Landwirtschaft

Köstinger setzt Glyphosat-Verbot nicht um – Handel mit Bienen-Gift steigt wieder

93 Prozent der ÖsterreicherInnen sind gegen den Einsatz von Glyphosat. Das österreichische Parlament hat 2019 beschlossen, das Krebs erregende Pestizid zu verbieten. ÖVP  und Grüne haben diesen Beschluss aber nicht umgesetzt.  Mehr noch: Die Mengen von vertriebenem Glyphosat, das vor allem Bienen bedroht, sind seitdem gestiegen.

Seit dem Parlamentsbeschluss 2019 ist nichts geschehen. Nicht einmal ein „Runder Tisch“ fand statt. Ein sogenannter Fristsetzungs-Antrag im November 2019 hätte bei Zustimmung ermöglicht, das schon beschlossene Verbot endlich umzusetzen. Doch ÖVP, Grüne und Neos stimmten dagegen. Die Grünen kündigten einen eigenen Antrag dazu an, brachten ihn aber nie ein.

9 von 10 ÖsterreicherInnen sind gegen Glyphosat – doch es passiert: nichts.

Eine datenbasierte Diskussion ist hier – anders als in Schweden, wo die Daten zum Pestizid-Einsatz seit 1979 veröffentlicht werden – nicht möglich. Denn: Das ÖVP-geführte Landwirtschaftsministerium macht ein Staatsgeheimnis aus der Verwendung von Pestiziden.

Daten zu Glyphosat-Einsatz werden uns vorenthalten

2018 veröffentlichte die AGES das letzte Mal ihre Pflanzenschutzmittel-Statistik. Obwohl das Landwirtschaftsministerium jedes Jahr erheben lässt, welche Pestizide von welchen Herstellern und in welchem Umfang auf Österreichs Äckern landen, erfährt die Bevölkerung nichts darüber. Die Daten werden weder an Wissenschaftler, noch an Parlament oder Medien weitergegeben. Sie werden nur gesammelt, um sie an die EU weiterzuleiten. Die SPÖ forderte bereits vergangenen Juli die Offenlegung dieser Daten. Passiert ist seither wenig.

Für 2020 gibt es noch keine Zahlen, weil Ministerin Köstinger die Frist, nämlich zwölf Monate nach Ende des Berichtsjahres, wie auch im Vorjahr voll ausnutzen will. Im „Grünen Bericht“ des Ministeriums, der die Zahlen und Daten aus Österreichs Landwirtschaft sammelt, gibt es keine Auskunft über den Verkauf oder Einsatz von Glyphosat.

Statt Verbot: Glyphosat-Handel steigt um 10 Tonnen

Eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Cornelia Ecker (SPÖ) ergab: 2019 stieg der Verkauf des Bienen-schädlichen und krebserregenden Pflanzenschutzmittels um 10 Tonnen auf 252 Tonnen im Vergleich zu 2018. Das ist kein großer Sprung, aber auf jeden Fall ein Schritt in die falsche Richtung. Zum Vergleich: 2018 schaffte man eine Senkung auf 242 Tonnen – 2017 waren es noch 329 Tonnen.

Köstinger Glyphosat

Potenziell landeten 2019 252 Tonnen Glyphosat auf Österreichs Feldern.

Grundsätzlich lassen die in Verkehr gebrachten Mengen an Pflanzenschutzmitteln pro Kalenderjahr nur bedingt Rückschlüsse auf die tatsächlich angewendete Menge zu, wie aus der Anfragebeantwortung durch Köstinger hervorgeht. Da liegt dann auch der Hund begraben: Denn Eurostat berichtet nur im fünf-Jahres-Takt.

Andere Länder halbieren Pestizid-Verbrauch, Österreich steigert ihn

Eine Studie von Eurostat aus 2020 zeigt, was Köstinger verschleiert: In Österreich ist von 2011 auf 2018 der Pestizid-Verbrauch um 53 Prozent gestiegen. In den meisten europäischen Ländern blieb er in etwa gleich. Nur in Zypern hat sich der Wert noch stärker erhöht. Die größten Rückgänge meldeten Portugal (-43 Prozent), Irland (-28 Prozent) und Tschechien (-27 Prozent).

Die SPÖ wollte dem Einsatz von Pestiziden nun über andere Wege den Garaus machen. In der Nationalratssitzung im Februar 2021 beantragten die Sozialdemokraten, die finanzielle Unterstützung von Betrieben bei Glyphosat-Einsatz zu beenden. Agrarfördermittel sollten nur mehr landwirtschaftliche Betriebe beziehen, wenn Glyphosat-frei bzw. ohne Breitbandherbizide gewirtschaftet wird. Doch keine der anderen Parlamentsparteien stimmte zu – auch die Grünen nicht.

Stimmt Köstinger in Brüssel für giftige Pestizide?

Global 2000 richtete sich Anfang Februar mit einem offenen Brief an die Minsiterinnen Köstinger und Gewessler: Sie sollten in Brüssel gegen die Zulassung der Umwelt- und Bienen-gefährdenden Pestizide Benfluralin, Cypermethrin und Sulfoxaflor stimmen. Unterzeichnet wurde der Brief von mehreren NGOs, unter anderem Kleinbauern-, Naturschutz- und Bienenschutz-Verbände. Die Antwort fiel aus dem ÖVP-Landwirtschaftsministerium enttäuschend aus. Die entscheidende Information – nämlich ob Österreich sich bislang für oder gegen ein EU-Verbot der drei Pestizide einsetzt – fehlt.

Die Antwort von Köstinger betonte zwar die Wichtigkeit von Bienen, insinuierte aber, die wissenschaftliche Überprüfung der Pestizide sei  nicht abgeschlossen. Das sei so nicht richtig, betont Global 2000. Die Zulassungsbehörden, mit denen auch die AGES eng zusammenarbeitet, haben ein „hohes Risiko für Bienen“ und ein „Langzeitrisiko für Vögel, Säugetiere und Wasserorganismen“ festgestellt.  Vor allem Sulfoxaflor und Cypermethrin erfüllen damit die EU-Zulassungskriterien nicht.

Global 2000 befürchtet, dass Österreich einem EU-weiten Verbot der drei Bienen-gefährdenden Pestizide nicht zustimmt. Mit „Lippenbekenntnissen“ lasse sich das Bienensterben nicht aufhalten, kritisiert die Umweltschutz-Organisation. Die SPÖ hat eine entsprechende Anfrage an die Ministerinnen angekündigt, um für Klarheit zu sorgen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Köstinger in Österreich Bio predigt, während ihr Ministerium in Brüssel für Pestizide lobbyiert. Erst Ende 2020 setzten sich Köstingers Mitarbeiter gegen den Vorschlag aus Frankreich ein, den Pestizid-Einsatz EU-weit zu halbieren. Das Ziel, bis 2030 halb so chemische und „Hochrisiko“-Pestizide einzusetzen, wurde trotzdem im Mai von der Kommission verabschiedet.

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