Rund 900 junge Asylwerberinnen und Asylwerber machen eine Lehre in einem Mangelberuf, 500 sind von einer Abschiebung betroffen. Die Hälfte davon in der Gastronomie. Für sie fällt keine Grundversorgung an und sie zahlen in die Sozialversicherung ein. Dennoch weigerte sich die ÖVP bis zuletzt, ihre Abschiebung zu stoppen.
Zwei Wochen vor Weihnachten wird ein 22-jähriger Afghane von der Polizei aus einem Kloster in Langenlois geholt, um nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Eine Woche davor wurde ein afghanischer Koch-Lehrling aus Bad Goisern aus seinem Leben in Österreich gerissen, um von der Polizei nach Afghanistan abgeschoben zu werden.
Die jungen Männer werden als fleißig und gut integriert beschrieben. Ihre Arbeitgeber, Kollegen und Nachbarn sind geschockt und protestieren – ohne Erfolg. Auch eine große Mehrheit der Österreicher (67% laut aktueller Profil-Umfrage) ist dagegen, Asylwerber, die eine Lehre machen, abzuschieben. Dennoch werden weiter laufend Lehrlinge abgeschoben.
Abschiebung ins lebensgefährlichste Land
Und zwar auch nach Afghanistan, das zweit unsicherste Land der Welt. In 32 der 34 afghanischen Provinzen herrschen gewaltsame Konflikte. Kabul ist ein lebensgefährlicher Ort; dort gibt es momentan so viele Anschlägen wie seit Jahren nicht mehr. Über Afghanistan schreibt das österreichische Außenministerium:
„Im ganzen Land besteht das Risiko von gewalttätigen Auseinandersetzungen, Raketeneinschlägen, Minen, Terroranschlägen und kriminellen Übergriffen einschließlich Entführungen, Vergewaltigungen und bewaffneter Raubüberfälle.“
Junge Asylwerber erlernen in Österreich Mangelberufe, werden gebraucht und sind willkommen, doch der Staat schiebt sie ab und bringt sie damit in Lebensgefahr. Es entsteht der Eindruck, dass mit den Abschiebungen noch „rasch Fakten geschaffen werden sollen, die die abgeschobenen Personen in Lebensgefahr bringen, und die alle Ausbildungs- und Integrationsbemühungen zunichte machen”, heißt es aus Langenlois. Denn diese Woche soll der Abschiebe-Stopp von Asylwerbern in Lehre Thema im Parlament sein.
Halbherzige Lösung mit ÖVP
Die Schulschwestern in aus Langenlois reagierten mit einer Petition an den Bundespräsidenten, auch der Langenloiser Bürgermeister Harald Leopold (ÖVP) hat unterschrieben. Die Langenloiser wünschen sich, dass zumindest der Parlamentsbeschluss zu Asylwerbern in Lehre abgewartet werden soll.
ÖVP und FPÖ haben den Abschiebestopp lange verhindert. Nach der Wahl hat die ÖVP eingelenkt, im Dezember soll eine Einigung beschlossen werden: Wer in Österreich eine Lehre in einem Mangelberuf absolviert, soll nicht mehr abgeschoben werden. Bis zuletzt war unklar, ob die Regelung auch für jene Lehrlinge gilt, die seit der ÖVP-FPÖ-Gesetzesänderung, die Lehrlings-Abschiebungen erlaubte, einen negativen Asylbescheid erhielten.
Die SPÖ verhandelte bis kurz vor der Nationalratssitzung mit ÖVP, Grünen und Neos. Das Ergebnis: Es herrscht nun Rechtssicherheit für die 800 Betroffenen. Sie können jetzt zumindest ihre Lehre in Österreich abschließen.
„Dieses Ergebnis, wonach AsylwerberInnen in Österreich eine begonnene Lehre jetzt auch abschließen können, ist im Sinne der Humanität, der Menschlichkeit und auch im Interesse der österreichischen Wirtschaft“, so SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner.
Ob Asylwerber nach dem Abschluss der Lehre auch um die Rot-Weiß-Rot-Karte ansuchen können, ist unklar. SPÖ, Grüne und Neos sind dafür.
ÖVP-FPÖ gegen Asylwerber in Lehre
Im Herbst 2018 hat die Regierung Asylwerbern verboten, eine Lehre in einem Mangelberuf zu absolvieren. Damit erntete sie harte Kritik, auch aus den eigenen Reihen und aus der Wirtschaft. Reinhold Mitterlehner, ehemaliger Vizekanzler und ÖVP-Chef, sagte etwa:
„Ich war neun Jahre Wirtschaftsminister und finde es ökonomisch sinnvoll, dass diejenigen, die da sind, auch eine entsprechende Ausbildung machen.“ Das minimiert auch den Fachkräftemangel.“ (Reinhold Mitterlehner, „Pro und Contra“ vom 5. September 2018)
Wenn Asylwerber eine Lehre absolvieren, brauchen sie keine Grundversorgung und zahlen Sozialversicherung. Insgesamt hat das Österreich 2018 10,6 Millionen Euro gebracht, wie das Sozialressort des Landes Oberösterreich berechnet hat.
Nach wie vor ist die Regelung in Kraft, nach der Asylwerber in Österreich keine Lehre mehr beginnen dürfen – sie bleiben zum Nichtstun verdammt. Doch jene, die gerade eine Lehre absolvieren, dürfen sie zumindest abschließen.
Zum Weiterlesen
Asylwerbern wird Lehre verboten – trotz Fachkräftemangel (Kontrast.at)