Die Regierung hat sich „Schuldenabbau“ zum Ziel gesetzt und kürzt auf dem Rücken der Schwächsten. Dabei müsste sie das gar nicht: Denn laut WIFO sinkt die Schuldenquote durch die gute Konjunktur ohnehin. Der Regierung geht es darum, unsoziale Politik zu machen – und es mit der Staatsverschuldung zu rechtfertigen. Dabei verschweigen sie: Der Staat funktioniert nicht wie ein Familienhaushalt. Wenn der Staat bei Sozialleistungen spart, können am Ende sogar mehr Kosten entstehen.
Wenn die ÖVP ihre Kürzungspolitik bei Sozialleistungen rechtfertigen will, appelliert sie gern an den „Hausverstand“. Sie vergleicht den Staat mit einem Betrieb oder einer Familie. Die Rechnung, dass man mehr Geld hat, wenn man weniger ausgibt, wirkt logisch: Es gibt ein Familieneinkommen, das stabil ist und jedes Monat einlangt. Wohn- und Lebenskosten werden abgezogen. Wenn eine Familie bei ihren Ausgaben spart, hat sie am Ende des Monats mehr Geld. Klar.
Doch beim Staat ist das anders: Der Staat ist kein Familienhaushalt. Der Staat ist eine Volkswirtschaft mit vielen Wechselwirkungen. Weniger staatliche Ausgaben bedeuten nicht unbedingt weniger Defizit oder ein ausgeglichenes Budget. Ausgaben sind hier nämlich nicht einfach „Verbrauch“. Ausgaben sind Investitionen, die am Ende in Aufträge für Unternehmen und in Arbeitsplätze fließen. Diese wiederum bringen Mehreinnahmen für den Staat. Denn Investitionen in Wirtschaft und Arbeitsmarkt bedeutet weniger Sozialtransfers. Solche Investitionen können mehr zum „Sparen“ beitragen als Kürzungen.
Wenn bei Leistungen wie dem Arbeitslosengeld, der Mindestsicherung, der Notstandshilfe gekürzt wird, hat das auf den ersten Blick nur negative Folgen für die BezieherInnen. Schlussendlich leidet aber die Allgemeinheit darunter. Denn gibt es mehr Haushalte, die kein oder kaum Einkommen haben.
Weniger Einkommen bedeutet, dass weniger konsumiert wird, die Nachfrage nach Gütern sinkt. Unternehmen machen weniger Umsatz, müssen auf Dauer ihre Produktion zurückfahren – und am Ende ArbeitnehmerInnen entlassen.
Die Entlassenen wiederum haben durch Kürzungen bei Sozial- und Versicherungsleistungen zu wenig, um zu konsumieren. Es ist ein Teufelskreis. Die Zahl der von Armut betroffenen und Gefährdeten steigt – wie auch die Kosten, die aus mehr Armut entstehen.
In einer Volkswirtschaft schadet es am Ende allen, wenn nach unten getreten wird. Die Direktoren der Caritas haben kritisiert, dass durch die Kürzungen beim AMS mehr Menschen in die Armutsfalle rutschen und sich nicht mehr das Nötigste kaufen können:
Wer Schulden abbauen will, muss investieren. Klingt paradox, aber wirtschaftlich gesehen logisch. Ausgaben für Infrastruktur, für den Arbeitsmarkt, für Armutsbekämpfung, für Gesundheitsversorgung, für Integration und für Nachhaltigkeit bedeuten in the long run mehr Staatseinnahmen. Denn es sind Investitionen in Jobs, in Konsum, in ein besseres Verkehrsnetz, in Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, in besseres Zusammenleben und in weniger Umweltschäden. Das bedeutet in Folge mehr Einnahmen durch Abgaben auf Löhne, Gehälter, Konsum und Unternehmensgewinne. Einnahmen, mit denen der Staat Zinsen abbezahlt und Schulden abbaut.
Runter mit dem Schuldenstand, lautet das Motto von ÖVP-Finanzminister Löger. Allein 2018 wollen ÖVP und FPÖ die Ausgaben um 2,5 Milliarden kürzen. In den nächsten fünf Jahren soll der Schuldenstand des Landes man unter die 70-Prozent-Marke rutschen. Klingt ambitioniert? Ist es nicht.
Die Prognose des WIFO zeigt: Schon 2020 wird dieses Ziel erreicht sein. Dank des starken Wirtschaftswachstums wäre 2019 ein Nulldefizit möglich, 2020 sogar ein Budgetüberschuss. Ganz ohne Kürzen bei den Schwächsten. Denn Investitionen in Wirtschaftswachstum und einen dynamischen Arbeitsmarkt schaffen eine gute Einkommenssituation. Und schlussendlich weniger Schulden.
Durch das gute Wirtschaftswachstum hat der Schuldenstand Österreichs zwischen 1995 und 2007 zwischen 63 und 68 Prozent des BIP betragen. Dass der Schuldenstand in den Jahren darauf plötzlich angewachsen ist, hat mit der Banken- und Wirtschaftskrise zu tun und den Bankenrettungspaketen. Es waren nicht der „teure Sozialstaat“ oder die Bevölkerung, die „über ihre Verhältnisse“ gelebt hätte, für den höheren Schuldenstand verantwortlich. Stattdessen waren es Banken, die mit Immobilien spekuliert haben.
Ausbleibendes Wirtschaftswachstum in den Jahren der Krise und die Rettung von Pleitebanken haben die Quote in die Höhe schnellen lassen. ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen, MigrantInnen, Jobsuchende – sie alle haben mit der steigenden Schuldenquote nichts zu tun.
Der Regierung geht es darum, bei sozial Schwachen zu kürzen. Der „Schuldenabbau“ soll diese Politik rechtfertigen. Mit dieser Erzählung lenken ÖVP und FPÖ davon ab, was mit dem frei gewordenen Geld passiert, das bei Jobsuchenden oder Kindern aus MigrantInnenfamilien gestrichen wird: Es wird verwendet, um Steuergeschenke für Unternehmen zu finanzieren. Die Regierung „spart“ nicht – sie betreibt Umverteilung, von unten nach oben.
Zum Weiterlesen:
Jeder Euro für den Arbeitsmarkt rechnet sich bereits nach 5 Jahren (Kontrast.at)
12-Stunden-Tag, steigende Mieten und Steuergeschenke für Konzerne (Kontrast.at)
Wie sozial ist die FPÖ? Ein Faktencheck (Kontrast.at)
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