Arbeit & Freizeit

Mehr Lohndruck in Österreich, gegen Mindestlöhne in der EU: Das ist Martin Kocher von der ÖVP

Martin Kocher ist seit Jänner 2021 Arbeitsminister für die ÖVP. Jetzt hat er auch noch die Wirtschaftsagenden dazubekommen. 4,2 Millionen Beschäftigte in Österreich haben also kein eigenes Ministerium, das sich um Politik für sie kümmert. Was können sie sich also erwarten? Kocher hat ohnehin von Beginn an ÖVP-Klientelpolitik gemacht, die einen Niedriglohnsektor fördert – nicht die Beschäftigten. Er ist gegen höhere Mindestlöhne in der EU, hat Lohndumping erleichtert und sorgt für mehr Wettbewerbsdruck am Arbeitsmarkt.

Im Jänner 2021 übernahm Martin Kocher das Amt als Arbeitsminister von Christine Aschbacher (ÖVP), die nach ihrer Plagiatsaffäre zurücktreten musste. Jetzt, nach dem ÖVP-Inserate-Skandal und diverser MinisterInnen-Rücktritte, bekommt Kocher noch die Wirtschaftsagenden dazu. Interessen von Unternehmern? Interessen von Beschäftigten? Offenbar ein und dasselbe, befindet die ÖVP-Grünen-Regierung.

Kocher ist international anerkannter Ökonom und Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts IHS. Er kam als unabhängiger Experte in die Regierung – ohne ÖVP-Parteibuch. An der Arbeitsmarkt-Politik dieser Regierung änderte das jedoch nichts. Kocher macht dieselbe Politik, die man sich von einem ÖVP-Hardliner erwarten würde. Ein Überblick:

– Kumulationsprinzip abgeschafft: Ausbeutung wurde für Unternehmen einfacher

ÖVP und Grüne haben im Juli 2021 die Abschaffung des Kumulationsprinzips beschlossen. Das Prinzip sah vor, dass sich die Strafe mit der Zahl der Geschädigten erhöht. Anders als früher gilt jetzt:

Wer 100 Mitarbeiter zu wenig zahlt, bekommt keine weit höhere Strafe als ein Kleinbetrieb, der zwei Mitarbeiterinnen zu wenig bezahlt. Damit stehen die Strafen nicht mehr im Verhältnis zum Profit, der durch das Lohndumping erzielt wird.

Profitieren werden davon vor allem Unternehmen, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu wenig bezahlen. Es gibt  nicht mal mehr Mindeststrafen. Das heißt: Verstößt ein Arbeitgeber auf Kosten seiner Beschäftigten gegen das Gesetz, muss er unter Umständen nicht einmal den Schaden ausgleichen, den er verursacht hat.

Auf Baustellen arbeiten Arbeitskräfte meist nur ein paar Monate. Auf 100.000 Euro entgangenes Entgelt kommt man da selten, die Strafen würden künftig also sehr niedrig ausfallen.

Wenn Arbeitgeber ihre Beschäftigten unterentlohnen, also ihnen nicht jenes Entgelt bezahlen, das ihnen per Kollektivvertrag zusteht, müssen sie künftig 50.000 Euro bezahlen. Maximal. Bei kleineren Betrieben mit maximal neun Beschäftigten wird die Maximalstrafe sogar mit 20.000 Euro festgesetzt. Zum Vergleich: Zuvor lagen die Strafen je nach Schweregrad zwischen 1.000 und 10.000 Euro pro geschädigtem Arbeitnehmer. Wenn mehr als 3 Arbeitnehmer betroffen waren, mussten Unternehmen sogar bis zu 20.000 Euro pro Arbeitnehmer zahlen. Im Wiederholungsfall sogar 50.000 Euro pro Arbeitnehmer.

Mehr als 50.000 Euro Strafe gibt es künftig nur, wenn auch mehr als 50.000 Euro Entgelt nicht bezahlt wurden. Der reale Schaden für Beschäftigte liegt höher. Für die maximale Strafe sind die Kriterien hoch: Es müssen mehr als 100.000 Euro Entgelt vorenthalten worden sein – und es muss ein Vorsatz nachgewiesen werden. Dann kann ein Arbeitgeber in Summe mit maximal 400.000 Euro belangt werden. Damit ist der wichtigste Grundsatz außer Kraft gesetzt: Dass der „Gewinn“ durch Sozialbetrug niemals höher sein darf als die Strafe.

– Statt Investitionen in Fachkräfte und bessere Arbeitsbedingungen weitet Kocher die „Mangelberufe“-Liste aus

Mangelberufe sind Berufe, für die es in Österreich bzw. im EU-Raum zu wenige Fachkräfte gibt, um den Bedarf zu decken. Konkret: Es sind Berufe, für die weniger als 1,5 Arbeitssuchende pro offener Stelle zur Verfügung stehen. Derzeit gelten 45 Berufe in Österreich als „Mangelberufe“. Nun wollen ÖVP und Grüne insgesamt 66 Berufe zu Mangelberufen erklären. So können Unternehmen einfacher für offene Stellen Arbeitskräfte aus „Drittstaaten“ (nicht EU-Ländern) anwerben.

Das Argument für die Mangelberufe-Liste lautet: Es gibt zu wenige Arbeitskräfte für Jobs etwa in der Gastronomie, im Tourismus und in einigen technischen Berufen. Deshalb muss man in anderen Ländern nach Arbeitskräften suchen. Vor allem die Wirtschaftskammer und ihre Branchenvertreter machen Druck in diese Richtung. Tatsächlich ist es in den meisten Fällen so, dass es zu wenige Arbeitskräfte in Österreich gibt, die bereit sind unter den schlechten Bedingungen in diesen Berufen zu arbeiten – würden die Arbeitgeber die Löhne erhöhen oder die Arbeit attraktiver machen, würde sich das oft ändern.

Vor allem die Gastro- und Tourismus-Branche klagt über Fachkräfte-Mangel.

Insgesamt gibt es in Österreich mehr Arbeitssuchende als offene Stellen. Ende Oktober waren fast 270.000 Jobsuchende beim AMS gemeldet – inklusive SchulungsteilnehmerInnen waren es 341.000. Dem standen wiederum 112.000 Stellen gegenüber, die über das AMS ausgeschrieben waren. Und selbst, wenn man Ausschreibungen hinzunimmt, die außerhalb des AMS-Systems vergeben werden, kam man auf weniger als 250.000.

Die 66 Mangelberufe gelten bundesweit. Zusätzlich dazu gibt es aber auch noch 60 Bundesländer-spezifische Mangelberufe. In Tirol bekommen KöchInnen und KellnerInnen für eine Vollzeitstelle 1.590 Euro. Viele Stellen sind auch nur saisonal ausgeschrieben und beinhalten 6-Tage-Wochen.

Dass eine arbeitsuchende Kellnerin aus Oberösterreich für solche Arbeitsbedingungen ihren Wohnsitz (samt Familie) wechselt, ist wenig wahrscheinlich.

Wenn es für einen Hotelier einfacher gemacht wird, aus dem Ausland einen Kellner für sich arbeiten zu lassen, wird der an den Gehältern, die er bezahlt, nichts ändern. Für niemanden. Im Gegenteil werden immer weniger Menschen eine Ausbildung für diese Berufe ergreifen.

Diese Regionalisierung von Mangelberufen nützt nur der Unternehmer-Seite. Betriebe können in einem erweiterten Pool an verfügbaren Arbeitskräften fischen. Solange, bis sie jemanden finden, der zu billigsten Löhnen arbeitet. Für die schon in Österreich lebenden KellnerInnen gibt es durch die Regionalisierung nicht mehr Jobs. Sehr wohl aber gibt es dann mehr andere KellnerInnen, mit denen sie um die existenten Stellen konkurrieren müssen.

Besonders schlecht gestellt: Arbeiter in der Leder-Industrie

In Lederfabriken hantiert man mit Chemikalien und scharfen Schneide-Maschinen. Insgesamt haben die Beschäftigten in der Lederindustrie ein sieben Mal höheres Risiko, am Arbeitsplatz zu sterben als an einem Durchschnittsarbeitsplatz. Trotz der Unfallrisiken sind die Löhne miserabel und liegen sogar bei Vollzeit unterhalb der Armutsgrenze. Die Unternehmen weigern sich, Löhne an die Inflation anzupassen. Arbeitsminister Kocher verschärft nun den Lohndruck, denn: Kocher hat GerberInnen und GerbarbeiterInnen auf der „Mangelberufe“-Liste  für das Burgenland gesetzt. Unternehmen in der Lederindustrie könnten damit Beschäftigte aus EU-Drittstaaten engagieren und damit den Lohndruck weiter erhöhen.

Schon jetzt sind zwischen 30 und 40 Prozent der Beschäftigten in der Branche sogenannte GrenzgängerInnen. Sie pendeln von ihren Heimatorten in Ungarn oder Slowenien, in die Betriebe in der Steiermark und im Burgenland. Für die einzigen beiden Unternehmen in der österreichischen Lederindustrie „Boxmark“ und „Wollsdorf“ ist es schwer, Personal aus Österreich zu finden. Mit 1.300 Euro Monatslohn kann man in Ungarn leben – in der Steiermark ist das schwierig.

– Mehr Saison-Arbeitskräfte im Tourismus

Das Arbeitsministerium erlässt jedes Jahr für die Saisonarbeit Verordnungen, die für die Sommer- und Wintersaison gelten, wie viele Personen aus Nicht-EU-Staaten im Hotel- und Gastgewerben arbeiten dürfen. Das Kontingent gilt für das gesamte Jahr, eine einzelne Saisonarbeitskraft kann im Normalfall bis zu sechs Monate in Österreich arbeiten. Da aber eine Jahresbetrachtung durchgeführt wird und die Kontingente in Saisonspitzen auch überschritten werden dürfen, können noch mehr Drittstaats-Arbeitskräfte ins Land geholt werden, als die Zahl auf den ersten Blick vermuten lässt.

Diese Beschränkungen haben auch einen Sinn: Sie sollen dafür sorgen, dass man verstärkt innerhalb Österreichs nach Facharbeiter:innen sucht. Denn Österreich hat überdurchschnittlich viele Langzeitarbeitslose, die Arbeitsplätze brauchen.

2022 wird das Kontingent für Saison-Arbeitskräfte um 60 Prozent erhöht.

Doch einige der Beschränkungen weichen Minister Kocher und die Regierung auf. Die Saison-Kontingente für 2022 legt der Arbeitsminister per Verordnung fest. In der Tourismusbranche bringt sie – laut Entwurf – eine Erhöhung um mehr als 60% auf knapp 2.000 Plätze (mit Überziehungsmöglichkeit um bis zu 50%). Für die Land- und Forstwirtschaft und die Erntearbeit bleiben die Kontingente gleich hoch wie 2020 – noch vor der Corona-Krise verordnet – festgelegt wurden.

Zusätzlich zu den oben genannten Kontingenten dürfen auch sogenannte „Stamm-Saisoniers“ in Österreich arbeiten. Auch die will die Regierung im nächsten Jahr um weitere 3.100 Personen erhöhen.

Die Festlegung so hoher Kontingente mitten in der Krise ist nicht nachvollziehbar. Statt die Arbeitsbedingungen in den Branchen zu verbessern und Jobs für die aktuell 371.000 Arbeitslose zu fördern, holt die Bundesregierung mehr Arbeitskräfte aus Drittstaaten nach Österreich, als in den Jahren zuvor.

Eine solche Regelung gibt es zwar in ähnlicher Form bereits, sie ist aber weniger „großzügig“ ausgestaltet, da Saisonkräfte länger in Österreich beschäftigt sein müssen, um als „Stamm-Saisoniers“ zu gelten, wie die Arbeiterkammer kritisiert. All das bedeutet eine Verdrängung österreichischer Arbeitskräfte – und mehr Lohndruck. Denn je größer das Angebot verfügbarer Arbeitskräfte aus In- und Ausland wird, desto stärker der Wettbewerb und der Druck auf Löhne und Gehälter.

– Kocher gefährdet mitten in der Krise den Insolvenzschutz für Beschäftigte – nur um Unternehmen ein Geldgeschenk zu machen

ÖkonomInnen warnen vor einer durch Kurzarbeit und Wirtschaftshilfen hinausgezögerten Insolvenzwelle. Die Folge: Schlagartig höhere Arbeitslosenzahlen. Just zu diesem Zeitpunkt will Arbeitsminister Martin Kocher die Unternehmerbeiträge zum Insolvenzentgeltfonds um 125 Millionen Euro kürzen. Zur Erklärung: Der Insolvenzfonds ist eine Art Versicherung für Mitarbeiter zahlungsunfähiger Unternehmen, in den die Arbeitgeber einzahlen.

Der Insolvenzentgeltfonds soll Beschäftigten von Betrieben, die Pleite gehen, finanziell unterstützen. Jetzt will Kocher ihn schmälern, mitten in der Krise.

Aktuell zahlen Unternehmen 0,2 Prozent der Bruttogehälter in den Fonds ein. Kocher will diesen Beitrag auf 0,1 Prozent halbieren. Aktuell ist der Fonds mit 870 Millionen Euro ausgestattet, durch die Beitragskürzungen halbiert sich das Guthaben bis 2024 auf rund 400 Millionen.

Industriellenvereinigung (IV) und die Wirtschaftskammer (WKÖ) sind erfreut. Die SPÖ, Gewerkschaften, aber auch die FPÖ, kritisieren das Geldgeschenk an Unternehmen durch den Arbeitsminister. „Niemand kann vorhersagen, wie viele Insolvenzen auf uns zukommen, wenn die Wirtschaftshilfen auslaufen. Mitten in der Pandemie den Insolvenzentgeltfonds zu halbieren ist unverantwortlich“, sagt GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Nach der großen Köst-Senkung für Unternehmen um 750 Millionen Euro und großzügigen Wirtschaftshilfen aus Steuergeldern wäre das ein weiteres Unternehmer-Zuckerl von 125 Mio. Euro.

– Kocher verweigerte Zustimmung für höhere EU-Mindestlöhne

In Polen verdienen ArbeiterInnen ziemlich genau ein Drittel (33,2%) dessen, was ArbeiterInnen in Österreich verdienen. Da hat sich auch in den letzten 10 Jahren kaum etwas bewegt, die Lohnunterschiede in der EU sind kaum kleiner geworden. Das liegt vor allem daran, dass in vielen Ländern Süd- und Osteuropas das Kollektivvertragssystem in den Jahren seit der Finanzkrise zerstört wurde – nicht zuletzt auf Anraten der EU.

Die EU-Kommission und eine große Mehrheit im EU-Parlament wollen diese Situation nun ändern und schlagen einen höheren Mindestlohn für Beschäftigte in Europa vor. Doch Österreichs Arbeitsminister Martin Kocher ist dagegen. Er steht dem Vorschlag für eine EU-Richtlinie zu Mindestlöhnen „skeptisch“ gegenüber.

In Brüssel kursiert seit Anfang des Jahres ein Brief, der von Kocher unterzeichnet wurde – gemeinsam mit Ministern aus acht weiteren EU-Ländern. Darin machen sie klar, dass sie keine verbindlichen Vorgaben zu Mindestlöhnen wollen, sondern bloß Empfehlungen.

„Wir denken, dass eine Empfehlung ein besseres rechtliches Instrument ist, weil es den Mitgliedsstaaten die Flexibilität ermöglicht, die Ziele des Vorschlags zu erreichen“, schreiben Kocher und Minister-Kollegen im Brief.

Heißt übersetzt: An Empfehlungen müssen sich die Staaten nicht halten, weshalb sie „flexibler“ in Bezug auf Mindestlöhne bleiben.

Er ist gegen höhere Mindestlöhne in der EU: Martin Kocher. (Foto: Bundeskanzleramt/Christopher Dunker)

Als im Juni ein Fortschrittsbericht zum Thema Mindestlohn sowie ein Kompromissvorschlag der portugiesischen Ratspräsidentschaft präsentiert wurde, hielt Kocher an der Ablehnung fest.

Im Dezember verweigert er jetzt seine Zustimmung beim EU-Sozialgipfel für weitere Verhandlungen im Trilog, also dem eigentlichen Verhanldungsprozess zwischen EU-Rat, EU-Parlament und EU-Kommission. Dennoch stimmte eine Mehrheit für die Verhandlungen, die jetzt starten können – gegen Österreichs Willen.

– Aufreger: Kocher findet, es gibt zu hohes (!) Pflege-Angebot, deshalb sind die Gehälter schlecht

Martin Kocher ist Verhaltensökonom und lehrte lange an der Universität München, die für ihre neoklassische Tradition bekannt ist. Gerechtigkeit ist für Kocher nicht zentral, wenn es um Arbeitsmarkt-Fragen geht, wie er 2018 gegenüber der Wiener Zeitung erklärte:

 „Mehr Gerechtigkeit führt zu einem Verlust an Effizienz“, sagt Kocher damals.

Was er damit meint? „Die Gefahr ist, wenn etwas öffentlich und gerecht organisiert ist, dass es wenig Innovation und Dynamik gibt.“ Kocher ist es lieber, wenn der Markt frei agieren kann – das betrifft auch den Wert der Arbeit.

So rechtfertigte der Arbeitsminister auch die niedrigen Löhne im Pflegebereich. Obwohl das Pflegepersonal in der Corona-Krise für den Bestand des Gesundheitssystems sorgt, „wird der Wert von Pflege gering bemessen, weil sie kaum spezifische Fähigkeiten erfordert, und es zu viel Angebot am Arbeitsmarkt gibt“, sagt Kocher als Arbeitsminister im ZIB2-Interview.

Wir fassen zusammen: Er schreibt nicht nur das Fachwissen im Bereich Gesundheit ab, sondern behauptet angesichts einer drohenden Pflegekrise, dass es zu viel (!) Angebot gibt.

– 9 von 10 Arbeitslosen arm oder armutsgefährdet – aber Kocher ist gegen höheres Arbeitslosengeld

Die Armutsgrenze in Österreich liegt für eine Person bei 1.328 Euro. Sieht man sich an, wie viel Geld Jobsuchende im Monat zur Verfügung haben, zeigt sich: 9 von 10 Arbeitslose leben an oder unter der Armutsgrenze. Erhoben hat diese Zahlen das SORA-Institut im Auftrag des Momentum-Instituts. Viele kommen nur schlecht über die Runden, weil ihnen durch den Jobverlust plötzlich die Hälfte ihres Einkommens fehlt, die Lebenshaltungskosten aber gleich geblieben sind. Die Folgen: Jobsuchende verharren in einer Notsituation. Die Lösung wäre ein höheres Arbeitslosengeld – das würde auch die Wirtschaft ankurbeln.

In Österreich liegt das Arbeitslosengeld bei nur 55 Prozent des letzten Einkommens. Andere europäische Staaten, wie die Schweiz (79 %), Portugal (76 %), Dänemark (74 %) oder die Niederlande (74 %) haben deutlich höhere Nettoersatzraten – das heißt: Jobsuchende bekommen einen höheren Anteil ihres letzten Gehalts. Selbst bei einer sehr langen Arbeitslosigkeit von 24 Monaten haben Frankreich (64%), Belgien (65%) und Dänemark (83%) höhere Sätze.

„Die niedrige Rate von 55 Prozent in Österreich stammt aus einer Zeit der Vollbeschäftigung, als Menschen nur sehr kurz arbeitslos waren und nur ein paar Woche überbrücken mussten. Für längere Phasen der Arbeitslosigkeit ist der Satz zu niedrig“, sagt AMS-Vorstand Herbert Buchinger.

Bereits in seinen Antrittsinterviews sprach sich Kocher gegen ein höheres Arbeitslosengeld aus. Stattdessen will er ein „degressives Modell“: Also Arbeitslosengeld, dessen ausbezahlte Summe mit der Zeit sinkt. „Wenn man das Arbeitslosengeld jetzt erhöht, wird es schwierig sein, es wieder abzusenken“, sagte Kocher schon im Juni 2020 der Kleinen Zeitung. Auch als Minister bekräftigte er seine Position dahingehend in der „ZIB 2“. Laut Umfrage sind 63 Prozent der Menschen in Österreich für ein höheres Arbeitslosengeld.

– Gegen die 4-Tage-Woche, gegen Arbeitszeitverkürzung

Den Vorschlag einer geförderten 4-Tage-Woche, um die Arbeit besser zu verteilen, lehnt Kocher ab. In den Betrieben würden höhere Kosten entstehen. „Das könnte zur Folge haben, dass man schlechter dasteht, wenn der Wirtschaftsaufschwung einsetzt.“ Eine Arbeitszeitverkürzung „erhöht die Lohnkosten“ und „wäre schlecht für den Standort“.

– Für Sonntagsöffnung und liberalisierte Öffnungszeiten

Auf Twitter äußert sich Kocher immer wieder positiv zu längeren Öffnungszeiten im Handel. Der Arbeitsminister sprach sich auch für die Sonntagsöffnung aus – zumindest am Sonntag vor Weihnachten. Dass Supermärkte während des Lockdowns kürzere Öffnungszeiten haben, weil die Handelsangestellten sich das wünschen, kritisierte Kocher auf Twitter.

– Ein Jahr vor Corona wollte Kocher noch weniger Spitalsbetten als „Einsparung“

Als Einsparungsmöglichkeit im Sozialbereich nannte Martin Kocher 2019 den Abbau von Spitalsbetten. Auch damit liegt er auf einer Linie mit vielen neoliberalen Experten, die jahrelang weniger Intensivbetten in Österreich gefordert haben. Dass Österreichs Sozialversicherung ihnen nicht gefolgt ist, kommt uns während der Pandemie allen zugute. Allerdings setzt sich Kocher als Minister auch nicht für bessere Arbeitsbedingungen in den Pflege- und Gesundheitsberufen ein. 

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1911 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1911 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 16%, 511 Stimmen
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    511 Stimmen - 16% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 388 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    388 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 301 Stimme
    9% aller Stimmen 9%
    301 Stimme - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 165 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    165 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 3276
12. März 2024
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