Selten ist der Weg an die Spitze einer Partei und an die Spitze staatsnaher Unternehmen so gut dokumentiert wie bei Sebastian Kurz und seinen „Jüngern“ in der ÖVP. Durch die öffentlich gewordenen ÖVP-Chats haben wir erfahren, wie Kurz sich zum Parteichef geputscht hat, welche sinnvollen Regierungsvorhaben er torpediert und wie Daten manipuliert und Medien zugespielt wurden. Schlussendlich zeigen die ÖVP-Chats auch, wie man Parteifreunde mit Top-Jobs versorgt hat.
Thomas Schmid gilt als enger Vertrauter von Sebastian Kurz. In den 2000er-Jahren war er Pressesprecher von Ex-Finanzminister Karl Heinz Grasser und wurde dann Büroleiter des damaligen ÖVP-Klubobmanns und ehemaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel. Ab 2013 ist er Kabinettschef im Finanzministerium – zuerst unter Hans Jörg Schelling und dann unter Hartwig Löger.
Zwischen 2016 und 2018 – so die Verdachtslage – sollen Gelder des Finanzministeriums davor aufgewendet worden sein, rein parteipolitisch motivierte, mitunter manipulierte Umfragen eines Meinungsforschungs-Instituts im Interesse der ÖVP, konkret im Interesse von Sebastian Kurz und seinen „Jüngern“, erstellen zu lassen und sich Gefälligkeits-Berichte in der „Österreich“ über Inserate des Finanzministeriums zu sichern.
Die Meinungsforscherin Sabine B. hat für die damalige Familienministerin und Miteigentümerin des Meinungsforschungsinstituts Karmasin Motivforschung GmbH, Sophie Karmasin gearbeitet und die Umfragen gemacht. B. soll – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – ihre Honorare für die politisch motivierten Umfragen mittels falscher Rechnungen als PR-Arbeit getarnt an das Finanzministerium adressiert haben. Die Kurz-Clique sprach stolz vom „B.-Österreich-Tool“.
Thomas Schmid an Sebastian Kurz: „Gute News bei der Umfrage Front. Sophie weiß ich nicht, ob ich überreden konnte.“
Sebastian Kurz: „Kann ich mit ihr reden.“
Sebastian Kurz: „Super danke.“
Thomas Schmid: „Ja bitte! Sie ist so angefressen wegen Mitterlehner, weil er ihr in den Rücken gefallen ist. Habe jetzt 3 Stunden mit ihr gesprochen. Und spindi (Michael Spindelegger, Anm.) auf sie angesetzt.“
Thomas Schmid: „Wenn du ihr sagst, dass jetzt die Welt nicht untergeht. Und das Mitterlehner eben ein Arsch war usw. Hilft das sicher.“
Sebastian Kurz: „Passt mache ich.“
Frühjahr 2016. Sebastian Kurz ist Außen- und Integrationsminister, die ÖVP Juniorpartner der SPÖ in der Koalition. Gernot Blümel ist zu dem Zeitpunkt Chef der Wiener ÖVP, Thomas Schmid ist Generalsekretär im Finanzministerium. Am 11. April 2016 schreibt Schmid an Blümel, es geht um das Budget fürs Kurz-Ressort. Schmid ist mächtig stolz auf sich – und schreibt gleich vier Nachrichten hinteinander:
Thomas Schmid: „Ich habe Sebastians Budget um 35 Prozent erhöht.“
„Scheisse mich jetzt an.“
„Mitterlehner wird flippen.“
„Kurz kann jetzt Geld scheissen.“
Nur wenige Sekunden nach Schmids Nachrichten antwortet Gernot Blümel:
Gernot Blümel: „Mitterlehner spielt keine Rolle mehr“.
Ein Jahr später tritt Reinhold Mitterlehner, genervt von den Seitenhieben aus dem Kurz-Lager, als ÖVP-Parteichef zurück.
Thomas Schmid ist an diesem 11. April 2016 so zufrieden mit sich, dass er auch Sebastian Kurz von seinem Erfolg berichtet. Er schreibt diesem:
Thomas Schmid: „Du hast eine Budgetsteigerung von über 30 Prozent. Das haben wir nur für dich gemacht. Über 160 Millionen mehr. Und wird voll aufschlagen. Du schuldest mir was. (Smileys) Liebe Grüße T.“
Der Satz „Du schuldest mir was“ ist für die ErmittlerInnen der WKStA besonder relevant. Er ist ein Indiz dafür, dass Sebastian Kurz womöglich doch an der späteren Bestellung Schmids zum alleinigen ÖBAG-Vorstand beteiligt war.
Als Christian Kern (SPÖ) im Mai 2016 die Kanzlerschaft von Werner Faymann (SPÖ) übernahm, wurde Sebastian Kurz nervös. Der nächste Schritt im Karriereplan des jungen Außenministers hieß: Bundeskanzler. Doch mit Kern galt es nicht nur den eigenen Parteichef Reinhold Mitterlehner als ÖVP-Obmann abzusägen, sondern auch den unverbrauchten, populären SPÖ-Kanzler. Kurz sah nur einen Weg: Die Regierung von Bundeskanzler Kern und Vizekanzler Mitterlehner durften keine positiven Reformen mehr beschließen.
Bundeskanzler Kern wollte im Juni 2016 1,2 Milliarden Euro in die Nachmittagsbetreuung an Schulen stecken, Mitterlehner schien einverstanden. Damit sollte in ganz Österreich kostenlose Nachmittagsbetreuung an Schulen eingeführt werden – samt Rechtsanspruch für jedes Kind. Da läuteten bei Außenminister Sebastian Kurz und Thomas Schmid, damals Kabinettschef von Finanzminister Schelling (ÖVP), die Alarmglocken.
Thomas Schmid an Kurz: „Wir müssen bei Banken aufpassen. Die wollen das am Montag weiter besprechen und entscheiden – HBK (Herr Bundeskanzler Kern) und HVK (Herr Vizekanzler Mitterlehner) und Mahrer und Co! Ziel- 1,2 Mrd für Nachmittagsbetreuung mit Rechtsanspruch und Vereinbarungen Bund Gemeinden ohne Länder! Mega Sprengstoff!“
Sebastian Kurz: „Gar nicht gut!!! Wie kannst du das aufhalten?“
Schmid beruhigt Kurz: Er wird versuchen, die Verhandlungen zum Scheitern zu bringen. Er „terrorisiere“ gerade Mahrer und einen anderen ÖVP-Verhandler. Kurz bittet ihn, das zu tun und fragt Schmid, was er selbst tun könne, um den Beschluss der Nachmittagsbetreuung zu verhindern:
Sebastian Kurz: „Kann ich ein Bundesland aufhetzten?“
Im Juni 2016 ist Johannes Frischmann, damals Sprecher im Finanzministerium, später Sprecher von Sebastian Kurz, unzufrieden mit der Arbeit der Fellner-Familie bei der „Österreich“-Gruppe:
Johannes Frischmann: „Fellner hat sich an keine Abmachung gehalten. Für Sa/So war ausgemacht Daten aus Umfragen zu bringen. Nix gebracht. Stattdessen ist heute eine Insider Geschichte drinnen über HBM (Herr Bundesminister Schelling, Anm.) Grundkauf am Mondsee und gescheiterte Bauplatzwidmung. Müssen nachher bitte reden.“
Thomas Schmid: „Das ist ehrlich gesagt Vertrauensbruch – da sollt man das dann besser lassen.“
Ein paar Stunden später schreibt Schmid mit Karmasin:
Sophie Karmasin: „Ich urgiere Erklärung melde mich dann Lgs“
Thomas Schmid: „Danke“
Sophie Karmasin: „Mittwoch kommt Doppelseite, die Fellner jetzt persönlich macht, alles gut auch mit Wechsel Sonntagsfrage jederzeit Lgs.“
Thomas Schmid: „VP 18, SP 26 und FP 35 laut B.“
Sebastian Kurz: „Danke Dir! Gute Umfrage, gute Umfrage.“
Thomas Schmid: „Umfrage erscheint morgen.“
Sebastian Kurz: „Super danke.“
„Helmuth Fellner für die Kohle, Wolfgang Fellner für den Content“. So beschreibt Thomas Schmid in Chats, wie er die Aufgabenverteilung bei der Mediengruppe „Österreich“ verteilt sieht. Udn so wendet er sich in Sachen Umfragen auch direkt an die Fellners:
Thomas Schmid: Liebe Fellners, ausgemacht war: DO: BREXIT. Sa: Maschinensteuer. So: wirtschaftskompetenz und Standort, schuldenabbau und Einsatz von Steuergeld. Erschienen ist jedoch – private Story von Schelling. Das ist eine echte Frechheit und nicht vertrauensbildend. Wir sind echt sauer!!! Mega sauer.
Wolfgang Fellner: Versteh ich voll – melde mich in 30 minuten – mache jetzt volle doppelseite ueber umfrage am mittwoch. Okay? Wolfgang fellner.
Thomas Schmid: „Lieber Helmuth, wie besprochen kommen heute die Umfrage Daten. Wir schicken sie dir und deinem Bruder. LG Thomas“
Helmuth Fellner: „Danke für den Einsatz! Super! Sogar Titelseite! LG Helmuth“
Thomas Schmid: „Super cool! Freue mich auf unser Treffen!“
Helmuth Fellner: „Gemeinsam sind wir richtig gut! 😉 morgen 10.00 Interview! Danke und schönen Abend!“
Am 8. Jänner 2017 schrieb die Tageszeitung „Österreich“, dass die ÖVP „im Umfrage-Keller“ sei. Das Kurz-Netzwerk ist begeistert.
Johannes Frischmann: Der B. hab ich gestern noch angesagt was sie im Interview sagen soll
Thomas Schmid: *Applaus-Emojis*
So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen
Geniales investment
Und Fellner ist ein Kapitalist
Wer zahlt schafft an
Ich liebe das
2017 bekommt das Finanzamt Braunau-Ried-Schärding in Oberösterreich einen neuen Chef: Einen ÖVP-Bürgermeister aus dem Mühlviertel. Die Besetzung ist allerdings umstritten. Das bestätigt später auch das Bundesverwaltungsgericht. Denn: Der neue Finanzamts-Chef arbeitet erst seit kurzem beim Amt. Geeigneter war ganz offensichtlich eine langjährige, leitende Beamtin des Finanzamts Braunau-Ried-Schärding.
Im Finanzministerium, das damals in den Händen von ÖVP-Minister Hans Jörg Schelling ist, ist wohl früh klar, dass der ÖVP-Bürgermeister den Posten bekommen soll. Denn ein Parteifreund im Nationalrat – so der Verdacht – soll sich für diesen starkgemacht haben: August Wöginger, späterer ÖVP-Klubchef im Parlament. Chats zeigen, dass er sich mit Thomas Schmid über den ÖVP-Bürgermeister entsprechend unterhalten hat.
„Wir haben es geschafft (…) Der Bürgermeister schuldet dir was!“, schreibt Thomas Schmid am 13. Feburar 2017 an Wöginger.
Der antwortete: „Echt super! Bin total happy.“
„Kein Thema – freue mich auch, dass das geklappt hat!“, antwortet Schmid.
2022 schaltet sich deswegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein. Eine parteipolitisch motivierte Postenbesetzung steht im Raum.
Sein Netzwerk hat Sebastian Kurz in den ÖVP-Chefsessel und ins Kanzleramt gehievt. Mit fragwürdigen Mitteln. Kurz ist seinen Jüngern wohl einiges schuldig.
Offenbar war bereits früh klar, für wen die ÖBIB eigentlich umgebaut wird. Zumindest für Gernot Blümel.
Gernot Blümel: „Hab dir heute deine ÖBIB gerettet! :-*“
Thomas Schmid: „Mein Riesen Held!!!“
Die ÖBAG verwaltet etwa 27 Milliarden Euro der Republik. Oder ist sie doch für Thomas Schmid?
Thomas Schmid: „ÖBAG vom NR beschlossen. Auch mit den Stimmen der SPÖ“
Gernot Blümel:“SchmidAG fertig!“
Thomas Schmid: „:*“
Thomas Schmid zeigt nicht nur Dankbarkeit. Über seine Chefs lästert er gerne.
„Wenn seine Dummheit verhindert, dass ich nicht in die ÖBAG darf, bin ich sauer.“ – Schmid über den damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) zur Medienarbeit.
„Die beiden sind echte Nieten“ – Nochmals Schmid über Löger und Ex-Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ)
Kabinettsmitarbeiter Bernhard Perner*: „International eher streichen“
Mitarbeiterin: „International war die Empfehlung es drinnen zu lassen“
Thomas Schmid: „Ich bin aber nicht international erfahren. Ich habe immer in Österreich gearbeitet“
Thomas Schmid: „Ich würde einfach sagen, internationale Erfahrung erwünscht.“
Mitarbeiterin: „Wir brauchen dann ein sehr gutes Motivationsschreiben von dir.“
Thomas Schmid: „Wer schreibt das?“
* Mittlerweile Geschäftsführer bei der Covid-19-Finanzierungsagentur GmbH, COFAG, die ebenfalls in der Kritik steht, da sie Hilfsgeld intransparent vergibt.
März 2019. Die Vorbereitungen zum Wechsel von Thomas Schmid in den Vorstandssessel der ÖBAG laufen auf Hochtouren. Schmid hat schon künftige Aufsichtsrats-Mitglieder getroffen.Doch noch ist Schmid Generalsekretär im Finanzministerium unter Hartwig Löger (ÖVP). Und genießt etliche Annehmlichkeiten. So reist er beispielsweise mit einem Diplomatenpass um die Welt. Mit diesem kann er Flughafen-Kontrollen samt Schlange-Stehen umgehen. Nun realisiert Schmid, dass er als ÖBAG-Vorstand keinen Diplomatenpass mehr haben wird. Und ist darüber empört, wie Chats zeigen.
Thomas Schmid (an Melanie L.) „Oh Gott, reisen wie der Pöbel.“
„Wenn ich weiterhin einen Diplomatenpass haben will, müssen wir das Gesetz ändern.“
Sebastian Kurz: „Super, danke vielmals!!!! Du Aufsichtsratssammler :)“
Sebastian Kurz: „Kriegst eh alles, was du willst :* :* :*“
Thomas Schmid: „Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler.“
Mitte März 2019 muss Thomas Schmid eine lästige Formalität erledigen: Für seinen künftigen Job als ÖBAG-Vorstand braucht er – wie so viele andere Menschen, die einen neuen Job antreten – einen sauberen Strafregisterauszug. Den muss er selbst holen, das kann kein Sekretär für ihn erledigen. Dass er selbst zur Behörde gehen muss, schmeckt Schmid gar nicht.
Thomas Schmid: „Ich hasse euch dass ich da herkommen muss zu diesen Tieren für Strafregister.“
Melanie L.: „So ist auch reisen ohne Diplomatenpass (Lachsmiley mit Tränen, Affensmiley mit zugehaltenen Augen).“
Thomas Schmid: „Das ist nicht lustig.“
Thomas Schmid und Melanie L. machten sich auch über Geflüchtete lustig. Als seine Mitarbeiterin für ihn einen Flug nach Äthiopien bucht und sich nach Rückflug-Wünschen erkundigt, fragt Schmid, ob sie ihn dort lassen möchte.
Melanie L.: „Ab Kairo gibt es Schlauchboote.
Thomas Schmid: „Mit den Flüchtlingen? Smiley.“
Haben wir schon erwähnt, dass Thomas Schmid seinem Kanzler sehr dankbar ist?
Thomas Schmid: „Dass du mir diese Chance gibst mich zu beweisen ist so grenzgenial! Habe mörder Respekt davor und es wird echt cool! Danke für alles und es taugt mir so in Deinem Team sein zu dürfen! :* :* <3“
So war der ehemalige ÖVP-Wien Obmann und Vorgänger von Gernot Blümel auf Jobsuche. Das Finanzministerium sollte helfen.
Thomas Schmid: Kannst du mir bitte die Nummer von Juraczka geben. Wegen Job!
Thomas Schmid: Wir rufen ihn an um herauszufinden was er kann
Gernot Blümel: Danke! Bitte sei lieb zu ihm 🙂
Auch die ehemalige ÖVP-Abgeordnete Gabriele Tamandl war auf Jobsuche, nachdem sie ihr Nationalratsmandat verlor. Der Auftrag kommt vom damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling. Für Thomas Schmid ist klar, wenn kein Platz da ist, muss man eben Platz schaffen.
Hans Jörg Schelling: Wir brauchen einen Job für Gabi Tamandl. Fällt dir etwas ein?
Thomas Schmid: Wir schmeißen den (…) raus oder lassen ihn auslaufen.
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