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Der 7-Punkte-Plan: So will die FPÖ die Kontrolle im Staat erlangen

Schlüsselpositionen mit getreuen Kadern besetzen – von der Polizei, der Justiz, dem Geheimdienst bis zu den Medien. Wer kritische Fragen stellt, gegen den wird massenhaft mobil gemacht. Das steht im 7-Punkte-Plan der FPÖ. In diesen hat uns der FPÖ-Landesrat Elmar Podgorschek Einblick gewährt. Bei einem Vortrag in Deutschland „Was die AfD von der FPÖ lernen kann“, verrät er Taktik und Ziele der FPÖ in Bezug auf die Machtergreifung.

„Wenn österreichische extreme Rechte vor deutschen extremen Rechten einen Vortrag halten, dann kommt ihnen gern ihre innerste Wahrheit aus“, resümiert Hans Rauscher. Das erklärt, warum Elmar Podgorschek detailliert darüber Auskunft gibt, wie die FPÖ die Macht im Staat erlangen will.

1. Kabinette und Unternehmen einfärben

Elmar Podgorschek lobt sich selbst und die FPÖ sehr offen für die Posten-Verteilung in den letzten Monaten:

Wir haben jetzt bei der Übernahme der Bundesregierung beinhart alle Aufsichtsräte und teilweise wo es möglich war die Geschäftsführer der staatlichen und halbstaatlichen Betriebe ausgetauscht.“ (Podgorschek, Vortrag vor AfD-Politikern in Thüringen, Frühjahr 2018)

Wo die FPÖ Posten zu vergeben hat, greift sie auf ihr akademisches Personalreservoir zurück: die deutschnationalen Burschenschafter. Das gilt nicht nur für Abgeordneten-Mandate und Ministerien, sondern auch für Richterposten, Aufsichtsräte in der ASFINAG oder der ÖBB. Auch in den Verbund-Vorstand hievt die FPÖ einen Manager. Norbert Steger wurde zum Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrats gemacht.

Auch auf Beamtenebene nimmt die FPÖ Einfluss und färbt den Apparat in den Ministerien ein. Die Regierungsparteien haben 12 Generalsekretäre und -sekretärinnen installiert. Diese haben de facto die Macht eines Ministers, aber ihre Jobs werden weder öffentlich ausgeschrieben noch demokratisch bestimmt. Die FPÖ rekrutiert viele davon aus Burschenschaften.

Diese Generalsekretäre, gesetzwidrig installiert, erfreuen sich voller Weisungsbefugnis über die ihnen untergebenen Beamten“, schreibt Falter-Chefredakteur Armin Thurnher.

2. Die Justiz ‚umpolen‘

„Wir haben heute eine völlig links gepolte Justiz“, warnt Podgorschek. Laut ihm gilt das auch für die Wissenschaft und die Kirche. „Gegen diesen Machtblock heißt es jetzt anzukämpfen.“

Belege für die Behauptung hat Podgorschek keine. Es geht um Stimmungsmache. Wenn FPÖ-nahe Juristen und Juristinnen in Top-Jobs gehievt werden, kann es die FPÖ als Ausgleich verkaufen. 9 von 14 Verfassungsrichtern und -Richterinnen stellen die Regierungsparteien. Zwei haben ein FPÖ-Ticket. Unter anderem Andreas Hauer. Er ist Burschenschafter, hat das Recht auf Demonstrationen infrage gestellt und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als „mitverantwortlich für die multikriminelle Gesellschaft“ gemacht.

3. Den Verfassungsschutz lahmlegen

Der Verfassungsschutz ist für Podgorschek eine lästige Instanz – denn dort werden auch Rechtsextreme und Neonazis beobachtet. Podgorschek fürchtet sich außerdem vor den „V-Männern“, also Personen, die verdeckt rechtsextreme Organisationen beobachten. Sie informieren den Verfassungsschutz über gefährliche Vorhaben und Netzwerke, damit dieser reagieren kann. Das ist dem FPÖ-Landesrat ein Dorn im Auge. Er warnt die AfD:

Schauen Sie darauf, dass Sie nicht von V-Männern unterwandert werden.“ (Podgorschek, Vortrag vor AfD-Politikern in Thüringen, Frühjahr 2018)

Kein Wunder, dass der FPÖ-Politiker offenbar mit den Angriffen auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusekämpfung (kurz: BVT) durch FPÖ-Innenminister Kickl zufrieden ist:

Der Verfassungsschutz hat eine eigene Zelle gebildet, die derzeit – so hoffe ich – ausgetrocknet wird.“ (Podgorschek, Vortrag vor AfD-Politikern in Thüringen, Frühjahr 2018)

Zur Erinnerung: Im Februar 2018 haben Polizeibeamte das BVT-Gebäude in Wien gestürmt. Dort und in Privatwohnungen von Beamten des Verfassungsschutzes haben sie Hausdurchsuchungen durchgeführt. Bei diesen Durchsuchungen wurden Dateien über Ermittlungen zur rechtsextremen Szene und Neonazi-Fällen mitgenommen. (Mehr über Hausdurchsuchung und die Folgen für die Sicherheit der Republik gibt es auf Kontrast.at)

Die FPÖ will nicht überwacht werden – aber sehr wohl selbst überwachen. Die ÖVP-FPÖ-Regierung hat daher ein umfassendes Überwachungspaket beschlossen. Künftig kann das FPÖ-geführte Innenministerium auf Daten aus Ortungsdiensten, SMS- und WhatsApp-Nachrichten, aus Facebook und Co. sammeln.

4. Bundesheer und Exekutive auf Linie halten

Die einzigen Institute, die noch nicht umgedreht sind, sind Exekutive und österreichisches Bundesheer.“ (Podgorschek, Vortrag vor AfD-Politikern in Thüringen, Frühjahr 2018)

Polizei und Heer wähnt Podgorschek politisch jetzt schon auf Seiten der FPÖ. Das mag auch daran liegen, dass die Polizei in rechten, FPÖ-nahen Medien wie dem „Wochenblick“ Inserate schaltet und damit das Magazin finanziert. Es wirft Fragen auf. Etwa, warum die österreichische Polizei unter Lesern dubioser Online-Magazine Kandidaten für den Polizeiberuf rekrutieren will. „Wochenblick“ ist kein Massenmedium, sondern FPÖ-nahe mit schmaler Leserbasis. Auch Podgorschek soll das mehrmals vom Presserat verurteilte „Wochenblick“ und das vom DÖW als rechtsextrem eingestufte „Info-Direkt“ mit öffentlichen Geldern in Form von Inseraten unterstützt haben.

Dafür, dass das Bundesheer nicht „links gepolt“ wird, soll derzeit FPÖ-Verteidigungsminister Kunasek sorgen. Dessen wichtigste Amtshandlung bisher? Er hat im Mai 2018 eine – nicht existente – Order zum Verwenden des Binnen-I gestrichen.

5. Medien kontrollieren – kritische Journalisten einschüchtern

Die FPÖ hat es auf JournalistInnen abgesehen: Weil glaubwürdige Journalisten für die FPÖ unangenehme Journalisten sind, mobilisiert sie im Internet zum Massenangriff gegen Einzelpersonen. Die Attacken haben System. Das Ziel: Journalisten einschüchtern und Kritik unterbinden. Getroffen hat es schon Armin Wolf (ORF), Hanna Herbst (VICE), Florian Klenk oder Nina Horaczek (beide „Falter“) und viele andere. (Kontrast.at hat ein Dossier über dokumentierte Angriffe der FPÖ zusammengestellt!)

Die FPÖ geht dabei immer gleich vor: Berichten JournalistInnen kritisch über die FPÖ, ihre VertreterInnen oder Forderungen, wird nach vermeintlichen Fehltritten gesucht. Die werden dann auf einer FPÖ-nahen Plattform in einen Artikel gepackt und im rechten Netz verbreitet. Accounts von FPÖ-PolitikerInnen mit großer Reichweite teilen den Beitrag dann – so erreicht er hunderttausende Fans, die den Text wiederum in Facebook-Gruppen weitertragen. Diese Berichte sind nicht kritisch, sondern „bösartig“, so „Reporter ohne Grenzen Österreich“-Präsidentin Rubina Möhring.

Vor allem auf den ORF hat es die FPÖ abgesehen. Podgorschek droht dem ORF und seinen Journalisten unverhohlen:

Wir müssen unbedingt eine Neutralisierung des öffentlich rechtlichen Rundfunks durchführen… auch auf die Gefahr hin, dass uns eine sogenannte Orbanisierung vorgeworfen wird. Das müssen wir durchziehen.“ (Podgorschek, Vortrag vor AfD-Politikern in Thüringen, Frühjahr 2018)

Die Partei kann es nicht ertragen, dass es vom ORF keine Haus- und Hofberichterstattung gibt. Podgorschek verunglimpft den ORF und bezeichnet ihn als „Oppositionsrundfunk“. Unklar ist, wie weit die ÖVP und Medienminister Blümel das Umärben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zulassen bzw. selbst vorantreiben.

6. Eigene Medien gründen

Die FPÖ hat sich ein Netz an Medienkanälen aufgebaut, denn „mit den herkömmlichen Medien ist kein Staat zu machen„, findet Podgorschek. Deshalb hat die FPÖ ein eigenes ‚Fernsehen‘, das „FPÖ-TV“, installiert. Doch nicht überall steckt „FPÖ“ im Namen. Hinter Labels wie „unabhängig“, „frei“ und „kritisch“ stecken ungeprüfte Behauptungen und völkisches Gedankengut. Dazu zählen das Wochenheft „Zur Zeit“ und die Website „unzensuriert.at“. Letztere wurde wiederholt wegen übler Nachrede zu Geldstrafen verurteilt (siehe auch hier und hier). Der ehemalige Chefredakteur von „unzensuriert“ erklärt in einem Gespräch offen, dass der FPÖ-Blog nichts mit Journalismus zu tun hat:

„Wir machen ja nicht dieses Medium, weil uns am unabhängigen Journalismus so sehr gelegen ist, sondern weil wir diese politischen Bewegungen in gewisser Weise unterstützen wollen. Im Prinzip wollen wir versuchen, dass wir uns mittelfristig vor allem gegenüber der AfD ähnlich positionieren, wie wir in Österreich gegenüber der FPÖ positioniert sind. Eine reine Positiv-Berichterstattung zu fahren.“ (Alexander Höferl, ehemaliger Chefredakteur von unzensuriert)

Höferl arbeitet jetzt übrigens im Kabinett von FPÖ-Innenminister Kickl. Er ist für Kommunikation zuständig.

Doch es gibt noch mehr: FPÖ-nahe sind auch die Zeitschriften „Info Direkt„, „Wochenblick“ und „alles roger?„. In den Redaktionen sitzen FPÖ-Funktionäre. Mit ihren Artikeln betreiben sie Stimmungsmache. Sie dienen als Katalysatoren für die Agitation der Partei und ihre Aushängeschilder. Für „Info Direkt“ schreiben außerdem „Identitäre“. Sie gelten als rechtsextrem, gegen einige von ihnen wird Prozess geführt. Sie sind wegen Verhetzung, Sachbeschädigung, Nötigung sowie der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt.

7. Als Elite über Eliten schimpfen

Podgorschek warnt die AfD vor mächtigen – linken – Eliten, die allgegenwärtig sind, über die man aber nicht reden dürfte, weil Medien den Rechtspopulisten den Mund verbieten würden:

„Nur die sogenannten Eliten sind maßgebend nach links gerückt, ich will jetzt keine Beispiele nennen, weil das immer sehr gefährlich ist.“ (Podgorschek, Vortrag vor AfD-Politikern in Thüringen, Frühjahr 2018)

Es ist eine langfristig angelegte Strategie: Rechtspopulisten behaupten, als einzige Kraft das Volk zu vertreten. Alle anderen – auch gewählten – politischen Vertreter sind für sie illegitim. Nur Rechtspopulisten erkennen den „Volkswillen“ und die Wünsche der „schweigenden Mehrheit“. Für den Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller ist Rechtspopulismus daher „der Tendenz nach immer antidemokratisch“. Denn es geht nie um echte politische Vertretung, sondern bloß um Agitation gegen andere, auch demokratisch legitimierte, Kräfte. Vor allem gegen vermeintliche „Eliten“ und das „Establishment“, weil diese das Volk ja gar nicht vertreten würden.

Das funktioniert auch, wenn Rechtspopulisten selbst an der Macht sind. Man kann, so Müller, „an der Macht sein und gleichzeitig Eliten kritisieren, nämlich die alten, die hinter den Kulissen angeblich auch weiterhin die Strippen ziehen und die Populisten daran hindern, den wahren Volkswillen zu vollstrecken“.

Belege für die hier angeführten Zitate gibt es u.a. in diesem Video:

Wer ist Elmar Podgorschek?

Podgorschek ist Burschenschafter in zwei schlagenden, also Mensur-fechtenden, Verbindungen (Cimbria Wien, Germania zu Ried). Er ist im Bundesvorstand der FPÖ und Sicherheitslandesrat in Oberösterreich, wo ÖVP und FPÖ das Land regieren.

Der oberösterreichische Landesrat hat seinen Vortrag für die AfD Thüringen gehalten, veranstaltet von und mit Björn Höcke. Höcke gehört zum völkischen, also dem rechtesten Flügel der AfD. Experten bescheinigen, dass Höcke eine faschistische Ideologie propagiert.

Zum Weiterlesen

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Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1558 Stimmen
    59% aller Stimmen 59%
    1558 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 408 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    408 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 329 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    329 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 243 Stimmen
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    243 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 124 Stimmen
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    124 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2662
12. März 2024
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