ÖVP und FPÖ nehmen die Umweltverträglichkeits-Prüfungen zum Anlass, Umweltschutz-NGOs die Teilnahme an Verfahren zu erschweren. Die NGOs sollen dem Umweltministerium die Privatdaten ihrer Mitglieder alle drei Jahre melden. Nur dann dürfen sie an Verfahren zur Prüfung der Umweltverträglichkeit teilnehmen. Offiziell ist das Ziel „Transparenz“, tatsächlich geht es darum, Umweltschutz-Organisationen aus Verfahren zu drängen.
Pro Jahr gibt es etwa 20 bis 30 sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP). Das sind Genehmigungsverfahren für große Bauvorhaben, die sich stark auf die Umwelt auswirken. Solche UVPs gibt es beispielsweise für Autobahnen, Großkraftwerke, Flughäfen oder ganze neue Stadtteile wie etwa für die Seestadt Aspern in Wien. In diesen Verfahren erfasst und verhandelt eine Behörde alle Genehmigungen gleichzeitig. Dadurch sollen die kompletten Auswirkungen der Großprojekte erfasst werden. Der Vorteil daran: Wechselwirkungen, etwa zwischen Wasser- und Naturschutz, lassen sich besser behandeln. Außerdem kann die betroffene Öffentlichkeit teilnehmen. Das bedeutet: Nachbarinnen und Nachbarn, BürgerInneninitiativen und anerkannte Umweltschutz-Organisationen können teilnehmen und Einwände formulieren. Die Zivilgesellschaft ist also eingebunden.
Damit bei Bauvorhaben darauf geachtet wird, Umweltschutz-Vorschriften einzuhalten, dürfen an UVP-Verfahren anerkannte Umweltorganisationen teilnehmen. Das sind jene, die einen Antrag ans Umweltministerium stellen und die Voraussetzungen erfüllen. Diese sind:
Umweltschutz-Organisationen dürfen nicht auf Profit ausgerichtet sein. Bislang wurde die Einhaltung dieser Kriterien vor der Eintragung überprüft. Im Verdachtsfall konnten beteiligte Organisationen jederzeit kontrolliert werden. Mit der UVP-Novelle müssen Umweltschutzorganisationen aber jetzt alle drei Jahre nachweisen, dass sich nichts geändert hat. Das ist ein erheblicher Verwaltungsaufwand, sowohl für das Ministerium wie auch für die teilweise sehr kleinen Organisationen.
Derzeit gibt es 57 anerkannte Umweltschutz-Organisationen. Nur die die Hälfte arbeitet österreichweit. Der Rest beschränkt die Arbeit auf einzelne Bundesländer.
Im Umweltausschuss am 4. Oktober 2018 folgte schließlich eine Überraschung: Zusätzlich zu den Auflagen müssen Umweltschutzorganisationen künftig mindestens 100 Mitglieder haben und zudem private Daten der Vereinsmitglieder offenlegen. Das erste Problem: Viele anerkannte Umweltschutz-Organisationen sind keine klassischen Mitgliedervereine – aber leisten dennoch einen wichtigen Beitrag in UVP-Verfahren.
Nach Schätzungen könnte zwischen einem und zwei Drittel der Vereine die Anerkennung entzogen werden. Die Folge: Sie können nicht mehr an UVP-Verfahren teilzunehmen und sich dort für Umweltschutz einsetzen.
Die Einschränkungen sind ein massiver Angriff auf die Beteiligung von Umweltschutz-Organisationen. Das Vorhaben der Regierung zieht aber noch weitere Probleme nach sich:
Die Einschränkungen von Umweltschutz-Organisationen sind europarechtswidrig, grundrechtswidrig und völkerrechtswidrig.
In der Rechtfertigung dieser Regel verweist das Umweltministerium auf Schweden. Dort würde man es ähnlich handhaben und das hätte sich „bewährt“. Doch der Verweis auf Schweden läuft ins Leere: Schweden hat zwar eine ähnliche Beschränkung, was Mindestmitgliederzahlen anbelangt. Allerdings gilt dort die Beschränkung nicht, wenn die Umweltschutz-Organisation anderweitig ihre Relevanz nachweisen kann. Was relevante Arbeit ist, ist in Schweden weit gefasst: Dazu zählt auch, regelmäßig Stellungnahmen abzugeben. Oder wenn Interessierte kostenlose Ausstellungen der Organisationen besuchen.
Die Behauptung, Umweltschutz-Organisationen würden UVP-Verfahren „in die Länge ziehen“ und „Projekte verhindern“, stimmt schlicht nicht. UVP-Verfahren sind an sich die komplexesten Bewilligungsverfahren in Österreich. Laut dem aktuellen UVP-Bericht dauern Verfahren 7 bis 8 Monate. Bei den wenigen Verfahren, die deutlich länger dauern, gibt es andere Gründe für die Verzögerung als die Beteiligung von Umweltschutz-Organisationen. Z.B. politische Konflikte und höchstgerichtliche Aufhebungen. Außerdem: UVP-Behörden lehnen nur zwei bis drei Prozent aller Anträge ab – man kann also wirklich nicht behaupten, dass die Organisationen Projekte verhindern.
Die Regelung von ÖVP und FPÖ ist klar rechtswidrig. Das wird Konsequenzen haben, denn gerade der verfassungs-, bzw. europarechtswidrige Ausschluss von Einrichtungen aus Verfahren bedeutet, dass sie vor Höchstgerichten landen werden. Dort würde eine solche Regelung dann aufgehoben – und alle Verfahren, in denen der rechtswidrige Ausschluss passierte, könnten angefochten werden. Die Regelung kann so zum Bumerang werden und Verfahren für die Projektwerbenden auf Jahre hinaus verzögern.
Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit hat bereits angekündigt genau das zu tun – und zwar in jedem einzelnen UVP-Verfahren. Greenpeace wird den Datenschutz wahren und die Privatdaten seiner Mitglieder nicht den Behörden melden.
Dabei wäre eine Beschleunigung für Umweltverträglichkeitsprüfungen einfach: Mehr Ressourcen für die Verwaltung, mehr Sachverständige und eine frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit würden Verfahren schneller und effizienter machen.
Gregor Schamschula ist Umweltjurist und Koordinator des Bereiches „BürgerInnenbeteiligung und Recht“ bei der anerkannten Umweltorganisation ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung.
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