärztlicher Betreuung zu sichern.

Die großen Profiteure: Private Gesundheitsversicherungen

Ein Profiteur des Wahlarzt-Booms sind jedenfalls die privaten Krankenversicherungen: Über 3,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind bereits zusatzversichert. 3,12 Mrd. Euro Umsatz machten Privatversicherungen mit ihnen 2024, was einem Plus von 10,7 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. 2,66 Milliarden gaben die Versicherungen wiederum für die Gesundheitsleistungen aus. Damit bleibt ein satter Profit bei den Privatversicherungen übrig. 2016 lag der Umsatz mit privaten Krankenversicherungen noch bei 2 Mrd., 2012 bei 1,7 Mrd. Euro, wie die Zahlen des Verbandes der Versicherungsunternehmen Österreichs zeigen.

In 9 Jahren ist der Umsatz mit Privatversicherungen um 790 Mio. gestiegen, das sind 46 Prozent.

In Österreich ist die UNIQA mit rund 44 Prozent Marktanteil die unangefochtene Nummer eins bei der privaten Krankenversicherung (danach kommen Merkur, Wiener Städtische und Generali). Knapp 11 Prozent gehören der Raiffeisen, die damit nach der UNIQA Privatstiftung der größte Einzelaktionär ist. Der ehemalige ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger wechselte 2017 direkt vom Vorstandsvorsitzenden der UNIQA-Versicherung in die Regierung. Die UNIQA-Tochter Premiquamed spendete zwei Mal 25.000 Euro an den Wahlkampf von Sebastian Kurz. In der türkis-blauen Reform der Sozialversicherung von 2017 wurden im Vorwort der Regierungsvorlage drei große Ziele genannt. Eines davon: Die Rahmenbedingungen für private Anbieter von Gesundheitsdiensten zu verbessern.

+500 Mio. Euro pro Jahr: Regierung will gegen Trend der Zwei-Klassen-Medizin vorgehen

Die Zwei-Klassen-Medizin hat sich in Österreich in den letzten Jahren immer weiter ausgebreitet. Eine schleichende Privatisierung der Gesundheitsvorsorge ist zu beobachten. Sobald der Mittelstand mit dem öffentlichen Gesundheitssystem unzufrieden ist und auf Privatärzte samt Zusatzversicherung ausweicht, schwindet langsam auch die Bereitschaft, das öffentliche System mit Beiträgen zu finanzieren.

Sobald Kassenleistungen nicht mehr die gesamte Bevölkerung versorgen, sondern vor allem jene, die sich keine Wahlärzte leisten können, sind Kürzungen der Unternehmerbeiträge leichter durchzusetzen. Das war die Strategie der britischen Premierministerin Margarete Thatcher in den 1980er Jahren: Durch schrittweise Kürzungen im britischen Gesundheitssystem NHS wurden die Wartezeiten lange und die Briten unzufrieden mit dem öffentlichen System.

Das machte private Versicherungsanbieter attraktiver – wer es sich leisten konnte, versicherte sich privat. Eines der besten Gesundheitssysteme der Welt wurde in Großbritannien so Schritt für Schritt zerschlagen.

Um dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen, beschließt die Regierung aus ÖVP, SPÖ und Neos im Dezember 2025 einen Gesundheitsreformfonds. Bis 2030 gibt es jährlich 500 Millionen Euro jährlich zusätzlich, um das öffentliche Gesundheitssystem auszubauen – trotz Spardruck. Im Zentrum steht dabei eine bessere Versorgung (etwa der Ausbau der Primärversorgungszentren, Kassenstellen und Gruppenpraxen) sowie Investitionen in Prävention und Vorsorge, damit Menschen gar nicht erst (schwer) krank werden.

Weitere Forderungen der SPÖ
  • Mehr Medizinstudienplätze und eine Bevorzugung jener, die sich verpflichten, nach dem Studium im öffentlichen Gesundheitssystem zu arbeiten
  • Wahlärzt:innen sollen 10 % Patient:innen auf Kasse behandeln müssen
  • stabile Dienstpläne und klare Kompetenzen für Ärzt:innen und Pflegekräfte
  • Ausbau mobile und teilstationäre Versorgung („Daheim vor stationär“-Strategie)
  • Ausbau der psychosozialen Versorgung, besonders für Kinder und Jugendliche (+25 Mio. Euro +50 Mio. Euro)
  • 10 Mio. Euro jährlich für Frauengesundheitsprogramm
  • Eltern-Kind-Pass bis 18 Jahre (statt 16)
  • 50 Mio. Euro für wohnortnahe Erstversorgungsambulanzen (EVAs)
  • Ausbau von „1450“ und Online-Terminplattformen

Pflege als Schwerarbeit anerkannt: Frühere Pension für Pflegekräfte

[Der Artikel wurde am 23. März 2022 veröffentlicht und am 29. November 2024 sowie am 10. Dezember 2025 aktualisiert]

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joschuar
joschuar
29. November 2024 17:41

Verstehe ich nicht Wien hat das ganze Selber in der Hand und genau dort ist es aber am schlimmsten .warum machen die sozis dort nicht besser der Hacker weis doch eh alles besser

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Brigitte Ecker BA
Brigitte Ecker BA
5. Oktober 2023 09:22

Ich verstehe nicht, warum so viele zum Wahlarzt rennen, auch bei einem Allgemeinmediziner. Denn nur ein Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag darf eine Krankmeldung ausstellen. Allerdings gibt es keine Kassenmediziner für Schilddrüsenleiden. Ich hätte zwar eine Spezialistin, sogar vergleichsweise günstig, in meiner Nähe, aber die Rezensionen fallen teilweise so kritisch aus, dass mir schade im mein Geld ist. Würde sie die Leistung als Kassenleistung anbieten, würde ich es riskieren, zumal ich ohnehin nach einem Monat den Arzt wechseln kann.

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Josef
Josef
12. November 2022 10:09

Wir sehen gerade eine völlig missglückende Kassenfusion, massive Mehrkosten für Personal trotz Fusion, Neuanschaffung IT System – trotz Fusion werden Einzelkassen 3 verschiedene IT Systeme kaufen um einheitliche Kontrollen zu verhindern. Freunderlwirtschaft + Leistungsunwille hat zu hohem Verwaltungspersonalstand geführt, der durch die Fusion zumindest um 50% verkleinert werden soll. Hier wird Versichertengeld für Verwaltung verschleudert. Leistungen für die Bezahler des Kassensystem (Versicherte) werden verknappt. Dienstleister wie Ärzte, Medizintechnik, Pflege zu Hause etc. werden nicht kostendeckend bezahlt – eine deutliche Leistungsminderung für Versicherte (keine Kassenärzte) Geführt wird diese „kranke“ Kasse von völlig unqualifizierten Gewerkschaftern und Kämmerern die in diesem System wie Maden im Speck leben. Krankenversicherung beinhaltet „Versicherung“. Privatversicherungen = Vorbild für Führungsstruktur + Leistungswille. 50% weniger Personalkosten = Geld für Versicherte!

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zolo
zolo
Reply to  Josef
14. März 2025 16:03

dieses gewerkschafts-bashing nervt nur noch.

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Oberauer
Oberauer
2. Oktober 2022 19:22

Die indiskutablen Tarife sind ja nicht allein schuld an der Misere.

Das Problem ist vielmehr, welche Personen da mitzureden haben, ohne nachweisbare Ausbildung, Wissen und Erfahrungen bzgl. Organisation, Erfordernissen und Effizienz eines Gesundheitssystems.
In Österreich genügt es einfach, irgendeiner (meist politischer) Organisation anzugehören und schon darf JEDE(R) mitreden, ohne Überprüfung der Kompetenz.

Ärzte, die es satt haben, dass solche Leute ihnen Vorschreibungen (sehr oft auch noch populistisch kommuniziert) machen, kann ich verstehen.
Daher würde ich auch einen Bereich wählen (Privat -Wahlarzt ist ja auch nicht weit davon entfernt-), wo diese Leute NICHTS mehr zu sagen haben.

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Axel
Axel
8. April 2022 20:03

Hört doch bitte endlich damit auf, das Märchen der Bosse nachzuerzählen, dass die Firmen auch nur 1 Cent in die Sozialversicherung einzahlen. Die sog. Lohnnebenkosten sind das Bruttobrutto von meinem Gehalt. Nur dass der Teil direkt von der Firma überwiesen wird. Überwiesen! Nicht bezahlt!

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Sabine
Sabine
30. März 2022 09:17

Wir bezahlen alle in die Krankenkasse ein, auch mein Arbeitgeber…es ist praktisch kostenfrei Medizin zu studieren, weil wir alle dafür gerne Steuern zahlen, aber nur wer es sich leisten kann, kann zu einem Wahlarzt gehen. Ich kann es nicht. Das ist nicht solidarisch.

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Sabine
Sabine
30. März 2022 09:08

Natürlich „Auskunft“. Ich bin berufstätig und brauche auch eine Krankmeldung für meinen Arbeitgeber. Weiters gehe ich nur zum Arzt, wenn es wirklich notwendig ist. Ich weiß aber auch, dass sich manche schon lieber Urlaub nehmen, anstatt zum Arzt zu gehen, weil es so schwierig ist.

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Sabine
Sabine
30. März 2022 09:03

Bei einen anderen Hausarzt angerufen. Der meinte, dass das nicht stimmt, eigentlich könnte man nur zum Vertrettungsarzt gehen. Hab ich mir eigentlich auch so gedacht. Aber gleichzeitig auf die Hauskunft vertraut. Ich bekam trotzdem eine Überweisung.

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Sabine
Sabine
30. März 2022 08:59

Schmerzen, Anruf bei Hausarzt, Band läuft: viel Patientenaufkommen – rufen sie noch mal an. 8-mal den ganzen Vormittag angerufen – Band. Hingegangen – Auskunft: Arzt ist krank, nächste Woche Urlaub… aber ich kann zu jeden anderen Arzt gehen.

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Barbara
Barbara
25. März 2022 06:45

Wartezeiten, bis man so richtig krank ist. Oder zahlen, wer sichs leisten kann, sowie Gutverdiener, öffentlicher Dienst. Als Normalpensionist: keine Versicherung leistbar- Wahlarzt völlig unleistbar, wenn einem jeder cent abgeht.

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Monikaluise
Monikaluise
24. März 2022 21:42

Ärztekammer hat ein Problem, die werfen Ärzte aus dem Vertrag, die anderer Meinung sind. Warum Ärzte nicht als praktischer Arzt arbeiten will, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, wenn er wegen Idealismus diesen Beruf gewählt hat, denn er kann seine Erfolge bei seinen Patienten sehen.

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joschuar
joschuar
Reply to  Monikaluise
29. November 2024 17:42

das rote minus ist wohl der hacker

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Monikaluise
Monikaluise
24. März 2022 21:27

Jetzt wird gejammert, aber wer hat den aller Kurz gewählt? Wer hat die ganzen Gebietskrankenkassen zerschlagen und die Arbeiter und Angestelltenvertretungen hinaus geworfen und die Wirtschaftsbosse die Oberhand gegeben. Wer zahlt jetzt in die Krankenkassen ein? Kein Arbeitsgeber muß zahle, aber wir

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joschuar
joschuar
Reply to  Monikaluise
29. November 2024 17:43

redets nicht so einen schmarn die letzten 5 jahre hätte man es ändern können

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saloo
saloo
24. März 2022 20:20

Ärztekammer ist dafür zuständig der

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huemer sabine
huemer sabine
24. März 2022 18:30

ich finde es einfach nur beängstigend. wie soll man zu seinen medikamenten bekommen?wer hilft bei schmerzen? hausärzte nehmen keine patienten auf. wie oft war ich schon zeuge davon, wie sie abgewiesen wurden und in der ganzen ordinstion sind gerade 2 leute. voll hab ich es dort noch nie gesehen.

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Lerchbacher Franz
Lerchbacher Franz
Reply to  huemer sabine
25. März 2022 06:23

Das habe ich seit der Gründung der ÖGK schon im Verdacht. Es läuft alles auf das Selbstfahrer hinaus. Ausserdem werden bei Wahlärzten bis zu 80% rückerstattet.

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Elisabeth
Elisabeth
Reply to  Lerchbacher Franz
30. April 2022 08:58

80 Prozent vom Kassentarif, nicht von dem was man beim Wahlarzt bezahlt hat!

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Brigitte Ecker BA
Brigitte Ecker BA
Reply to  Elisabeth
5. Oktober 2023 09:30

Ich habe mich mal erkundigt, da bekam ich von meiner Kasse, der BVA, die unfreundliche Antwort, dass es auch auf die 80 % vom Kassentarif keinen Rechtsanspruch gibt. Eine dieser Wahlärztinnen hat laut einem Rezensenten die Rechnung unvollständig ausgefüllt, der kriegte nur 2 von 200 Euro refundiert. Oder man wartet Monate auf das Geld. Wahlarzt als Hausarzt oder für längere Behandlungen: nein danke. Man muss rechnen wie beim Privatarzt, dass man auf allen Kosten sitzen bleibt.

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Lukas
Lukas
23. März 2022 21:43

irgendwie schlimm

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