Was jetzt genau zwischen Gernot Blümel und der Novomatic passiert ist und ob Blümel oder jemand anderes sich dabei strafbar gemacht hat, werden die Ermittlungen zeigen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Fest steht aber: Für Blümel und die ÖVP war die Hilfe für Novomatic „völlig normal“. Auch wenn das heißt, Novomatic dabei zu helfen, seine Steuern in Italien zu drücken.
„Bräuchte kurzen Termin bei Kurz. 1) wegen Spende 2) wegen des Problems, das wir in Italien haben.“ Diese SMS schrieb der damalige Novomatic Chef Harald Neumann am 12. Juli 2017 an Gernot Blümel. Diese Nachricht löste die Hausdurchsuchung beim Finanzminister aus. Dass es eine Spende der Novomatic gab, schließt Blümel aus – die Ermittlungen laufen weiter. Dass er einen Kontakt ins Finanzministerium gelegt hat, damit der Novomatic bei ihrem Problem in Italien geholfen wird, bestätigen Chatnachrichten, die der Korruptionsstaatsanwaltschaft vorliegen. Auch Blümel selbst bestätigt das. Er sieht nichts Verwerfliches daran, einem heimischen Unternehmen im Ausland unter die Arme zu greifen. Auch wenn das bedeutet, einem Glücksspielkonzern dabei zu helfen, seine Steuern in einem anderen EU-Land zu drücken.
8 Tage nach Neumann-Hilferuf trifft sich Sebastian Kurz mit dem italienischen Außenminister
Das Problem in Italien, von dem Neumann schreibt, war eine drohende Steuernachzahlung: Novomatic hätte zwischen 40 und 60 Millionen Euro Steuern an den italienischen Fiskus überweisen müssen. Acht Tage nach der SMS von Neumann hat sich der damalige Außenminister Sebastian Kurz jedenfalls mit seinem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano unter vier Augen getroffen. Es soll hauptsächlich um Fragen der Migration gegangen sein. Darüber, ob auch die Causa Novomatic Gesprächsthema war, gibt es keine Berichte. Was man weiß: Die Italiener reduzierten ihre Forderung an Novomatic später auf 20 Millionen Euro. Ob österreichische Politiker oder Beamte sich dafür stark gemacht haben, weiß man nicht und ist Teil der Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Novomatic hätte bis zu 60 Millionen Euro Steuern zahlen müssen
Man weiß aber, wie diese Steuernachzahlung zustande gekommen ist: Die italienische Steuerbehörde hat Lizenzzahlungen, die bei der italienischen Tochter für die Nutzung der Novomatic Software verrechnet wurden, nicht akzeptiert. Der Grund: Mit den Lizenzzahlungen wurden der Gewinn und damit die Steuern unerlaubt gedrückt.
Spielereien mit Lizenzgebühren gehören fast schon zum Standardrepertoire der „Steueroptimierungsmaßnahmen“ von Konzernen. Man verlangt von seinem Tochterunternehmen Lizenzgebühren – wie im Fall von Novomatic etwa für die Nutzung von Software. Damit drückt man Gewinne in einem Land und sie tauchen als „Gewinne aus Lizenzgebühren“ woanders auf – idealerweise in einem Staat, in dem auf diese Gewinne weniger oder kaum Steuern anfallen. In Italien liegt die Gewinnsteuer bei 27,5 Prozent, in Österreich bei 25.
Nicht immer sind diese Maßnahmen zulässig und werden von den Steuerbehörden aufgehoben. Österreich tat das etwa bei der Möbelhauskette XXX Lutz – Italien machte es bei Novomatic. Für Blümel war es „völlig normal“, einem österreichischen Unternehmen in so einem Fall unter die Arme zu greifen.
Novomatic hat Sitze in Steuersümpfen wie Malta und Gibraltar
Beim Fall XXX Lutz akzeptierte das österreichische Finanzamt etwa keine Lizenzzahlungen für die Nutzung von Marken an ein maltesisches Tochterunternehmen. Das Möbelhaus zahlte mit diesem Trick in Malta 5 Prozent anstelle von 25 Prozent. Auch Novomatic hat Tochterunternehmen in Steuersümpfen wie Malta oder Gibraltar, verwendete diese aber nach eigenen Angaben nicht, um Steuern zu sparen: “In Malta haben besonders viele Online-Glücksspielanbieter eine Niederlassung, da Malta das Umfeld und die Infrastruktur dafür geschaffen hat. Unser Headquarter ist in Wien, dort zahlen wir auch die Steuern”, erklärte der Konzernsprecher Bernahrd Krumpel 2017, als die Niederlassungen von Novomatic im Zuge der Paradise Paper Enthüllungen diskutiert wurden.
Dass die ÖVP die Steueroffenlegung von Konzernen in der EU seit dem Vorstoß der EU-Kommission im Jahr 2016 zu verhindern versucht, passt da gut ins Konzept. Jeder ÖVP-Finanzminister hat sich seither dagegen ausgesprochen, dass Konzerne öffentlich zeigen müssen, ob Gewinn, Umsatz und Steuerzahlungen in einem Land zusammenpassen.
Nicht wenige sind dabei anfällig, vom „Volksvertreter“ zum Auftragsnehmer der Superreichen zu werden. Klar, etliche Parteien richten ihr politisches Programm schon von Vornherein nach den Interessen der großen Konzerne, Banken und Superreichen aus.
Die hohen Politiker-Gehälter in Österreich tragen dazu bei, dass die politische Klasse sich als Teil der Elite versteht und im noblen Club der Industriellen, Bänker, Finanzmagnaten, Multimillionäre und Milliardäre mitspielen will.
Die abgehobenen Gehälter befeuern aber geradezu die Abgehobenheit von den alltäglichen Sorgen und Nöten der Menschen, für die manche nicht mehr das Geringste übrighaben.Die jüngste Hausdurchsuchung (!) beim amtierenden Finanzminister (!) aufgrund von Ermittlungen wegen Bestechlichkeit ist dabei nur
die Spitze des Eisbergs eines Systems.