Quelle: James Maskell/ atmtx ((eigene Montage))
Verteilungsgerechtigkeit

Steuerexperte: „Globale Konzernsteuer ist ein großer Erfolg“

Quelle: James Maskell/ atmtx (eigene Montage)

Die Steuersümpfe werden trockengelegt. Mit Anfang dieses Jahres wurde eine globale Mindeststeuer für multinationale Konzerne eingeführt. Anstatt ihre Gewinne in Steuersümpfen verstecken zu können, müssen Konzerne wie Amazon, Facebook oder Starbucks jetzt dort Steuern zahlen, wo sie ihren Gewinn erwirtschaften. Wir haben mit dem Wirtschaftswissenschaftler und Experten zu Steuerhinterziehung, Jakob Miehte, über die neue globale Mindeststeuer geredet und ihn gefragt, ob sie das Ende für die Steuertricks der globalen Konzerne bedeutet.

Kontrast: Mit Jänner tritt die globale Mindeststeuer von 15 Prozent in Kraft. Wie funktioniert diese globale Mindeststeuer? Und was ist die Idee dahinter?

Jakob Miethe: Die Idee hinter der globalen Mindeststeuer ist, dass man für die Körperschaftssteuer einen Steuersatz einführt, den kein Land mehr unterschreiten kann. Im Moment haben wir das Problem, dass international tätige Unternehmen viele Möglichkeiten haben, ihre Steuerlast dadurch zu senken, dass sie Profite in Niedrigsteuerländer verschieben. So ist es möglich, dass der Teil des Unternehmens, der in einem Hochsteuerland sitzt, praktisch keine Profite macht, sondern die Profite in Ländern anfallen, wo die Steuersätze sehr niedrig oder null sind. Die globale Mindeststeuer soll das ändern.

(Foto: unsplash)

Die globale Mindeststeuer soll dafür sorgen, dass globale Konzerne wie Amazon ihre Profite nicht mehr in Steuersümpfe verschieben können. (Foto: unsplash)

Sie hat zwei Bestandteile, zwei Säulen. Die erste Säule beschäftigt sich damit, festzustellen, wo überhaupt die wirtschaftliche Substanz von dem Unternehmen stattfindet. Wo wird der wirtschaftliche Wert geschaffen, den man besteuern möchte?

Das ist relativ kompliziert, aber im Grunde geht es einfach nur darum zu checken: Wo sind die Beschäftigten? Wo werden die Umsätze erwirtschaftet? Die zweite Säule, ist der Steuersatz von 15 Prozent, der jetzt nicht mehr unterschritten werden soll. Diese internationale Koordination soll dem Steuerwettbewerb einen Boden geben. Darunter gehen wir nicht.

Globale Mindeststeuer ist großer internationaler Erfolg

Kontrast: Wie bewerten Sie diese neue globale Steuer?

Jakob Miethe: Die globale Mindeststeuer ist ein großer internationaler Koordinierungserfolg. Es ist nicht besonders wahrscheinlich, dass solche ambitionierten internationalen Projekte klappen. Hier hat es geklappt. Es gibt im Moment Probleme bei der Umsetzung und es gibt Ausnahmeregelungen, die eingeführt wurden. Zum Beispiel die Substanzausnahme, durch die man den Steuersatz unterschreiten kann, wenn tatsächlich wirtschaftliche Substanz im Land nachgewiesen wird. Wenn also wirtschaftliche Substanz wie etwa eine Produktionsstätte in ein anderes Land verlagert wird, dann darf die Steuer unter 15 % fallen. Ein zweites Beispiel sind mögliche Steuerrabatte oder Subventionen für spezielle Sektoren oder Unternehmen. Es gibt also Probleme in der Umsetzung und man kann diese globale Mindeststeuer noch unterlaufen. Außerdem läuft sie ja jetzt erst an, es sind noch nicht alle Länder beteiligt usw. Trotzdem ist sie definitiv ein Schritt in die richtige Richtung.

Kontrast: Wie beurteilen Sie den Prozentsatz von 15 Prozent? Dieser ist ja im Vergleich zum österreichischen Steuersatz von 23 Prozent relativ niedrig. 

Jakob Miethe: Der 15-Prozent-Steuersatz liegt tatsächlich unter den meisten Körperschaftssteuern von OECD Ländern. Die bewegen sich eher im Bereich zwischen 20 und 30 Prozent. Da sind 15 Prozent niedrig. Dafür gibt es keine gute ökonomische Erklärung. Man hätte diesen Steuersatz auch viel höher ansetzen können. Ich vermute, das war einfach ein Verhandlungsergebnis. Dem Steuerwettbewerb ist dadurch noch nicht der Riegel vorgeschoben. Die meisten Länder können ihre Körperschaftssteuer noch senken, bevor sie bei den 15 Prozent ankommen. Das ist ein Problem.

Kontrast: Glauben Sie, dass es die Möglichkeit besteht, dass der Steuersatz erhöht werden wird, etwa, wenn sich die Steuer als Erfolg erweist oder besteht eher die Gefahr, dass der Steuersatz gesenkt wird? 

Jakob Miethe: Das ist schwer zu sagen, aber durchaus vorstellbar. Das sind dann internationale Koordinationsprozesse, bei denen man sich gegenseitig annähert oder nicht. Ich glaube zumindest, dass es nicht das vorrangige Problem ist. Ich glaube, was in den ersten Jahren der Umsetzung passieren muss ist, dass Schlupflöcher geschlossen werden. Man muss für eine funktionierende Implementierung sorgen und für das notwendige Know-how bei den unterschiedlichen Steuerbehörden. Das braucht Zeit und damit sollten wir anfangen, bevor man sich mit den 15 Prozent beschäftigt.

Keine Mehrheit für globale Mindeststeuer in der USA

Kontrast: Wieso sind die beiden Wirtschaftsgiganten China und USA nicht Teil der Initiative? 

Jakob Miethe: Bei den USA liegt es daran, dass die Regierung das im Moment nicht durch den Kongress bekommt. Wenn man mit Amerikaner:innen spricht, die bei den Verhandlungen dabei waren, merkt man, dass die sich richtig schämen. Denn am Anfang haben die USA sehr für diese globale Mindeststeuer lobbyiert. Sie haben praktisch alle anderen Länder dazu angehalten, da mitzumachen. Dann haben sich die Mehrheiten im Kongress geändert. Jetzt fehlen der Biden-Regierung die Stimmen, um die globale Mindeststeuer zu ratifizieren. Peinlich, aber das ist der Grund.

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In der USA fehlen der Biden-Regierung die nötigen Stimmen im Kongress, um die globale Mindeststeuer zu beschließen. (Foto: unsplash)

Denn es gibt natürlich einfach unterschiedliche nationale Interessen in diesen Verhandlungen. Wenn wir beispielsweise über die Besteuerung von Digitalunternehmen reden, dann haben die meisten großen Unternehmen ihren Hauptsitz in den USA. Es gibt also Gruppen und Personen in den USA, die kein besonders großes Interesse daran haben, dass z.B. Frankreich jetzt anfängt, diese Gewinne zu besteuern.

Wenn man allerdings nicht bei den globalen Kooperationen mitmacht, dann gibt es wieder nationale Alleingänge, wie zum Beispiel die Digitalsteuern einzelner Ländern. Kanada hat gerade so eine Steuer eingeführt, um Digitalkonzerne zu besteuern. Das schadet den USA dann auch wieder. Mein Appell wäre: Die USA sollten weiter versuchen, das durch den Kongress zu kriegen und mitzumachen. Bei China habe ich leider kaum Einblicke, wieso sie die globale Mindeststeuer nicht mittragen.

Nicht das Ende des internationalen Steuerwettbewerbs

Kontrast: Werden Staaten nun aufhören, sich gegenseitig mit besonders niedrigen Steuern zu unterbieten?

Jakob Miethe: Nein, leider nicht. Staaten werden nicht aufhören, sich gegenseitig mit niedrigeren Steuern zu unterbieten. Im Gegenteil, wir sehen schon viele Bereiche, in denen versucht wird, vermögende Steuerausländer anzulocken, indem man ihnen besonders niedrige Steuern verspricht oder einfach sie ein paar Jahre steuerfrei lässt. Der Steuerwettbewerb wird diffuser. Es ist nicht mehr einfach die Körperschaftssteuer, die niedriger wird, sondern man schafft beispielsweise ein Subventionssystem, wo man mit der einen Hand die globale Mindeststeuer einsammelt, mit der anderen Hand die gleiche oder eine ähnliche Summe per Steuernachlass wieder zurückgibt.

Es ist also nicht so, dass der Steuerwettbewerb an sich zunimmt, er wird einfach diffuser. Im Vergleich mit den 90er Jahren, als fast alle Länder die Körperschaftssteuern um viele Prozentpunkte abgesenkt haben, nimmt der Steuerwettbewerb nicht zu. Aber: Der Tax Cuts and Jobs Act in den USA, hat die Körperschaftssteuer da gerade von 35 auf 21 Prozent deutlich gesenkt. Das ist vier Jahre her. Es gibt also weiterhin internationalen Steuerwettbewerb.

Konzerne müssen ihre Steuern zahlen

Kontrast: Werden Amazon, Starbucks und Co. künftig in Österreich ihre gerechten Steuern zahlen müssen?

Jakob Miethe: Die Frage ist: Was bedeutet künftig? Wenn die globale Mindeststeuer so implementiert wird, wie sie ursprünglich konzipiert wurde, dann ja. Beziehungsweise ist auch „gerechte Steuern“ zu hinterfragen. Sie werden die 15 Prozent zahlen. In Österreich hält man eine Körperschaftssteuer von 23 Prozent für gerecht, zumindest ist das der aktuelle Steuersatz. In dem Sinne nein, sie werden auf jeden Fall unter der österreichischen Körperschaftssteuer bleiben.

Aber es ist möglich, dass, selbst wenn die USA Amazon nicht besteuern, sich Österreich für die wirtschaftliche Aktivität dieser Firmen, die in Österreich stattfindet, immerhin die 15 Prozent holt. Vorausgesetzt, die Ausgestaltung klappt, die Schlupflöcher werden geschlossen und die globale Mindeststeuer wird so eingeführt und durchgesetzt, wie sie gedacht ist.

Jakob Miethe

Jakob Miethe ist Ökonom und Experte für Steuerhinterziehung. Er forscht und lehrt an der Universität München und der Paris School of Economics.

 

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rudolf
rudolf
22. Januar 2024 10:41

Warum „hören“ wir immer auf die Anderen? Auf die EU und den AMIs?Und wenn diese großen Firmen nicht zahlen wolle, soll man diese „Zusperren“! Dann werden sie sicher zahlen!! 25% Gewinnsteur ist bei uns USUS!!

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