Jugendliche suchen Ausbildungsstellen. Und viele Gemeinden brauchen Lehrlinge. Eigentlich ein guter Ausgangspunkt. Doch die Gemeinden können die Stellen nicht finanzieren – auch wegen Corona. Bis zu 10.000 Lehrstellen fehlen im Herbst, sagen Experten. 21 Bürgermeister haben sich in einem offenen Brief jetzt an die Regierung gewandt und verlangen, dass der Bund die Kosten übernimmt, damit sie Lehrlinge ausbilden können. Damit würde dem Lehrlingsmangel in den Gemeinden entgegengewirkt und die Jugendlichen können sich eine Zukunftsperspektive erarbeiten.
Zahl der jungen Arbeitslosen steigt
Die Corona-Krise erschwert jungen Menschen die Suche nach einer Lehrstelle oder einem Arbeitsplatz massiv. „Die Einstiegsarbeitsmärkte sind verstopft“, so Wifo-Ökonomin Julia Bock-Schappelwein. Die Zahl der offenen Stellen ist gesunken, die Arbeitslosigkeit nach oben geschossen. Die Lehrstellenlücke – die Differenz zwischen offenen Lehrstellen und Lehrstellensuchenden – war bereits im Juli bei 5.500. Damit war sie um 2.500 höher als im Vorjahr – das ist ein Plus von 83 Prozent. Und diese Zahl wird noch steigen: ÖGB, Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer sind sich einig, dass im Herbst dieses Jahres bis zu 10.000 Lehrstellen fehlen werden.
Gemeinden verlieren 2,2 Mrd. Euro
Auch den Gemeinden bricht die Finanzierung weg. Sie stehen vor dem Finanzkollaps, denn der Wegfall von Steuereinnahmen durch Corona trifft sie besonders hart. Das Hilfspaket der Regierung deckt gerade einmal die Hälfte der tatsächlichen Krisen-Kosten. 1 Milliarde wurde im Mai beschlossen – klingt viel, doch gebraucht wird mindestens das Doppelte. Experten schätzen den Bedarf der Gemeinden auf 2,2 Mrd. Euro.
“Die Auswirkungen der Corona-Krise sind dramatisch. Gelder für Kindergärten, Sanierungen oder Neubauten fehlen und die Leistungen in der Daseinsvorsorge für die BürgerInnen in den Kommunen sind massiv in Gefahr”, heißt es im offenen Brief.
Und das trifft die Bevölkerung unmittelbar. Schließlich gibt es keine andere staatliche Institution, die wir so direkt spüren wie die Gemeinden. Freibäder, die Müllentsorgung oder auch die Wasserversorgung fällt in die Zuständigkeit der Gemeinden. Die Bürgermeister würden gerne ihren Jugendlichen auch direkt helfen. Arbeit gäbe es. Doch sie haben zu wenig Geld – und das, was da ist, reicht oft kaum, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Der Bürgermeister von Steyr Gerald Hackl würde am liebsten 10 junge Menschen aufnehmen – doch das ist angesichts der Finanzen undenkbar. Einige wenige wird er trotzdem aufnehmen. Die Ausbildungsstellen wären vielfältig, vom Kaufmann bis zum Bestatter.
Endlich schuldenfrei – dann kam Corona
Hackl kennt das Problem der Gemeindefinanzierung schon aus der letzten Wirtschaftskrise. Acht Jahre lang habe man dort das Budget saniert. 2019 konnte man erstmals wieder ein Plus einfahren. 2020 kommt Corona. Er fordert vom Bund und vom Land, dass sie sich an den Kosten beteiligen.
“Dass Kredite aufgenommen werden müssen, ist unumgänglich. Die Frage ist nur, wer das macht: Der Bund, die Bundesländern oder die Stadt. Der schwarze Peter wird jetzt den kleinsten, also den Gemeinden und Städten zugeschoben”, sagt Hackl
Er ist einer, der 21 SPÖ-Bürgermeister, die sich in einem offenen Brief an die Bundesregierung wenden, um auf das Problem der Lehrlinge aufmerksam zu machen.
Bund muss die Kosten tragen
Um die Jugendarbeitslosigkeit einzudämmen, brauchen die Gemeinden ein Paket, das ihnen ermöglicht, Lehrlinge aufzunehmen. Mit den projektbezogenen Förderungen aus dem gültigen Gemeindepaket ist das nicht zu schaffen. Realistischerweise funktioniert das nur, wenn die Bundesregierung die Kosten, die den Gemeinden durch die zusätzlichen Ausbildungsplätze entstehen, zu 100 Prozent übernimmt.
„Wenn wir uns jetzt nicht um diese jungen Menschen kümmern, wird es eine verlorene Generation geben“, betont der Trumauer Bürgermeister Andreas Kollross.
Studien geben ihm recht. Nicht nur menschlich, auch finanziell ist es wichtig junge Menschen heute gut auszubilden – denn das schützt nachhaltig vor Arbeitslosigkeit.
Der ganze offene Brief als PDF.