Das Vermögen konzentriert sich von Jahr zu Jahr stärker in den Händen der Reichsten. Vermögenssteuern gab es in der Geschichte immer wieder, um dem entgegenwirken. Doch nicht immer brachten sie die erwünschten Erfolge. Die Ökonomen Emmanuel Saez und Gabriel Zucman widmen sich in einem aktuellen Bericht der Frage, wie eine Vermögenssteuer funktionieren kann und woran die Steuern gescheitert sind.
Vermögen ist enorm ungleich verteilt. Sowohl weltweit, als auch in Österreich – zusätzlich verstärkt durch die Coronakrise. Erst kürzlich zeigte eine Studie der Nationalbank, dass Reichtum hierzulande noch ungleicher verteilt ist, als zuvor angenommen. Das reichste Prozent besitzt demnach rund 50 Prozent des gesamten Vermögens. Die Stimmen für eine gerechte Millionärsabgabe werden immer lauter, auch die Mehrheit der Bevölkerung in Österreich ist für Vermögenssteuern und zuletzt haben sogar Millionär:innen selbst höhere Steuern gefordert. Für die ÖVP kommt eine Besteuerung der Reichen aber nicht infrage, obwohl seit Jahren über den massiven Anstieg ihres Vermögens berichtet wird.
Seit Jahren ist bekannt, dass Reiche immer reicher werden. Die ÖVP will daran nichts ändern. (Quellen: Wiener Zeitung, TT, standard.at, Kurier)Vermögenssteuern: Einnahmen zu niedrig, weil die Gesetze schlecht gemacht waren
In der Geschichte sind Vermögenssteuern ein wirksames Mittel, um der steigenden Ungleichheit entgegenzuwirken. Doch in den letzten Jahrzehnten sind die Steuern auf Vermögen stark gesunken. Derzeit besteuern nur vier Länder in Europa das Nettovermögen oder den gesamten Besitz der Wohlhabenden: Frankreich, Norwegen, Spanien und die Schweiz. In den letzten 30 Jahren haben sieben europäische Staaten ihre Vermögenssteuern abgeschafft – darunter auch Österreich. Als Gründe nannte man, dass die Einnahmen hinter den Erwartungen zurückblieben und die neoliberale Sichtweise, dass Vermögenssteuern die Reichen aus Österreich vertreiben könnten.
Doch auch dort, wo es noch Vermögenssteuern gibt, sind sie zahnlos und bleiben hinter den Erwartungen zurück. Das ist keine Notwendigkeit, sondern politisch so gewollt, wie die Ökonomen Zucman und Saez erklären:
„Die Gründe für das Scheitern der europäischen Vermögenssteuern sind politischer, nicht wirtschaftlicher Natur.“
Zahlreiche Ausnahme-Regelungen, Steuerwettbewerb und fehlende Vermögensdaten als Probleme
Die Ökonomen schreiben von drei wichtigen Gründen, warum Vermögenssteuern oftmals nicht erfolgreich waren:
Erstens waren die Freibeträge oft zu niedrig, sodass auch die obere Mittelschicht davon betroffen war. Wenn Ausnahmen eingeführt wurden, haben am Ende die Ultra-Reichen am meisten davon profitiert – und nicht der Mittelstand. So wurde oft mit möglichen Zahlungsschwierigkeiten von “kleinen Familienbetrieben” argumentiert, um die Steuersätze zu senken und bestimmte Vermögensformen wie Eigenkapital in Unternehmen auszunehmen. Das Ergebnis: ein schrittweises Aushöhlen der Steuer.
Zweitens haben die EU-Länder nie versucht, das Problem des Steuerwettbewerbs ernsthaft anzugehen. Die Reichen können den Vermögenssteuern in einem Land ausweichen, denn für sie ist es ein leichtes Spiel, große Vermögen in das Land mit den niedrigsten Steuern zu verschieben. Dieses Argument verwendet auch Arbeitsminister Kocher (ÖVP), um Vermögenssteuern zu verhindern.
„So eine Steuer gibt einen großen Anreiz, den Wohnsitz zu verlagern“, sagt Martin Kocher zu Vermögenssteuern.
In weiterer Folge führt das dazu, dass sich Länder mit ihren Steuersätzen unterbieten, die Steuern auf Vermögen in ganz Europa sinken und die Vermögensungleichheit steigt.
Drittens verweisen Zucman und Saez darauf, dass Vermögen zu schlecht erfasst und die Steuer zu lasch durchgesetzt wird. Meistens basiert die Steuer auf selbst angegebenem Reichtum. Anders als bei der Steuer auf Arbeitseinkommen, die automatisch an das Finanzamt überwiesen wird. Auch in Österreich war ein Grund für die Abschaffung der Vermögenssteuer 1993, dass Privatpersonen durch das Bankgeheimnis geschützt waren und somit kaum Steuern zahlten.
So funktioniert eine Vermögenssteuer heute
Doch das heißt nicht, dass Vermögenssteuern nicht funktionieren können. Die Ökonomen Zucman und Saez ziehen einige Lehren aus der Geschichte:
Erstens sollte man von Anfang an nur das Vermögen der Ultra-Reichen besteuern. Damit verhindert man, dass mögliche Zahlungsschwierigkeiten von mittelständischen Unternehmen als Argument verwendet werden können, um die Steuer gleich wieder auszuhöhlen. Darüber hinaus sollte es die Möglichkeit geben, die Steuer in Form von Aktien zu bezahlen. So lässt sich auch Unternehmenseigentum besteuern, wenn es keine Einigkeit über den Unternehmenswert gibt. Der Staat versteigert dann die Aktien und erhält so die Steuereinnahmen.
Grundlage für das Funktionieren sind in jedem Fall umfassende Informationsberichte über die Einkünfte der Reichsten. Die sollen nicht von den Vermögenden selbst, sondern von Dritten an die Steuerbehörde gemeldet werden.
„Moderne Steuerbehörden haben Zugriff auf eine Vielzahl von Informationen, einschließlich Unternehmensbilanzen, die es ihnen ermöglichen, große Privatunternehmen zu bewerten“, steht in dem Bericht.
Um zu verhindern, dass Personen ihren Wohnsitz wechseln, um der Steuer zu entgehen, könnte die Steuer einerseits an die Staatsbürgerschaft gekoppelt sein (wie in den USA) und andererseits noch einige Jahre nach ihrer Ausreise eingehoben werden. In einem Vorschlag von US-Senatorin Elizabeth Warren ist beispielsweise eine 40 prozentige Vermögenssteuer vorgesehen, wenn Personen aus Steuergründen ihre Staatsbürgerschaft hergeben. Hilfreich ist auch, dass es seit 2017 einen jährlichen automatischen Austausch von Steuerinformationen zwischen den Ländern gibt. Ein Schritt in die richtige Richtung, um Steuerflucht und damit Steuerdumping zu erschweren.
„Steuerwettbewerb ist eine politische Entscheidung, kein Naturgesetz“, wie Zucman und Saez schreiben.
Wenn das reichste Prozent 1 Prozent Steuer zahlt, bringt es dem Haushalt 4 Milliarden Euro
Wenn Österreich eine progressive Vermögenssteuer ab 1 Million Euro einführen würde, würde das zusätzliche Einnahmen von 11 Milliarden Euro bringen. Mit diesem Geld könnten wir etwa eine armutsfeste Mindestsicherung, eine Jobgarantie für Langzeitarbeitslose und ein Qualifizierungsgeld für Fachkräfteausbildungen einführen. Wir könnten das Arbeitslosengeld auf 70% erhöhen, 500 AMS-Berater:innen neu einstellen und Schulen finanziell aufstocken, wie Wirtschaftsexperte Marterbauer erklärt. Es wäre zehnmal so viel Geld, wie die Kindergrundsicherung jährlich kostet – die dafür sorgen würde, dass kein Kind in Österreich mehr in Armut aufwachsen muss.