Nach sieben Jahren und neun Monaten Haft wurde der Neonazi Gottfried Küssel im Jänner 2019 aus dem Gefängnis entlassen. Verurteilt wurde er wegen Wiederbetätigung. Küssel gilt als zentrale Figur der österreichischen Neonazi-Szene. Seine Freilassung könnte jetzt für Unruhe sorgen.
2013 endet der Prozess gegen die Neonazi-Website alpen-donau.info mit einem Schuldspruch. Die Website hatte von 2009 bis 2011 zutiefst rassistische und antisemitische Artikel veröffentlicht. Politische Gegner wurden mit Fotos und Privatadressen an den Pranger gestellt. Der Verfassungsschutz hat 240 Delikte festgestellt. Hauptsächlich waren es Verhetzung und Verstöße gegen das Verbotsgesetz. Die Homepage war eine zentrale Agitations- und Propagandaplattform.
Gottfried Küssel wurde als Hauptbetreiber der Seite 2013 zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Seitdem saß der mittlerweile 60-jährige Neonazi im Gefängnis. 2014 reduzierte der Oberste Gerichtshof das Ausmaß der Strafe um 15 Monate. Es war nicht die erste längere Haftstrafe von Küssel.
Küssels Aufstieg in der rechten Szene: einst FPÖ-Kandidat, dann Chef der VAPO
„Ich bin kein Faschist. Ich bin Sozialist, aber kein internationaler Sozialist, ich bin Nationalsozialist.“ Gottfried Küssel (1990), im Interview mit dem ORF-Magazin Zick-Zack
Küssel ist in den 1970er-Jahren bei der neonazistischen Studentenbewegung Aktion Neue Rechte aufgestiegen. Er hat in dieser Zeit aber auch gute Kontakte zur FPÖ-Organisation Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) gehabt. Und er war Mitglied einer Burschenschaft. 1980 hat Küssel in Reichenau an der Rax für die FPÖ kandidiert. Seine erste Verurteilung wegen Wiederbetätigung folgte im Jahr 1983.
1986 hat Küssel die Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO) gegründet. Bis heute gilt die VAPO als eine der „radikalsten und einflussreichsten Neonazigruppierungen in Österreich“. In den 1990er-Jahren hat Küssel mit der VAPO im Raum Langenlois Wehrsportübungen abgehalten. Bei einer dieser Veranstaltungen war auch der heutige Vizekanzler Heinz-Christian Strache zugegen. Die Süddeutsche Zeitung belegt die Teilnahme mit Fotos. Sie zeigen Strache in Tarnuniform bei Übungen im Wald. Strache gibt zu, teilgenommen zu haben und erklärt: Er sei neugierig gewesen. Neonazi-Aussteiger berichten, sie hätten bei diesen Übungen gelernt, wie sie sich bei Verhören verhalten und wie sie Schlagstöcke einsetzen. Manchmal wurde sogar scharf geschossen.
Hat Küssel sich während seiner Haft mit Rechtsextremen vernetzt?
Im Sommer 2016 wurde Küssel, damals als Häftling auf Freigang, beim Public Viewing anlässlich der Fußball-EM gesehen. Der Standard hat Fotos veröffentlicht. Sie zeigen Küssel am Tisch mit Personen, die an rechtsextremen Aufmärschen teilgenommen haben.
Unter den Anwesenden war auch der Taufpate von Küssels Tochter: derselbe Mann, der sicherheitsüberprüfter Security-Mitarbeiter im Parlament beschäftigt war. Thomas K. hatte nicht nur Kontakte zu den „Identitären“, sondern ist auch mit Gottfried Küssel und dessen Familie vernetzt. FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz hatte für K. im Nationalrat milde Worte übrig: Er sei ein junger Mann, allenfalls ein „blöder Bub“, der „vielleicht vom Leben noch nicht so viel erfahren hat“ und dem man durch die Kündigung seiner Arbeit im Parlament das Leben „ruiniert“ hätte.
Küssel in Freiheit: Was heißt das für die rechtsextreme Szene?
Noch ist nicht abzuschätzen, welche Auswirkungen Küssels Freilassung auf die Neonazi-Szene haben wird. Einige seiner früheren Vertrauten, darunter „Identitären“-Chef Martin Sellner, haben sich während Küssels Haft abgewendet. Von Küssels einstige Kameraden sind nur wenige übrig, die ihm die Treue halten. In den sozialen Medien zeigen sich Unterstützer jedenfalls erfreut über die Entlassung von Küssel, darunter eine Vereinigung, die “nationale Gefangene” unterstützt:
Einschlägige Kreise scheinen eine aktive Rückkehr Küssels in die Neonazi-Szene zu erwarten.
Gottfried Küssel war in den 70er Jahren Mitglied des akademischen Corps DanuboMarkomania, wo auch der damalige Präsident des Verfassungsgerichtshof Kandutsch Mitglied war. Küssel wurde aber wegen seiner politischen Gesinnung bald susgeschlossen. Ich war damals selbst bei dem Ausschlusskonvebt dabei. Ich bin auch aus dem Corps ausgetreten, weil es mir nicht gelang mein Studium erfolgreich zu beenden.