Immer weniger Kassenärzt:innen kümmern sich um immer mehr Patient:innen. Österreichs Gesundheitssystem wurde in den vergangenen Jahren schleichend ausgedünnt. In manchen Regionen bleiben Kassenarzt-Ordinationen unbesetzt und es gibt nicht einmal mehr Bereitschaftsdienste. Gleichzeitig boomen private Krankenversicherungen und immer mehr Wahlärzte bieten ihre Dienste an. Das österreichische Gesundheitssystem hat sich in Richtung einer Zwei-Klassen-Medizin entwickelt.
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Aktuell sind in Österreich rund 300 Kassenstellen nicht besetzt. 182 davon in der Allgemeinmedizin. Ein paar hunderttausend Menschen in Österreich haben also keinen Hausarzt in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung.
Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Ärzt:innen mit Kassenvertrag nur minimal, um 1 Prozent gewachsen. Im selben Zeitraum ist die Bevölkerung aber um rund 17 Prozent gewachsen. Während es 2000 insgesamt 8.203 Kassenärzte gab, waren es im Jahr 2023 8.300 – ein Zuwachs von weniger als 100 Kassenärzten.
Das Problem beschränkt sich nicht nur auf Hausarzt-Stellen: Bei den Fachärzt:innen sind die Kinderheilkunde und die Frauenheilkunde große Problemfelder. Von 2017 bis 2023 ging auch die Zahl der Kassenstellen bei Chirurg:innen um 16 zurück. Bei Hautärzt:innen sogar um 79 Stellen. Das wirkt sich auf die Versorgungssicherheit aus: Auf eine Hautärztin kommen im Durchschnitt 36.634 Einwohner:innen. (Quelle: parlamentarische Anfrage der SPÖ)
“Fünf-Minuten-Medizin” in Österreich?
Dass weniger Kassenärzt:innen eine höhere Anzahl von Patient:innen versorgen müssen, stellte auch der Rechnungshof in seinem Bericht zur ärztlichen Versorgung von 2021 fest: Eine Hausärztin betreut heute deutlich mehr Patient:innen, insgesamt rund 4.900 Patient:innen im Quartal. Bei Ärzt:innen fallen die Begriffe „Fünf-Minuten-Medizin“ oder „Fließband-Medizin”. Tatsächlich haben Kassenärzt:innen rund fünf bis sieben Minuten pro Patient:in – oft wären aber zwanzig Minuten notwendig, meinen viele Ärzt:innen.
Bis zu 170 Kontakte pro Tag: Ärzte und Ärztinnen wollen mehr Zeit für Patienten haben
100 bis 120 Patient:innen betreut eine Allgemeinmedizinerin durchschnittlich pro Tag, heißt es aus der Ärztekammer (Stand 2023). Laut Rechnungshof kommt es durchschnittlich zu 65 Konsultationen mit E-Card pro Tag (mit einer Bandbreite von 13 bis 178). Kassenärzt:innen verdienen vor allem über die Menge der Behandlungen.
„Den Ärzten geht es nicht darum, dass sie reich werden, aber sie wollen genug Zeit haben, um Beziehung zu den Patienten aufzubauen – diese Zeit muss man ihnen zahlen“, sagt eine Wiener Allgemeinmedizinerin.
Laut Mirjam Hufgard-Leitner, Oberärztin im Wiener AKH, entscheiden sich viele Mediziner:innen für eine private Praxis, weil sie mit dem Druck im öffentlichen System nicht zurechtkommen:
“Wir müssen davon wegkommen, dass wir Wahlärzt:innen für Menschen halten, die es sich bequem machen und ausschließlich dem Geld folgen. Ganz häufig sind das Ärzt:innen, die mit der Medizin, die sie derzeit anbieten, so nicht einverstanden sind. Sie wollen gern mehr Zeit für die Patient:innen und auch mehr Zeit für ihre Familie haben.”
In der österreichischen Sozialversicherung gibt es da wenig Tradition. In den Leistungskatalogen werden nur spezielle Untersuchungen und Eingriffe abgerechnet, Gespräche aber kaum – darüber klagen so gut wie alle Ärztinnen und Ärzte, mit denen wir sprechen. Einer von ihnen ist Peter Voitl. Er betreibt ein Kindergesundheitszentrum im 22. Bezirk in Wien, das aus mehreren Ärzt:innen und Therapeut:innen besteht und an sieben Tagen die Woche geöffnet ist.
„Kinder brauchen eine kindgerechte, angstfreie Umgebung. Aber wir Kinderärzte im Kassensystem haben nur sehr begrenzte Zeitressourcen zur Verfügung“, klagt Voitl.
Voitl wünscht sich einen überarbeiteten Leistungskatalog für die Abrechnung der Leistungen mit der Gesundheitskasse. Mit den Primärversorgungszentren (PVZ) habe sich mittlerweile aber auch einiges zum Besseren verändert, so der Wiener Kinderarzt. In einem PVZ arbeiten Kassenärzt:innen mit anderen Gesundheits- und Sozialberufen eng zusammen und bieten eine erste Anlaufstelle für Patient:innen.
“Die Kollegen können im Team gemeinsam mit anderen Gesundheitsdienstleistern für Kinder tätig sein und in Summe familienfreundlich arbeiten.”
Derzeit gibt es in Wien 9 solche Zentren, wodurch sich die Versorgungssituation deutlich verbessert hat. Dennoch gibt es noch zu viele Kassenarztpraxen mit überfüllten Wartezimmern – gerade in der Kinderheilkunde. Von 2012 bis 2024 hat sich die Zahl der abgewiesenen Neu-Patient:innen in Wiener Kinderarztpraxen von 12 auf 54 fast verfünffacht.
Ärzte und Ärztinnen kritisieren Sparzwang der Gesundheitskasse
Dass man diese Leistungskataloge überarbeiten muss, darüber sind sich von den Ärzt:innen, über die Gesundheitslandesräte bis hin zur Gesundheitskasse eigentlich alle einig. Trotzdem kommt es seit Jahren nicht zur Aufnahme der Gesprächs– und Zuwendungsmedizin in der Abrechnung mit den Ärztinnen und Ärzten. Aus Sicht der Ärztekammer liegt das am Sparzwang der Gesundheitskasse.
„Das oberste Ziel ist es, Geld zu sparen. Finanziell gut dazustehen ist wichtiger als die Qualität in der Versorgung der Patienten zu erhöhen. Mit der Kassenreform sind noch mehr Leute ans Ruder gekommen, denen die Versorgung weniger wichtig ist als die Finanzen der Gesundheitskasse“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter in der Sozialversicherung, der anonym bleiben möchte.
Gemeint sind damit die Vertreter vom Wirtschaftsbund und der ÖVP, die nach der Kassenreform die Mehrheit in den ÖGK-Gremien hatten.
Kassenärzte verdienen zwischen 130.000 und 300.000 im Jahr
Die Gesundheitskasse sieht das naturgemäß anders und verweist auf das hohe Einkommensniveau von Ärztinnen und Ärzten in Österreich. Rund 143.000 Euro brutto pro Jahr verdient eine Kassenärztin hierzulande durchschnittlich mit ihrer Praxis. „Das ist wesentlich höher als die jährlichen Medianeinkünfte selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätiger in Österreich“, schreibt auch der Rechnungshof dazu. Innerhalb der Ärzteschaft sind die Einkommen aber sehr unterschiedlich: Während Allgemeinmediziner:innen auf rund 130.000 Euro brutto im Jahr kommen, verdienen Radiologen fast 300.000 Euro. Die Ärzte betonen wiederum, dass von diesen Einnahmen der gesamte Betrieb der Ordination bezahlt werden muss und oft nur ein Drittel als Einkommen für den Arzt übrig bleibt.Die Gemeinden können bei der Ärzteversorgung nicht mitreden
“Bei uns im Bezirk kommen auf eine Arztpraxis 3.000 bis 5.000 Patienten”, macht sich Moitzi Sorgen. Generell ist in den sogenannten “strukturschwachen” Regionen wie dem Murtal die Lage besonders schlecht. In manchen Bezirken sind nicht einmal 50% der ärztlichen Bereitschaftsdienste wirklich besetzt, obwohl sie mit 700 Euro pro Dienst gut bezahlt sind.
“Die Politik hat im niedergelassenen Bereich nichts zu melden”, gibt Wolfgang Moitzi zu bedenken. “Jeder erwartet sich von der Gemeindepolitik, dass sie sich um die Ärzteversorgung vor Ort kümmern, aber wir haben nichts zu sagen.”
Nicht einmal die Landesrät:innen oder die Landesstellen der Kassen haben echte Mitsprachemöglichkeiten. Mit der Zentralisierung in der ÖGK dürfte sich das weiter verschärfen. Wo und zu welchen Bedingungen es Kassenarztstellen gibt, das legen alleine die ÖGK und die Ärztekammer fest. Klare Fronten und Standespolitik prägen die Verhandlungen zwischen ihnen.
Zehn Spitalsärzte beitreiben die Kassenordination im Spital
Für das Murtal hat der Bezirk dennoch eine Lösung gefunden. Moitzi nennt es “einen Systembruch”. Die fehlende Kassenstelle wird jetzt im Krankenhaus Judenburg als “Frauengesundheitszentrum Murtal” von zehn Spitalsärzten betrieben, in einem abgetrennten Bereich. Dafür hat die Station für Frauenheilkunde eine zusätzliche Gynäkologin eingestellt. Mittlerweile gibt es dort auch ein Primärversorgungszentrum für Kinder- und Jugendheilkunde und eine Anlaufstelle des Instituts für Inklusive Medizin für Menschen mit Beeinträchtigung. Für Menschen, die nicht mit den Konflikten und Interessensgruppen im österreichischen Gesundheitssystem vertraut sind, mag die Lösung nicht spektakulär klingen. Doch wer die starren Strukturen und standespolitischen Machtkämpfe kennt, versteht sofort, warum die Ärztekammer Projekte wie das Frauengesundheitszentrum äußerst kritisch sieht.Für sie ist es vor allem eine Entmachtung, weil im Spitalsbereich die Landespolitik entscheidet – und nicht die Ärztekammer als Vertretung der selbständigen Ärzte. Die Ordination im Krankenhaus Judenburg kann aus der Sicht von Ärztekammer-Vizepräsident Christoph Schweighofer daher “nur eine Zwischenlösung” sein. Die Ärztekammer lehnt auch den Vorschlag ab, mehr Ärztinnen und Ärzte direkt bei den Sozialversicherungen anzustellen, damit sie in ländlichen Regionen kein Risiko als Selbstständige tragen müssen. Um die kassenärztliche Versorgung nachhaltig zu garantieren, gebe es aus seiner Sicht nur einen Weg: „Die rasche Umsetzung des neu erarbeiteten, österreichweiten Leistungskatalogs und die Verbesserung der Honorarsituation“.
In machen Regionen ist die Hälfte der Bereitschaftsdienste unbesetzt
Warum finden sich aber immer weniger Ärztinnen und Ärzte für die einst begehrten Kassenordinationen? Für viele junge Ärzt:innen – vor allem, wenn sie Kinder haben – sind Arbeitszeiten in einer Praxis, bei der auch Öffnungszeiten abends und früh morgens vorgeschrieben sind, nicht attraktiv. Ein weiterer Grund dürfte auch ein Wandel in den Bedürfnissen von Ärzt:innen und Patient:innen sein – viele wollen weg von der „5 Minuten Medizin“. Das hängt auch mit dem Zeitgeist zusammen: Immer mehr Patienten erwarten sich deutlich mehr Zeit vom Arzt und haben wenig Toleranz gegenüber Wartezeiten und anderen Schwächen im System.Ärztliche Leistungen werden teilweise zu einem „Konsumgut“, das je nach Bereitschaft zu Zusatzzahlungen schnell verfügbar sein und auf individuelle Wünsche eingehen muss, wird die Sozialversicherung im Rechnungshofbericht zitiert.
All das begünstigt den Trend zu Wahlärzten. Wartezeiten von einigen Monaten für einen Termin beim Kassenarzt – davon lebt die Privatmedizin. Für Mediziner:innen bietet eine Privatordination wiederum den Vorteil, dass sie den Standort und die Öffnungszeiten selbst bestimmen können. In Wien konzentrieren sich viele private Ordinationen um die städtischen Krankenhäuser. Spitalsärzte arbeiten dort neben ihrer Tätigkeit im Krankenhaus nur wenige Stunden und können sich damit Geld dazu verdienen. “Im 8. oder 9. Bezirk bedeutet Hausarzt, dass es in jedem Haus einen Arzt gibt”, lautet ein Scherz über die Dichte an Ordinationen rund um das Wiener AKH
WahlärztInnen als “Rosinen-Picker”?
Die Krankenkasse schreibt den Ärzten und Ärztinnen hingegen Mindestöffnungszeiten und den Standort für ihre Ordinationen vor, um die Versorgung im ganzen Land zu sichern. Dazu kommen Qualitätsprüfungen und Berichtspflichten.
“Die Wahlärzte müssten stärker in die Pflicht genommen werden. Jetzt ist es oft so, dass der Wahlarzt sich die Rosinen pickt. Er hat keine Mindestöffnungszeiten, braucht sich nicht an die ökonomische Verschreibweise halten und nicht am Bereitschaftsdienst mitarbeiten”, kritisiert ÖGK-Obmann Huss das bestehende System.
„Waffenungleichheit zwischen Kassen- und Wahlärzten“ nennt das Wolfgang Hilbe, einer von 19 Kinderärzten Vorarlbergs. Er wundert sich nicht, warum sich Vorarlbergs Ärzt:innen schwertun, ihre Ordinationen nachzubesetzen: Wieso sollte sich unter diesen ungleichen Bedingungen eine Berufsanfängerin für einen Kassenvertrag entscheiden?
Für Wahlärzt:innen und PrivatpatientInnen funktioniert das System, übrig bleiben jene Patient:innen, die auf einen Kassenarzt angewiesen sind. Wenn Privatärztinnen in ihrer Arbeitszeit weniger, aber besser zahlende Patienten betreuen, müssen die übrig gebliebenen Kassenärzte eine größere Zahl an Patient:innen stemmen. Die Qualität leidet, die Wartezeiten werden länger und der Beruf des Kassenarztes wird unattraktiver. Eine Spirale nach unten für das öffentliche Gesundheitssystem im niedergelassenen Bereich. ÖGK-Obmann Huss schlägt daher vor, die Wahlärzte bei den Leistungen und den Öffnungszeiten stärker in die Pflicht zu nehmen, ihnen dafür aber 100 Prozent der Behandlung zu ersetzen, statt wie aktuell 80 Prozent.
7 Prozent der Kassenhonorare gehen an PrivatärztInnen
Liegt das Honorar für einen Besuch beim privaten Kinderarzt für eine kurze Untersuchung samt Impfung bei 120 Euro, bekommen die Patient:innen 80 Prozent des Kassentarifs rückerstattet. Das sind 96 Euro, 24 Euro müssen sie selbst zahlen. 142,5 Mio. Euro hat die Gesundheitskasse den Wahlärzten 2020 für Leistungen überwiesen. Das sind zwar nur 6,4 Prozent aller Ärztehonorare der Kasse. Doch die Tendenz ist steigend: 2018 waren es noch 133,8 Mio. Euro und ein Anteil von 4,6 Prozent. Kritiker meinen, die Gesundheitskasse spart sich dadurch auch Geld, weil sie nur 80 Prozent der Leistung zahlt und den Rest die Patient:innen privat übernehmen.
Seit 2000 hat sich die Zahl der WahlärztInnen auf über 10.000 mehr als verdoppelt. Seit rund zehn Jahren gibt es mehr Wahl- als Kassenärzte.
Die ÖGK relativiert diese Darstellung der Ärztekammer: Die über 10.000 Wahlärzte sind nicht alle „versorgungswirksam“. Die meisten von ihnen arbeiten hauptberuflich im Spital und nur ein paar Stunden in ihrer Wahlarztpraxis, der Vergleich sei also nicht gültig.
Eine Möglichkeit: Das Wahlarztsystem beschränken
So oder so, die Zahl der Wahlärzt:innen steigt kontinuierlich, die Kassenärzte stagnieren. Selbst in der Allgemeinmedizin arbeiten mittlerweile 40 Prozent ohne Kassenverträge. Wirklich entschieden geht man in Österreich gegen diesen Trend nicht vor. Zwar kündigte ÖVP-Kanzler Karl Nehammer Anfang des Jahres 100 zusätzliche Kassenarztstellen an. Daraus wurde aber dann doch nichts.Als ÖGK-Obmann Huss 2021 vorschlug, man könnte einfach jedem Arzt und jeder Ärztin einen Kassenvertrag anbieten, dafür aber keine Kassenrefundierung für Wahlärzte mehr zahlen, war der Aufschrei der Ärztekammer groß – auch von der Regierung wurde die Idee nicht weiterverfolgt.
Vor der Corona-Krise schlug auch Wiens Gesundheitsstadtrat Hacker vor, das System der Wahlärzte zu beschränken.
„Wir haben so viele Ärzte wie niemals zuvor in der Zweiten Republik und gleichzeitig einen Mangel an Ärzten in der öffentlichen Versorgung. Es stimmt jedenfalls etwas nicht im System, wenn in manchen Regionen Österreichs 60-70 Prozent der Frauen zum Wahlarzt gehen müssen, wenn sie eine normale Routine-Untersuchung brauchen“, sagte Hacker damals.
Vom burgenländischen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil kam ein ähnlicher Vorschlag: Österreich sollte teuer ausgebildete Ärzte verpflichten, eine gewisse Zeit hier zu arbeiten.
Mittlerweile vergeben die ÖGK und einige Bundesländer Stipendien an Medizinstudierende, wenn diese sich dann als Kassenärzte verpflichten. Erstmals gab es 2024 ein Kontingent für jene Medizinstudierende, die sich verpflichten, nach dem Studium für eine gewisse Zeit im öffentlichen Bereich zu arbeiten – etwa als Kassen-, Spitals-, Militär- oder Amtsärzt:innen. Diese Personen bekommen auch mit geringerer Punktezahl einen Studienplatz. Doch mit maximal 85 Plätzen ist dieses Kontingent nach wie vor sehr klein.
Beim Arbeitszeit-Problem sollten weitere Primärversorgungszentren Abhilfe schaffen – dort sitzt nicht ein Arzt in seiner Ordination, sondern mehrere Ärzt:innen und Gesundheitsberufe teilen sich eine Praxis mit langen Öffnungszeiten. Bis 2035 soll es 36 davon in Wien geben, derzeit gibt es in ganz Österreich um die 80
Die großen Profiteure: Private Gesundheitsversicherungen
Ein Profiteur des Wahlarzt-Booms sind jedenfalls die privaten Krankenversicherungen: Über 3,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind bereits zusatzversichert. 2,49 Mrd. Euro Umsatz machten Privatversicherungen mit ihnen 2021. 1,4 Mrd. Euro gaben die Versicherungen wiederum für die Gesundheitsleistungen aus – davon 194 Mio. Euro für Ärztinnen und Ärzte im niedergelassenen Bereich. 2016 lag der Umsatz mit privaten Krankenversicherungen noch bei 2 Mrd., 2012 bei 1,7 Mrd. Euro, wie die Zahlen des Verbandes der Versicherungsunternehmen Österreichs zeigen.
In 9 Jahren ist der Umsatz mit Privatversicherungen um 790 Mio. gestiegen, das sind 46 Prozent.
In Österreich ist die UNIQA mit rund 44 Prozent Marktanteil die unangefochtene Nummer eins bei der privaten Krankenversicherung (danach kommen Merkur, Wiener Städtische und Generali). Knapp 11 Prozent gehören der Raiffeisen, die damit nach der UNIQA Privatstiftung der größte Einzelaktionär ist. Der ehemalige ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger wechselte 2017 direkt vom Vorstandsvorsitzenden der UNIQA-Versicherung in die Regierung. Die UNIQA-Tochter Premiquamed spendete zwei Mal 25.000 Euro an den Wahlkampf von Sebastian Kurz. In der türkis-blauen Reform der Sozialversicherung von 2017 wurden im Vorwort der Regierungsvorlage drei große Ziele genannt. Eines davon: Die Rahmenbedingungen für private Anbieter von Gesundheitsdiensten zu verbessern.
Eine Zwei-Klassen-Medizin breitet sich aus
Die Zwei-Klassen-Medizin breitet sich in Österreich also weiter aus. Eine schleichende Privatisierung der Gesundheitsvorsorge ist zu beobachten. Sobald der Mittelstand mit dem öffentlichen Gesundheitssystem unzufrieden ist und auf Privatärzte samt Zusatzversicherung ausweicht, schwindet langsam auch die Bereitschaft, das öffentliche System mit Beiträgen zu finanzieren.Sobald Kassenleistungen nicht mehr die gesamte Bevölkerung versorgen, sondern vor allem jene, die sich keine Wahlärzte leisten können, sind Kürzungen der Unternehmerbeiträge leichter durchzusetzen. Das war die Strategie der britischen Premierministerin Margarete Thatcher in den 1980er Jahren: Durch schrittweise Kürzungen im britischen Gesundheitssystem NHS wurden die Wartezeiten lange und die Briten unzufrieden mit dem öffentlichen System.
Das machte private Versicherungsanbieter attraktiver – wer es sich leisten konnte, versicherte sich privat. Eines der besten Gesundheitssysteme der Welt wurde in Großbritannien so Schritt für Schritt zerschlagen.
[Der Artikel wurde am 23. März 2022 veröffentlicht und am 29. November 2024 aktualisiert]
Verstehe ich nicht Wien hat das ganze Selber in der Hand und genau dort ist es aber am schlimmsten .warum machen die sozis dort nicht besser der Hacker weis doch eh alles besser
Ich verstehe nicht, warum so viele zum Wahlarzt rennen, auch bei einem Allgemeinmediziner. Denn nur ein Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag darf eine Krankmeldung ausstellen. Allerdings gibt es keine Kassenmediziner für Schilddrüsenleiden. Ich hätte zwar eine Spezialistin, sogar vergleichsweise günstig, in meiner Nähe, aber die Rezensionen fallen teilweise so kritisch aus, dass mir schade im mein Geld ist. Würde sie die Leistung als Kassenleistung anbieten, würde ich es riskieren, zumal ich ohnehin nach einem Monat den Arzt wechseln kann.
Wir sehen gerade eine völlig missglückende Kassenfusion, massive Mehrkosten für Personal trotz Fusion, Neuanschaffung IT System – trotz Fusion werden Einzelkassen 3 verschiedene IT Systeme kaufen um einheitliche Kontrollen zu verhindern. Freunderlwirtschaft + Leistungsunwille hat zu hohem Verwaltungspersonalstand geführt, der durch die Fusion zumindest um 50% verkleinert werden soll. Hier wird Versichertengeld für Verwaltung verschleudert. Leistungen für die Bezahler des Kassensystem (Versicherte) werden verknappt. Dienstleister wie Ärzte, Medizintechnik, Pflege zu Hause etc. werden nicht kostendeckend bezahlt – eine deutliche Leistungsminderung für Versicherte (keine Kassenärzte) Geführt wird diese “kranke” Kasse von völlig unqualifizierten Gewerkschaftern und Kämmerern die in diesem System wie Maden im Speck leben. Krankenversicherung beinhaltet “Versicherung”. Privatversicherungen = Vorbild für Führungsstruktur + Leistungswille. 50% weniger Personalkosten = Geld für Versicherte!
Die indiskutablen Tarife sind ja nicht allein schuld an der Misere.
Das Problem ist vielmehr, welche Personen da mitzureden haben, ohne nachweisbare Ausbildung, Wissen und Erfahrungen bzgl. Organisation, Erfordernissen und Effizienz eines Gesundheitssystems.
In Österreich genügt es einfach, irgendeiner (meist politischer) Organisation anzugehören und schon darf JEDE(R) mitreden, ohne Überprüfung der Kompetenz.
Ärzte, die es satt haben, dass solche Leute ihnen Vorschreibungen (sehr oft auch noch populistisch kommuniziert) machen, kann ich verstehen.
Daher würde ich auch einen Bereich wählen (Privat -Wahlarzt ist ja auch nicht weit davon entfernt-), wo diese Leute NICHTS mehr zu sagen haben.
Hört doch bitte endlich damit auf, das Märchen der Bosse nachzuerzählen, dass die Firmen auch nur 1 Cent in die Sozialversicherung einzahlen. Die sog. Lohnnebenkosten sind das Bruttobrutto von meinem Gehalt. Nur dass der Teil direkt von der Firma überwiesen wird. Überwiesen! Nicht bezahlt!
Wir bezahlen alle in die Krankenkasse ein, auch mein Arbeitgeber…es ist praktisch kostenfrei Medizin zu studieren, weil wir alle dafür gerne Steuern zahlen, aber nur wer es sich leisten kann, kann zu einem Wahlarzt gehen. Ich kann es nicht. Das ist nicht solidarisch.
Natürlich “Auskunft”. Ich bin berufstätig und brauche auch eine Krankmeldung für meinen Arbeitgeber. Weiters gehe ich nur zum Arzt, wenn es wirklich notwendig ist. Ich weiß aber auch, dass sich manche schon lieber Urlaub nehmen, anstatt zum Arzt zu gehen, weil es so schwierig ist.
Bei einen anderen Hausarzt angerufen. Der meinte, dass das nicht stimmt, eigentlich könnte man nur zum Vertrettungsarzt gehen. Hab ich mir eigentlich auch so gedacht. Aber gleichzeitig auf die Hauskunft vertraut. Ich bekam trotzdem eine Überweisung.
Schmerzen, Anruf bei Hausarzt, Band läuft: viel Patientenaufkommen – rufen sie noch mal an. 8-mal den ganzen Vormittag angerufen – Band. Hingegangen – Auskunft: Arzt ist krank, nächste Woche Urlaub… aber ich kann zu jeden anderen Arzt gehen.
Wartezeiten, bis man so richtig krank ist. Oder zahlen, wer sichs leisten kann, sowie Gutverdiener, öffentlicher Dienst. Als Normalpensionist: keine Versicherung leistbar- Wahlarzt völlig unleistbar, wenn einem jeder cent abgeht.
Ärztekammer hat ein Problem, die werfen Ärzte aus dem Vertrag, die anderer Meinung sind. Warum Ärzte nicht als praktischer Arzt arbeiten will, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, wenn er wegen Idealismus diesen Beruf gewählt hat, denn er kann seine Erfolge bei seinen Patienten sehen.
das rote minus ist wohl der hacker
Jetzt wird gejammert, aber wer hat den aller Kurz gewählt? Wer hat die ganzen Gebietskrankenkassen zerschlagen und die Arbeiter und Angestelltenvertretungen hinaus geworfen und die Wirtschaftsbosse die Oberhand gegeben. Wer zahlt jetzt in die Krankenkassen ein? Kein Arbeitsgeber muß zahle, aber wir
redets nicht so einen schmarn die letzten 5 jahre hätte man es ändern können
Ärztekammer ist dafür zuständig der
ich finde es einfach nur beängstigend. wie soll man zu seinen medikamenten bekommen?wer hilft bei schmerzen? hausärzte nehmen keine patienten auf. wie oft war ich schon zeuge davon, wie sie abgewiesen wurden und in der ganzen ordinstion sind gerade 2 leute. voll hab ich es dort noch nie gesehen.
Das habe ich seit der Gründung der ÖGK schon im Verdacht. Es läuft alles auf das Selbstfahrer hinaus. Ausserdem werden bei Wahlärzten bis zu 80% rückerstattet.
80 Prozent vom Kassentarif, nicht von dem was man beim Wahlarzt bezahlt hat!
Ich habe mich mal erkundigt, da bekam ich von meiner Kasse, der BVA, die unfreundliche Antwort, dass es auch auf die 80 % vom Kassentarif keinen Rechtsanspruch gibt. Eine dieser Wahlärztinnen hat laut einem Rezensenten die Rechnung unvollständig ausgefüllt, der kriegte nur 2 von 200 Euro refundiert. Oder man wartet Monate auf das Geld. Wahlarzt als Hausarzt oder für längere Behandlungen: nein danke. Man muss rechnen wie beim Privatarzt, dass man auf allen Kosten sitzen bleibt.
irgendwie schlimm