Dieses Jahr ist etwas anders bei der Präsentation der Armuts-Studie der Statistik Austria. In den letzten Jahren gab es eine Pressekonferenz des Sozialministers gemeinsam mit dem Chef der Statistik Austria. Man analysierte die Zahlen und suchte nach Lösungen. Sozialministerin Hartinger-Klein hat damit aufgehört – dieses Jahr wurde die Studie nicht präsentiert. Es scheint: Über Armut in Österreich und ihre Bekämpfung will die Regierung nicht sprechen.
Es sind die verlässlichsten Zahlen über Armut in Österreich, die die Statistik Austria aus dem EU-Sozialbericht „SILC“ (European Community Statistics on Income and Living Conditions) jährlich auswertet. 1,5 Millionen Menschen sind in Österreich armutsgefährdet, das ist jede/r Fünfte. Das höchste Risiko, in die Armut abzurutschen, haben Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende und Nicht-EU-BürgerInnen.
Unter Kindern und Jugendlichen in Österreich leiden 116.000 unter tatsächlicher Armut. Sie spüren die Ausgrenzung besonders. „Jede Form der tollen Freizeitgestaltung fällt weg. Viele Kinder haben ganz viel Stress damit, ihre Armut zu kaschieren“, erzählt eine Wiener NMS-Lehrerin. Auf soziale Ausgrenzung im Kindesalter folgen oft Krisen im Erwachsenenalter. Ausgrenzung erhöht das Risiko, zu vereinsamen und sich sogar ganz aus Schule und Ausbildung zurückzuziehen. Die Gefahr, die Ausbildung abzubrechen, ist höher. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, später psychische zu erkranken höher.
Doch das scheint die Regierung wenig zu interessieren. Diesmal ist die Studie nicht in großem Stil präsentiert worden. Der Kurier hat bei der Statistik Austria nach dem Grund für den minimalistischen Auftritt gefragt. Das ist „eine Entscheidung des Sozialministeriums“ gewesen, heißt es dort. Die Regierung will der Analyse der Armutsentwicklung offenkundig die Aufmerksamkeit entziehen, auch über Maßnahmen soll nicht öffentlichkeitswirksam beraten werden. Und das hat Gründe: Schließlich tragen viele Vorhaben der ÖVP-FPÖ-Regierung dazu bei, die Armut in Österreich zu vergrößern.
Ein starker Sozialstaat verhindert, dass Menschen in die Armut abrutschen – darin sind sich alle Armuts-Experten einig. Er schafft ein engmaschiges Sicherheitsnetz für jene, die ihren Job verlieren oder in Pension gehen. Martin Schenk ist Sprecher der „Armutskonferenz“ und Direktor der Diakonie Österreich. Er sieht eine Stärke Österreichs in einem Sozialstaat, der vor allem die untere Mitte „schützt und stützt“ und vor einem Abrutschen in die Armut bewahrt.
Als untere Mitte definiert man Menschen, die sich nicht genug auf die Seite legen können, um „Einschnitten wie Krankheit und Arbeitslosigkeit“ ohne staatliche Unterstützung abfangen zu können. Diese Menschen haben einen gewissen Lebensstandard, solange alles gut läuft, aber um etwas zu sparen, würden sie diesen Lebensstandard „vernichten“, so Schenk.
Zum Weiterlesen:
Statistische Daten zu Armut und sozialer Eingliederung (Statistik Austria)
Kinderarmut: Vom Stress, sich vieles nicht leisten zu können (der Standard)
Sozialstaat bringt Startvorteil im internationalen Wettbewerb (Kontrast.at)
Jeder Euro für den Arbeitsmarkt rechnet sich bereits nach 5 Jahren (Kontrast.at)
Lieber Basti, ein bißchen Nachhilfe zur Mindestsicherung – von Susi Haslinger (Kontrast.at)
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