Für Kinder mit Behinderung heißt es in Österreich häufig nach der 10. Schulstufe: Schluss mit Schule. Denn für sie gibt es keinen Rechtsanspruch auf einen weiteren Schulbesuch. In Wien soll für das Schuljahr 2023/24 aber für alle 313 Schüler:innen ein Platz in einer Wiener Schule garantiert werden, die bis jetzt dafür angesucht haben.
Kinder mit Downsyndrom und anderem „sonderpädagogischen Förderbedarf“ müssen häufig bereits mit 16 Jahren die Schule verlassen. Denn die Bildungsdirektion kann zwar ein 11. und 12. Schuljahr bewilligen, einen Rechtsanspruch gibt es aber nicht. Und weil die Lehrpläne und Ressourcen fehlen, werden die Anträge oft abgelehnt. So wurden in Wien vergangenes Schuljahr von über 300 Anträgen nur knapp 200 bewilligt – für die übrigen wurde kein Schulplatz finanziert.
Doch das soll sich nun ändern: Wien hat zusätzlich 3,6 Millionen Euro bereitgestellt und auch – gemeinsam mit dem Fonds Soziales Wien – Strukturen aufgebaut, um allen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen. Sämtliche 313 Schüler:innen, die für das Schuljahr 2023/24 einen Platz angesucht haben, sollen auch einen bekommen, sagt Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos). Was mit Anträgen passiert, die erst in den nächsten Wochen eintreffen, ist allerdings noch offen.
„In Wien sollen alle Kinder die beste Bildung bekommen – unabhängig vom Förderbedarf. Auch Kinder und Jugendliche mit Behinderung sollen die Möglichkeit haben, dass sie nach der 10. Schulstufe genauso weiterhin im Klassenzimmer lernen können. Von daher haben wir jetzt die Plätze in Wien deutlich aufgestockt und fordern auch entsprechende Schritte vom Bund“, so Bürgermeister Michael Ludwig gegenüber Kontrast.
SPÖ und Neos Wien fordern Rechtsanspruch
Die Initiative „Ich will Schule“ hat vergangenes Jahr den Druck erhöht, um den Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr durchzusetzen. So brachten sie Ende des Jahres mehr als 35.000 Unterschriften im Parlament ein. Darüber hinaus will die Bürgerinitiative auch eine Verfassungsklage durch derzeit drei betroffene Familien einbringen.
Rückenwind bekommt die Initiative auch von der SPÖ. „Es geht darum, dass niemand vom gemeinsamen Leben, Lernen und Arbeiten ausgeschlossen werden darf und für jeden Menschen die vollständige Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen, somit auch und erst recht im Bereich der Bildung, sichergestellt ist”, begründete SPÖ-Bildungssprecherin Petra Tanzler die Forderung nach einem Rechtsanspruch vergangenen Herbst.
Jetzt fordern auch die Neos Wien diesen Rechtsanspruch. „Wir wollen allen Kindern die beste Bildung ermöglichen“, so der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr.