Die reichsten Menschen zahlen am wenigsten Steuern. Was nach einer Geschichte aus dem Mittelalter klingt, ist Realität im Jahr 2024. Wir haben mit dem Starökonomen Gabriel Zucman darüber geredet, warum das ein Problem ist und was wir dagegen tun können. Seine Lösung: Eine globale Reichensteuer.
Kontrast: Welche Auswirkungen hat Steuerhinterziehung von multinationalen Unternehmen und Superreichen auf unsere Gesellschaft?
Gabriel Zucman: Die Hauptauswirkung ist, dass sie Ungleichheit verstärkt. Wenn die Reichsten ihre Steuern nicht zahlen, muss der Rest der Bevölkerung eine höhere Steuerlast tragen. Diese Dynamik ermöglicht es den Superreichen, noch mehr Vermögen anzuhäufen, was die Ungleichheit weiter verschärft. Deshalb ist es so wichtig, gegen Steuerhinterziehung vorzugehen.
Steuerhinterziehung schadet Wirtschaft und Bevölkerung
Kontrast: Welche konkreten Vorteile hätte es für den oder die Durchschnittsbürger:in, wenn wir Steuerhinterziehung eindämmen könnten?
Gabriel Zucman: Wenn die reichsten Individuen und multinationalen Unternehmen ihren fairen Anteil an Steuern zahlen würden, könnten erstens für den Rest von uns die Steuern sinken, etwa auf unser Arbeitseinkommen und oder unseren Konsum, wie die Mehrwertsteuer. Zweitens könnten die erhöhten Steuereinnahmen für wichtige öffentliche Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheitswesen und Infrastruktur verwendet werden. Das sind entscheidende Treiber des Wirtschaftswachstums. Insgesamt würde es das Wirtschaftswachstum fördern und den Wohlstand für alle steigern.
Kontrast: Welche konkreten Maßnahmen können Österreich und die EU ergreifen, um die Steuerhinterziehung durch Superreiche und multinationale Unternehmen zu bekämpfen?
Gabriel Zucman: Es gibt ein weit verbreitetes Missverständnis, dass einzelne Länder Steuerhinterziehung nicht effektiv bekämpfen können und dass diese Probleme nur auf globaler Ebene gelöst werden können. Das stimmt nicht. Jedes Land kann von sich aus Maßnahmen ergreifen, wie z.B. die Einführung einer Mindeststeuer für multinationale Unternehmen. Es gibt zwar eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent, Österreich könnte aber die Steuerquote einseitig auf 20 Prozent oder 25 Prozent erhöhen.
Zusätzlich könnte Österreich eine Vermögenssteuer für die Superreichen einführen, die von Personen mit mehr als 100 Millionen Euro Vermögen verlangt, jährlich mindestens 2 % ihres Vermögens als Steuer zu zahlen. Dieser Ansatz spiegelt das Konzept einer Mindeststeuer für multinationale Unternehmen wider.
Globale Steuer auf die Reichsten der Reichen
Kontrast: Können Sie Ihre Vorschläge für eine globale Steuer für Milliardäre zusammenfassen?
Gabriel Zucman: Natürlich. Die Idee basiert auf Daten, die zeigen, dass Milliardäre weltweit die niedrigsten Steuersätze aller wirtschaftlichen und sozialen Gruppen haben. Es ist sehr einfach für die extrem Reichen, Steuern zu vermeiden. Unser Vorschlag, der im Global Tax Evasion Report detailliert beschrieben ist und derzeit auf dem G20-Gipfel diskutiert wird, sieht vor, dass Milliardäre jährlich mindestens 2 Prozent ihres Vermögens als Steuer zahlen sollten. Zum Beispiel sollte jemand mit 10 Milliarden Euro Vermögen jährlich mindestens 200 Millionen Euro Steuern zahlen. Wenn diese Person bereits einen Betrag in dieser Höhe oder sogar mehr zahlt, würden keine zusätzlichen Steuern anfallen. Da jedoch die meisten Milliardäre derzeit kaum oder gar keine Steuer auf ihr Vermögen zahlen, würde dieser Vorschlag sicherstellen, dass sie ihren fairen Beitrag leisten.
Gabriel Zucman ist einer der weltweit führenden Experten zu internationalen Steuerfragen. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Steuerhinterziehung und Steuervermeidung durch multinationale Konzerne und Superreiche. Er unterrichtet an renommierten Universitäten in Europa und der USA und leitet die Steuerbeobachtungsstelle der EU. Seine Ausbildung hat er unter Starökonomen Thomas Piketty erhalten.
Finanzamt gefordert: Österreich verliert jährlich 2 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung