Schwarz-Blau

Diese Zahlen sagen alles über die Regierung

Das erste Budget der ÖVP-FPÖ-Regierung ist da. Und es verrät viel über die Prioritäten der neuen Koalition: Gekürzt wird bei Schülern, Lehrlingen, Jobsuchenden und bei der Justiz. Großzügig ist man bei Hoteliers, Familien mit guten Einkommen und bei sich selbst.

Dass das Budget 2018/2019 keine neuen Schulden macht, überrascht keinen Experten. Die gute Wirtschaftslage gibt dem Finanzminister einen weitaus größeren Spielraum als seinen Vorgängern – seit 2015 ist das österreichische Budget ausgeglichen. Das groß inszenierte Nulldefizit hätte sich – so sagen die Budgetkenner – auch ohne Kürzungen von selbst gemacht. Außerdem kommen der Regierung die weltweit gute Wirtschaftslage und diverse „Einmaleffekte“ zugute. Das sind zum Beispiel höhere Gewinnausschüttungen der Bundesimmobiliengesellschaft oder der ASFINAG, aber auch Erlöse aus der Versteigerung der Mobilfunklizenzen. 826 Mio. Euro kommen allein aus dem Vergleich, den Österreich mit dem Bayern über die Hypo-Alpe-Adria geschlossen hat.

Einig sind sich Experten darin, dass die Regierung erstmals seit langem Geld für sinnvolle Investitionen zur Verfügung hätte – Geld, das sie aber nicht nutzt. Der AK-Ökonom Markus Marterbauer rät der Regierung, in die Pflege oder den sozialen Wohnbau zu investieren, statt Spielräume nicht zu nutzen. Doch Schwarz-Blau macht das Gegenteil: Infrastruktur-Projekte sagt sie ab, Haftungen für 30.000 neue Wohnungen werden gestrichen und Job-Programme für ältere Arbeitslose gekürzt.

66 Millionen für Kurz und Strache

Als „Körberlgeld“ bezeichnet man Geld, das im Budget versteckt wird.  Ein konkreter Verwendungszweck fehlt. Kanzler und Vizekanzler geben sich in den nächsten zwei Jahren ein großzügiges „Sonderbudget“:  15 Mio. Euro für Strache, 51 Millionen Euro für Kurz. Macht in Summe 66 Millionen Euro.

Mit dem Geld sollen Inserate geschalten, externe Berater bezahlt und Social-Media-Kanäle bespielt werden – „abseits von und zusätzlich zu dem Geld, das regulär für solche Zwecke vorgesehen ist.“

Laut Einschätzung mehrerer Experten, die ihre Namen im Zusammenhang mit dieser heiklen Causa nicht in der Zeitung lesen wollen, stellen die aktuellen Körberlgeld-Vorwürfe durchaus eine neue Dimension dar. Dies würde jedenfalls nicht der Norm entsprechen, heißt es.

Hinzu kommen zusätzliche Posten in den Ministerien: 166 Planstellen hat die Regierung festgeschrieben. Im Kanzleramt kann Kurz heuer bis zu 96 neue Mitarbeiter einstellen. Strache darf die ihm zugeteilten Posten um 40 überschreiten.

Und dann sind da noch die 12 zusätzlichen Spitzenbeamten in den Ministerien: Der neu geschaffene Posten eines  Generalsekretär  kann vom Minister ganz ohne Ausschreibung besetzt werden. Die Kosten für Generalsekretäre und zusätzliche Pressestäbe in den Kabinetten liegen bei rund 10 Mio. Euro.

Arbeitsmarkt: Teures Sparen

Das AMS verliert 500 Mio. Euro für Job-Programme. Den größten Teil der Kürzung müssen Langzeit-Jobsuchende über 50 schultern. Das Ende der „Aktion 20.000“ berechnet die Regierung mit 430 Mio. Euro. Die spart sie allerdings nur auf den Papier: Stattdessen müssen Arbeitslosengeld oder Notstandsgeld gezahlt werden und Steuereinnahmen fallen weg.

Netto kostet die Aktion 20.000 pro Person 100 € im Monat – insgesamt sind das 2,4 Mio. Euro im Jahr.

Aber auch bei der Aus- und Fortbildung wird gestrichen: Die „Facharbeiterausbildung Plus“ fällt ganz weg, das Fachkräftestipendium wird von 41 Millionen auf 16 Millionen Euro gekürzt und die Ausbildungsgarantie bis 25 ist gar nicht mehr budgetiert. Rund 10.000 Jugendliche werden jetzt wohl arbeitslos oder in den Billiglohn-Sektor gedrängt.

Halbiert wird außerdem beim „Integrationsjahr“: Statt 100 Millionen gibt es 2018 nur noch 50 Millionen Euro für Deutschkurse und sonstige Qualifizierungsmaßnahmen. Dabei ist es für AMS-Chef Johannes Kopf vor allem eine ökonomische und nicht nur eine soziale Frage, diese Leute zu integrieren. Sie blieben sonst weiter im Sozialsystem und in der Mindestsicherung.

Überhaupt gilt: Sparen am Arbeitsmarkt kommt später teuer. Nach fünf Jahren finanzieren sich Ausgaben für Arbeitsmarkt-Förderung komplett selbst, weil der Staat weniger für Mindestsicherung, Notstandshilfe und im Gesundheitssystem ausgibt, dafür aber mehr Steuern und Sozialversicherungsbeiträge einnimmt – das zeigen Studien.

Pflege: Es fehlen 400 Millionen

Im Herbst 2017 hat das Parlament den Pflegeregress abgeschafft. 40.000 Familien sollten nicht mehr enteignet werden, wenn die Pflege eines Angehörigen notwendig wird. Als Kostenersatz brauchen die Länder etwa 500 Millionen Euro. Die Bundesregierung hat allerdings im Budget nur 100 Millionen Euro eingeplant. Dass nun 400 Millionen fehlen, verunsichert Pflegebedürftige und ihre Familien. Sie befürchten eine Wiedereinführung des Pflegeregresses.

Bildung: Weniger für Kinderbetreuung und Sprachförderung

Gar keine Mittel stellt der Bund 2019 für den Ausbau der Kinderbetreuung zur Verfügung. Während die Länder 2018 noch 52,5 Mio. Euro dafür bekommen, ist im Bundesvoranschlag 2019 mit 1.000 Euro de facto nichts vorgesehen.

Die Mittel für die Ganztagsschulen werden halbiert. Um das nicht so deutlich zu sagen, streckt die Regierung die Mittel: 750 Mio. Euro waren für den Ausbau bis 2025 geplant, jetzt steht die gleiche Summe bis 2032 zur Verfügung – eine Kürzung von 107 Mio. Euro auf 53 Mio. Euro jährlich. Und auch beim Unterstützungspersonal für Schulen wird gestrichen: 250 IntegrationspädagogInnen, 85 SozialarbeiterInnen und 80 Mitglieder von Mobilen Teams wird es weniger geben.

Familie: Gut verdienende Eltern profitieren

Zugleich nimmt die Regierung 1,5 Mrd. Euro in die Hand, um Besserverdienern ein Steuergeschenk zu machen: 1.500 Euro sollen Eltern für ihre Kinder bekommen. Schaut man aber in die Lohnsteuer-Statistik, stellt man fest: Nur 44 Prozent aller Beschäftigten können den Bonus bei zwei Kindern voll nutzen. Zum Vergleich: mit 1,5 Mrd. Euro könnte man 40.000 neue Kindergarten-Plätze schaffen oder das zweite Gratis-Kindergartenjahr finanzieren. Maßnahmen, von denen jedes Kind profitieren würde.

114 Millionen Euro sollen durch die sogenannte „Indexierung“ der Familienbeihilfe zu holen sein. Die Höhe der Familienbeihilfe soll an die Lebenskosten des Landes angepasst werden, in dem die Kinder leben. Betroffen sind davon vor allem Pflegerinnen, die die 24-Stunden-Versorgung übernehmen. Für sie bedeutet das einen beachtlichen Einschnitt ihrer Einkünfte, ohne dass über höhere Löhne diskutiert wird.

Justiz: Richter können Fälle nicht mehr bewältigen

Im Bereich Justiz stehen massive Einsparungen sowie die Nicht-Nachbesetzungen von 42 Richterstellen und 216 Kanzlei-MitarbeiterInnen im Raum. Und hier treten die Widersprüche im Budget deutlich zutage: Schwarz-Blau investiert in die Polizei, um Kriminalität zu bekämpfen. Dadurch bekommen auch RichterInnen und StaatsanwältInnen mehr zu tun.

Bei ihnen den Sparstift anzusetzen bedeutet, die eigenen Mehrausgaben ins Leere laufen zu lassen. Was entsteht, ist ein Flaschenhals, weil die Justiz die Fälle dann nicht mehr bewältigen kann“, kommentiert das der Standard-Journalist András Szigetvari.

Außerdem kommen immer mehr Aufgaben auf die Justiz zu. So bindet allein das neue Erwachsenenschutzgesetz und die Überprüfung von Sachwalterschaften 70 RichterInnen ein Jahr lang.

AUVA: 500 Mio. Sparpaket für Unfallversicherung

Der Allgemeinen Unfallversicherung wird ein hartes Sparpaket verordnet: Um 500 Mio. Euro sollen die AUVA-Ausgaben sinken, weil die Regierung die Beiträge für Unternehmen heruntersetzen will. Zum Vergleich: Der gesamte Verwaltungsaufwand der AUVA liegt bei 92,4 Mio. Euro. Hier alleine zu sparen, ohne Leistungen zu kürzen, wird keine 500 Mio. Euro bringen. Stattdessen müsste schon die gesamte Akutbehandlung von Unfallpatienten gestrichen werden, sie liegt bei 441,9 Mio. Euro. Prävention, Rehabilitation und Akutbehandlung zusammen kosten rund 600 Mio. Euro.

Verkehr: Große Projekte werden verschoben

In den kommenden zwei Jahren wird es 400 Millionen weniger für den Ausbau von Bahn-Infrastruktur geben. Als Folge müssen Projekte verschoben werden. Die ÖBB muss mit 50 Mio. Euro weniger pro Jahr auskommen. Große Infrastrukturprojekte, die mit dem allgemeinen Budget des Verkehrsministeriums geplant waren, müssen verschoben werden – denn auch hier werden 170 Mio. Euro eingespart. Dabei hatte Infrastrukturminister Hofer noch Anfang März erklärt, dass es nur kleinere Sanierungen von den Kürzungen betroffen seien.

Hoteliers: 120 Millionen Steuergeschenk

Unternehmen zahlen normalerweise 20 Prozent Mehrwertsteuer, die Hoteliers genießen hingegen einen ermäßigten Steuersatz von 13 Prozent. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hat sich die weitere Senkung der Steuer auf 10 Prozent als ihr wichtigstes Vorhaben auf die Fahnen geschrieben.

Die Tourismusbranche verbucht Rekorde bei Nächtigungen, Gästen und Umsätzen. So sieht keine Branche aus, die dringend steuerliche Begünstigungen braucht. Doch die Hoteliers haben offensichtlich eine gute Lobby in der ÖVP: Die Steuersenkung auf 10 Prozent würde den Gewinn der Hoteliers direkt um 3 Prozent steigern – auf Kosten der Steuerzahler. Die kostet das 120 Millionen Euro im Jahr.

Zum Weiterlesen

Für wen die Regierung Milliarden locker macht (Kontrast.at)

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1469 Stimmen
    59% aller Stimmen 59%
    1469 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 378 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    378 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 307 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    307 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 214 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    214 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 4%, 109 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    109 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2477
12. März 2024
×
Von deiner IP-Adresse wurde bereits abgestimmt.

Neue Artikel

Andreas Babler’s Herz und Hirn Rede: Hier sind seine 24 Ideen für Österreich

Am 27. April hielt SPÖ-Chef Andreas Babler in Wieselburg seine "Herz und Hirn"-Rede. Darin präsentierte…

27. April 2024

Industriellenvereinigung fordert 41-Stunden-Woche und weniger Feiertage

Mehr arbeiten bei gleichem Lohn: Die Industriellenvereinigung fordert eine 41-Stunden-Woche. Zusätzlich sollen auch noch Feiertage…

26. April 2024

SPÖ-Chef Andreas Babler will gratis Öffis für alle unter 18

SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler präsentiert am Samstag in seiner „Herz-und-Hirn“-Rede 24 Projekte, die Österreich wieder gerechter…

25. April 2024

ÖVP gegen EU-weites Grundrecht auf Abtreibung

Das EU-Parlament hat das Recht auf Abtreibung zum Grundrecht erklärt - gegen die Stimmen der…

25. April 2024

Die FPÖ in Brüssel: Gegen Mindestlöhne, Lohntransparenz und bessere Arbeitsbedingungen

Das Europäische Parlament hat in den vergangenen fünf Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen…

25. April 2024

ÖVP für mehr Überwachung: Geheimdienste sollen im Messenger mitlesen dürfen

Die ÖVP will mehr Befugnisse für die Geheimdienste, sie soll auch die Nachrichten in den…

24. April 2024