Eigentlich ist in Österreich Schulbildung gratis. Doch Notendruck und Fehler im Bildungssystem führten zu einem regelrechten Nachhilfe-Boom: 167.000 Schüler:innen haben im letzten Jahr Nachhilfe in Anspruch genommen – im Schnitt lassen sich das die Eltern 720 Euro im Jahr kosten. Kontrast hat mit der Bildungsexpertin der Arbeiterkammer, Elke Larcher, über die Gründe und Folgen des Massenphänomens Nachhilfe gesprochen und nach möglichen Lösungen gesucht.
Kontrast.at: Fast 122 Millionen Euro werden aktuell in Österreich für private Nachhilfe ausgegeben. Warum gibt es so einen hohen Bedarf?
Elke Larcher: Die Halbtagsschule ist einfach oft nicht in der Lage, die Kinder beim Lernen zu unterstützen. Für viele Kinder ist es nicht möglich, in dieser Schulform ihre Lernziele zu erreichen. Die Halbtagsschule baut darauf, dass Kinder regelmäßig mit ihren Eltern lernen und das tun die auch oft. Fast vier von fünf Kindern werden zu Hause beim Aufgabenmachen und beim Lernen beaufsichtigt und unterstützt. Aber das sind in Wahrheit Krücken, um die Kinder außerhalb der Schule zum Schulerfolg zu führen.
Die Nachhilfe ist eine weitere Krücke. Aber das gehört regulär in der Schule organisiert – dort muss das schulische Lernen stattfinden und nicht zuhause oder in der bezahlten Nachhilfe. Das Ziel muss doch sein, dass die Schule so funktioniert, dass die Kinder ihre Lernziele dort erreichen und Eltern nicht extra für Nachhilfe zahlen müssen oder selbst Lehrerin spielen.
In Österreich sind viele der Meinung, dass sich Eltern eben engagieren müssen, damit ihre Kinder in der Schule gut mitkommen.
Larcher: Aber Eltern müssen doch auch mal Freizeit haben mit ihren Kindern. Nach acht oder 12 Stunden Arbeit soll man doch die Zeit nutzen, um mit dem Kind Fußball zu spielen oder gemeinsam zu kochen und nicht Integralrechnungen erklären, sofern man das überhaupt kann. Außerdem wissen wir:
Wenn Eltern mit den Kindern sehr viel lernen müssen, führt das zu vielen Konflikten und Streitigkeiten in der Familie. Das ist kein Wunder, Eltern sind einfach nicht dafür ausgebildet, Heimlehrer zu sein.
Man kann nicht so tun, als könnte jede:r unabhängig von der eigenen Ausbildung den Schulstoff vermitteln. Lehrer:in ist ein Beruf und den sollen die Profis machen. Beim Lesen lass ich mir einreden, dass man zuhause liest, die Kinder dazu animiert und das auch zur gemeinsamen Familienzeit gehört. Aber beim Problemfach Mathematik ist das etwas Anderes.
Wichtig ist auch, dass dieser starke Fokus auf das Lernen mit den Eltern die Vererbung von Bildung sehr verstärkt. Eltern, die selbst lange in der Schule waren und sich die Zeit gut einteilen können, die können ihre Kinder leichter zum Schulerfolg begleiten. Wer aber selbst nur wenige Jahre in der Schule war und zum Beispiel Schichtarbeiter ist, wie soll der sein Kind um 14:00 Uhr abholen, um dann den Schulstoff gemeinsam in Ruhe durchzugehen?
Abgesehen davon, dass diese Vererbung ungerecht gegenüber den Kindern ist: Wir können uns das auch nicht mehr leisten. Es gibt kaum noch Arbeitsplätze für Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen. Rein pragmatisch kann niemand ein Interesse dran haben, dass wir in Österreich an der Bildungsvererbung festhalten. Egal in welcher Branche und egal in welchem Job, wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte. Gesamtgesellschaftlich gibt es ein großes Interesse dran, dass Kinder gut lernen und gefördert werden. Aber wir halten trotzdem an einem System fest, dass die Mängel einzementiert. Und eine Sparmaßnahme jagt die nächste im Schulsystem.
“Nachhilfe in der Volksschule ist angestiegen, als die Schulnoten von 1 bis 5 wieder eingeführt wurden”
Ein erstaunliches Ergebnis an der Nachhilfe-Studie ist, dass schon 17 Prozent der Volksschüler:innen Nachhilfe nehmen. Schaffen die Grundschulen es nicht mehr, die Grundkompetenzen wie Lesen und Schreiben zu vermitteln?
Larcher: Die Nachhilfe in der Volksschule ist massiv angestiegen, als die Schulnoten von 1 bis 5 wieder eingeführt wurden. Bei Volksschulkindern geht es in den allermeisten Fällen nicht darum, dass die Kinder nicht Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, sondern um gute Noten mit Blick auf die Aufnahme in ein Gymnasium. Kurz gesagt: Es geht darum, einen 1er im Zeugnis zu bekommen, damit das Kind ins Gymnasium kommt. Da wird viel Zeit und Geld investiert und die Kindheit verkürzt, weil schon Volksschulkinder unter Notendruck stehen.
Wertvolles Lernen passiert in der Kindheit oft beim Fußballspiel im Park oder beim Bäumeklettern – vielen Kindern nehmen wir diese unbeschwerte Zeit zum Ausprobieren und Spielen, weil sie sich auf einen 1er in Deutsch konzentrieren müssen.
Generell geht es nur bei einem Fünftel der Nachhilfeschüler:innen wirklich um das Ausbessern eines Fünfers. Das Ziel sind oft gute Noten. Ist der Notendruck so groß in Österreichs Schulen?
Larcher: Wir sehen, dass es immer mehr darum geht, gute Noten zu kriegen. Früher haben Kinder über das ganze Schuljahr hinweg Nachhilfe genommen, jetzt gibt es den Trend, sich vor einzelnen Schularbeiten oder Tests noch einmal hoch zu pushen. Das ist ein System für das System. Es geht nicht um nachhaltiges Lernen, sondern um das berüchtigte teaching to the test, bei dem man kurz danach schon wieder das Meiste vergessen hat.
Dadurch beschäftigen sich viele Schüler:innen auch deutlich mehr mit ihrem Defizit und ihren Schwächen, statt ihre Stärken und Talente zu entdecken. Am Arbeitsmarkt werden dann aber wieder junge Menschen gesucht, die ihre Stärken kennen, selbstbewusst sind und etwas riskieren. In der Schule haben sie aber gelernt, sich auf ihre Defizite zu konzentrieren.
Jedes dritte Kind in Österreich wird in die Nachhilfe geschickt
Im Schnitt kostet die Nachhilfe einer Familie 720 Euro im Jahr pro Kind. Das ist viel Geld, das vor allem von Familien ausgegeben wird, die kleine Einkommen haben. Jetzt in der Teuerung ist es nochmal schwieriger, diese Kosten zu stemmen.
Larcher: In Österreich ist jedes dritte Kind in der Nachhilfe, das sind 167.000 Kinder und Jugendliche. Die finanzielle Belastung für die Eltern ist enorm. In Summe geben die Eltern in Österreich fast 122 Mio. Euro für Nachhilfe aus. Das ist wahnsinnig viel Geld dafür, dass es eigentlich eine staatliche Aufgabe wäre, die Schüler:innen zum Lernerfolg zu führen. Der Bedarf an bezahlter Nachhilfe ist übrigens bei Kindern und Jugendlichen an Schulen mit ausreichenden Förderangeboten oder an verschränkten Ganztagsschulen deutlich niedriger.
20 Prozent der Eltern sagen, sie würden ihren Kindern gerne mehr Nachhilfe ermöglichen, können sich das aber nicht leisten. Das ist bei niedrigen Haushaltseinkommen besonders häufig der Fall und das ist auch enorm angestiegen. Vor zwei, drei Jahren war der Bedarf an Nachhilfe, die Eltern für notwendig gehalten hätten, sich aber nicht leisten konnten, nur bei acht Prozent. Die aktuellen Teuerungen verschärfen die Situation noch weiter.
Was wir auch sehen, ist, dass Familien mit sehr, sehr geringen Einkommen, sehr spät erst bei den Kindern sparen. Ich möchte oft gar nicht wissen, auf was diese Familien – besonders Alleinerzieher:innen – verzichten, was die sich alles nicht mehr leisten können, nur um noch die Nachhilfe oder die Schulkosten stemmen zu können.
Das erzeugt natürlich auch einen enormen Druck auf die Kinder und die Jugendlichen. Die wissen, die Mama zahlt die Nachhilfe und dann versage ich trotzdem – das verursacht viel Leid.
Was könnte der Bildungsminister unmittelbar verbessern?
Larcher: Wir müssen aufhören mit diesem Krückensystem. Viele Projekte im Bildungsministerium haben befristete Laufzeiten und enden bald wieder. Das führt dazu, dass keine echte Schulentwicklung stattfinden kann. Wichtig ist auf jeden Fall, dass Reformen durchfinanziert sind und nicht nur befristet und auf Projektbasis stattfinden.
Grundsätzlich müssen Schulen so ausgestattet sein, dass die Nachhilfe in die Schule geholt wird. Das heißt: Ganztägige Schulen, in denen es mehr Zeit gibt zum Üben und Fragen stellen. Gerade für den Mathematik-Unterricht wäre es sinnvoll, wenn der Stoff in kleineren Gruppen wiederholt wird. Und Schulen, die höheren Förderbedarf haben, müssen mehr Geld bekommen.
Gleichzeitig gibt es aber einen Mangel an Lehrkräften, gerade in den Volksschulen. Wie bekommt man mehr Lehrer:innen?
Larcher: Die Schulen müssen ein attraktiver Arbeitsort werden – mit guten Arbeitsbedingungen. Ich verstehe, warum viele Lehrer:innen nicht mehr unterrichten wollen. Es fehlt die Zeit, um gut auf die Kinder eingehen zu können. So brennen uns die Lehrer:innen aus. Gute Bildungspolitik macht Schule zu einem attraktiven Arbeitsort.
Aktuell rasen wir auf den Fachkräftemangel zu und das Bildungsministerium tut nichts. Wir brauchen deshalb auch Quereinstiegsprogramme.
Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 15 Jahren werden in den Lerncafés der Caritas kostenlos beim Lernen und bei Hausübungen unterstützt.
Die Wiener Lerntafel bietet Kindern Nachhilfe in Deutsch, Englisch und Mathematik.
Schaut euch die Deutsch Grundkenntnisse in den Volksschulen an. Die erlernte deutsche Sprache ist nach jeglichen Ferien vergessen.
Mit dieser Basis brauchen wir noch nicht an Rechnen und Geschichte denken.
Dank unserer wohlüberdachten Integrationspolitik (siehe Wien 10) wird sich das nicht ändern.
Und die Lehrer gaben keine Zeit deutsch sprechenden Kindern etwas beizubringen wenn sie von 75% der Kkasse nicht verstanden werden
Wie kann Mathematik abgeschafft werden?
Dieser Artikel belegt ganz klar, dass die Ursache für Konflikte immer die Mathematik ist. Während Geschichte von den Eltern gelernt werden soll, die ja auch Erfahrung haben, ist es bei Mathematik etwas ganz anderes, schreibt Patricia Huber.
Patricia Huber hat eben ein Problem mit Mathematik. Die Ursache dafür könnte in der frühen Kindheit liegen, beispielsweise einem Denkverbot oder Abwenden von allem Mathematischen im Kindergarten.