Das “Kaufhaus Österreich” ist nicht viel mehr als die “Neuauflage der Gelben Seiten”, also des Branchenverzeichnisses in Telefonbuchform. Für diesen Funktionsumfang ist auch der angebliche Preis von 627.000 Euro unverschämt hoch, befindet Stefan Kainbacher, Profi in Sachen Programmierlösungen.
Stefan Kainbacher ist Geschäftsführer, Gründer und Creative Director der Firma BPNXT. Er und seine Mitarbeiter haben bereits Anfang April ein Konzept für eine österreichische Verkaufsplattform erarbeitet. Damit sind sie an verschiedene Stellen beim Ministerium, aber auch bei der WKO inklusive der Sparte “Handel für Österreich” und auch bei den Bundesländern herangetreten. Außer Ablehnung und Desinteresse gab es keine Reaktionen.
Ihr habt im Ministerium für Wissenschaft und Digitalisierung ein Verzeichnis für kleine Händler ohne Internetauftritt angeboten. Inklusive Reservierung und Bestellabläufen zur Corona-gerechten Abholung. Was war hier der Plan?
Während des 1. Lockdowns im Frühling haben sich Schlangen vor den Geschäften gebildet und wir haben überlegt, wie man den Einkauf sicherer gestalten kann. Also wollten wir den Geschäften eine Plattform bieten, wo sie ihr Angebot beschreiben und verlinken können. Dazu war ein virtuelles Schaufenster geplant.
Je nach Ladenfläche und aktuell gültigen Corona-Bestimmungen werden dann Beratungs- und Abhol-Slots generiert und der Kunde kann digital bzw. telefonisch vorbestellen und bekommt einen Termin zugewiesen. Zusätzlich kann man über die Plattform weitere Geschäfte nach Branchen und Angebot suchen bzw. über eine Karte visualisieren und den Einkauf (automatisch) als Tour zusammenstellen.
Alle teilnehmenden Shops werden auch in einem Verzeichnis dargestellt und können darüber gesucht werden. Diese Funktion allein entspricht in etwa dem gesamten Können des aktuellen “Kaufhaus Österreich” …
Das heißt, die Funktionen vom “Kaufhaus Österreich” wären bei auch als Standard inkludiert gewesen ….
Das Verzeichnis, wie es nun im “Kaufhaus Österreich” vorliegt, wäre nur ein logischer Teil davon gewesen. Nachdem wir die Metainformationen, Adressen und Branche bzw. Leistungen erfasst haben, können diese einfach ausgegeben werden. Auch mittels Kartenübersicht, damit ich mich wirklich lokal bewegen kann.
An wen habt ihr euch mit der Idee gewandt?
Wir haben uns bemüht mit dem Ministerium oder der WKÖ in Kontakt zu treten. Leider wurden wir überall abgewimmelt und auf Förderprogramme (teilweise mit Schwerpunkt Corona) verwiesen. Aber auch hier kamen nach Wochen und Monaten nur Absagen herein. Da war es auch schon Sommer und der Lockdown war vergessen und es kam keiner auf die Idee, dass so ein Projekt im Herbst und überhaupt in Zukunft interessant sein könnte.
Du siehst also grundsätzlich einen Sinn in der Idee eines österreichischen Einkaufsportals?
Prinzipiell ja – auf jeden Fall sogar. Allerdings sicher nicht in der vorliegenden Form. Was wir jetzt haben, ist eine Neuauflage der Gelben Seiten. Wenn man mit Amazon und Co. in Konkurrenz treten möchte, gibt es hier verschiedene Möglichkeiten. Vor allem muss man sich fragen, was bei Amazon besonders gut funktioniert und warum die Leute dort einkaufen?
Die Leute mögen etwa die Sortimentsbreite oder die attraktive und transparente Preisgestaltung, ein bewährtes Bewertungssystem, die perfekt organisierte Logistik bis hin zum sicheren Einkaufen und problemloser Rückgabe bzw. Umtausch. Hier könnte man noch viel weiter ins Detail gehen, allein diese Punkte machen den Unterschied schon sehr deutlich.
Ist es realistisch, dass man mit so einem Portal eine relevante Menge von Einkäufen organisieren kann, sodass Amazons Quasi-Monopol wenigstens eine kleine Konkurrenz hat?
Wenn man es richtig macht, auf jeden Fall. Vor allem, weil sehr viele Leute aktuell sensibilisiert sind und Amazon generell vom Steuerschlupfloch in der EU profitiert. Die Frage ist nun: Wo setzt man bei der Lösung an und wo liegt der USP, das Alleinstellungsmerkmal.
Es gibt bereits andere Portale wie geizhals.at oder shöpping.at. Wird das Kaufhaus Österreich eine Konkurrenz für die? Warum hat man nicht bestehende Seiten ausgebaut?
Shöpping ist aktuell sowas wie ein großer Einzelhändler. Das wäre prinzipiell ein Weg, abe es hätte sowas wie Shöpping mit einer Erweiterung um zusätzlichen Händler gebraucht. Das bedeutet natürlich, dass man Schnittstellen bauen muss, damit die Händler die Produkte nicht manuell eingeben müssen. Hier hätte man das Geld investieren müssen. Und zusätzlich bei der Unterstützung der Händler bei der Anbindung der Schnittstellen. Dies ist mit Aufwand und Vorlauf zu schaffen, aber so würde ein echter Marktplatz entstehen. Die Plattform bietet dann Zertifizierungen, Sicherheit und Logistik (z.B. durch die Post). Das wäre dann wie Amazon mit Amazon Marketplace.
Der Ansatz von Geizhals ist der einer Meta-Suchmaschine. Geizhals handelt nicht sondern bietet perfekte Verschlagwortung und Suchoptionen. Das Business-Modell ist der beste Preis- und Feature-Vergleich. Sie bietet daher entsprechende Schnittstellen für eine möglichst unkomplizierte Anbindung.
Gibt es international Beispiele, wie man Amazon ein paar Prozent vom Umsatz abnehmen könnte?
Gibt es genug, allerdings meist spezialisierter wie z.B. mit dem Fokus auf Surf- und Wintersport … Die sind dann wirklich viel besser spezialisiert als Amazon.
Wir haben den 1. Advent hinter uns. Was halten Sie vom Zeitpunkt des Erscheinens von Kaufhaus Österreich am Cyber Monday?
Logischerweise viel zu spät. Die Plattform hätte vor dem 2. Lockdown veröffentlicht werden müssen und dann bereits mit vernünftigem Angebot, damit es auch angenommen wird.
Wie schätzen sie die Funktionalität von “Kaufhaus Österreich” ein?
Extrem dürftig. Das beginnt beim komplett falschen Ansatz und endet bei der fehlerhaften Verschlagwortung und der nicht funktionalen Suche.
Was fehlt dem Shop an Funktionalität? Was würde für den österreichischen Handel hier wirklich nützlich sein?
Es ist kein Shop, sondern lediglich ein Verzeichnis von Onlineshops. Daher erübrigt sich diese Frage. Grundsätzlich ist die Krise eine Chance die digitale Transformation voranzutreiben. Dies war auch unser Ansatz: Auch all die Händler, die keinen Webauftritt haben, einzubinden und ihnen damit den Einstieg in das neue Zeitalter zu erleichtern.
Man muss sich also zuerst fragen, was dem Einkäufer wirklich nutzt und unter welchen Umständen er dann hier einkauft und nicht bei Amazon. Ein Weg wäre zB Abholung statt Zustellung. Das kommt billiger, man kriegt die Ware sofort, es ist besser für die Umwelt.
Beim “Kaufhaus Österreich” ist das Zielpublikum klar: Österreich. Oder wäre es theoretisch möglich, in anderen Ländern Fuß zu fassen?
Wenn man eine gute Plattform hat, kann diese auch außerhalb Österreichs vermarktet werden. Vor allem, wenn hochwertige österreichische Produkte angeboten werden, die im Ausland geschätzt werden.
Ist der Preis (es werden 700.000 Euro kolportiert) für das Kaufhaus Österreich gerechtfertigt?
Für den aktuellen Funktionsumfang ist das Budget einfach nur unverschämt hoch. Die Zahl, die publiziert wurde, lag bei 627.000 Euro. Wenn man einen üblichen Stundensatz von 100 Euro annimmt, sind das 40 Mann-Monate. Was wir hier sehen, ist aber in 1 Mann-Monat technisch umsetzbar. Wenn man Design und Projektmanagement dazu nimmt und großzügig rechnet, kann man von einem Zehntel des Budgets als gerechtfertigt ausgehen. Mich würde die tatsächliche Kostenaufstellung, das Konzept und das Pflichtenheft interessieren. Ich finde es unerhört, dass die Auftragnehmer nicht genannt werden und niemand Stellung dazu nimmt.
Ich habe mir das Kaufhaus Österreich angeschaut. Was bitte soll das sein ? Ich habe nach Computern und EDV gesucht, nach Klamotten, es kam eigentlich nichts heraus womit ich was anfangen konnte. Gibt es in diesem Land eigentlich etwas was man gescheit und richtig machen kann ? Habe da meine Zweifel.