Am Montag startet das Tierschutzvolksbegehren in Österreich. Die Kernpunkte: Weniger Tierleid, artgerechtere Haltung und mehr Informationen für Konsumenten. Einige Punkte werden ÖVP-Ministerin Köstinger ganz und gar nicht gefallen.
Kastration ohne Betäubung, Kupieren der Schwänze von Schweinen, Schreddern männlicher Küken – all diese Praktiken sollen der Vergangenheit angehören. Genauso wie das Züchten von Hühnern, die praktisch nur aus Brustfleisch bestehen, oder Hunden, die kaum atmen können.
Bis 25. Jänner kann man das Tierschutzvolksbegehren in allen Gemeinde- und Bezirksämtern oder online per Handysignatur unterschreiben. Das Ziel: Tierleid beenden, heimische Bäuerinnen und Bauern stärken, die Umwelt schützen.
Auch lange Transportwege und das Dahinvegetieren der Tiere in Betonboxen wollen die Tierschützer beenden. Stattdessen fordern sie eine transparentere Kennzeichnung der Herkunft tierischer Produkte in Supermarkt und Restaurants sowie Fördermittel aus Steuergeldern und öffentliche Kantinen für Bio-Lebensmittel.
Artgerechte Haltung statt Beton-Hallen
Über 60 Prozent aller Schweine lebten in Österreich 2019 auf Vollspaltenboden. Die sechs Monate, die sie zwischen Geburt und Schlachtung leben, sehen sie keinen Strohhalm und können nicht weich liegen, nicht suhlen oder spielen. Das macht die Tiere aggressiv und krank. Seit Jahren fordern Tierschutz-Verbände ein Verbot der Vollspaltenböden in Österreich.
Anstatt Einstreu aus Stroh regelmäßig auszumisten, halten viele Mastbetriebe die Schweine und Rinder in Boxen aus Betonplatten mit bis zu 1,8 cm breiten Spalten, durch die Kot und Urin der Tiere fallen sollen. Unter den Ställen befindet sich eine Güllegrube. Das spart Zeit, Arbeit und vor allem Geld.
Gegen diese Form der Tierhaltung will das Tierschutzvolksbegehren vorgehen: Tiere sollen sich bewegen und beschäftigen können, mit Artgenossen frei interagieren, artgemäß ruhen und sich tiergerecht ernähren.
Fragt man Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) nach dem Verbot von Vollspaltenböden, verweist sie auf die Verantwortung der Konsumenten und fordert mehr Transparenz in der Herkunfts-Kennzeichnung. Doch kaum jemand weiß, dass sogar das AMA-Gütesiegel auf Fleisch aus Vollspalten-Boden-Haltung zu finden ist. Nur Bio-Fleisch garantiert einen artgerechten Untergrund. Aber wer kennt die Details der Kennzeichnungen?
ÖVP seit 30 Jahren gegen Fleisch-Transparenz in Supermarkt und Restaurant
Der Konsum von Tierprodukten in Europa hat seit 1960 um 80 Prozent zugenommen. Heute essen die Österreicherinnen und Österreicher dreimal mehr Fleisch als empfohlen. Dabei haben europaweit Massentierhaltung und Billigfleisch massiv zugelegt. Darunter leiden nicht nur Tiere und Klima. Auch die Beschäftigten in der Fleischindustrie müssen katastrophale Arbeitsbedingungen aushalten.
Wer im Supermarkt konventionellen Schinken einkauft, weiß nicht, wo das Tier herkommt, von dem das Fleisch stammt. Noch schwieriger wird die Nachforschung in der Kantine oder im Restaurant. Das liegt auch daran, dass das Landwirtschaftsministerium, seit 30 Jahren unter ÖVP-Leitung, eine Kennzeichnung verhindert. In der Schweiz muss seit 1995 auf der Karte stehen, woher das Fleisch stammt.
“Auf jedem Shirt muss das Land der Erzeugung angegeben werden – wieso nicht auch bei Fleisch, Käse und Milch?”, fragt Mit-Initiator Sebastian Bohrn Mena. Und weiter: “Warum lassen wir zu, dass ein paar Funktionäre in der Wirtschaftskammer oder Industriellenvereinigung darüber entscheiden, ob wir erfahren, was uns aufgetischt wird?”
Die Volksbegehren-Initiatoren wollen das ändern: Wie bei Boden- und Freilandhaltungs-Eiern sollen alle tierischen Lebensmittel in Einzelhandel, Gastronomie und öffentlichen Küchen nach Tierwohl und Herkunft gekennzeichnet werden. Für die Kantinen von Krankenhäusern oder Schulen fordern sie verbindliche Quoten für Produkte aus tiergerechter Landwirtschaft und Bio-Lebensmittel.
Ein weiterer Punkt richtet sich an Österreichs Förderpolitik. Diese soll “Bäuerinnen und Bauern eine tier- und umweltgerechte sowie existenzsichernde Tierhaltung erleichtern.” Denn bei der Verwendung von Steuergeld liegt noch einiges im Argen. So ergab eine SPÖ-Anfrage an Elisabeth Köstinger 2020: Die zuständige Ministerin weiß nicht, wie viel Geld das Landwirtschaftsministerium für den Bau von Vollspalt-Ställen ausgibt. 2017 bis 2019 betrug die Fördersumme für Stallbauten immerhin fast 150 Millionen Euro.
“Österreichische” Kälber aus Spanien
Über 50.000 Kälber werden jährlich von Österreich exportiert. Sie landen etwa in Spanien, wo sie mit Palmöl gemästet werden dürfen. Nach der Schlachtung wird ihr Fleisch wieder nach Österreich importiert. Das Volksbegehren fordert deswegen, dass Kälber und Lämmer in Österreich aufgezogen und nicht im Säuglingsalter exportiert werden dürfen.
Neben der Intransparenz für Konsumenten sind Tierschützern die Transport-Bedingungen ein Dorn im Auge. Über 200.000 Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde, Puten und Hühner werden in überfüllten LKW tagelang nicht nur quer durch Europa, sondern auch nach Afrika oder in den Nahen Osten transportiert. Dabei sind die Umstände für die Tiere meist miserabel.
Das Volksbegehren fordert eine Höchst-Transportdauer von vier Stunden für lebendige Tiere. Ansonsten soll auf Hofschlachtung mit tiergerechter Betäubung und anschließendem Fleischtransport umgestellt werden.
Die Missstände bei Tiertransporten sind der Regierung schon lang bekannt. Tätig wurde sie aber nicht – auch ein Antrag der SPÖ im vergangenen Jahr, der den Transport von lebendigen Tieren nur mehr über eine Grenze erlauben sollte, konnte daran nichts ändern. Einer der Gründe dafür: Unternehmen, die von dieser Tierquälerei profitieren, haben oft enge Verbindungen zur ÖVP. Und diese stellt seit über 30 Jahren den Landwirtschafts-Minister.
- Für eine tiergerechte und zukunftsfähige Landwirtschaft
- Öffentliche Mittel sollen das Tierwohl fördern
- Mehr Transparenz für Konsumentinnen und Konsumenten
- Ein besseres Leben für Hunde und Katzen
- Eine starke Stimme für die Tiere
Zum Tierschutzvolksbegehren 2021 geht es hier. Noch bis 25. Jänner kann man es trotz Ausgangsbeschränkungen auf jedem Gemeinde- oder Bezirksamt unterschreiben.
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