Gegen kritische Journalisten wird eine Informationssperre verhängt, rechte Medien mit Inseraten finanziert. Polizeischüler werden auf rechtsextremen Internetseiten rekrutiert, die gute Zusammenarbeit mit Frauenhäusern gestoppt. Die Polizei wird aufgefordert, mehr über Ausländerkriminalität als über häusliche Gewalt zu berichten. Das ist das Innenministerium unter Herbert Kickl (FPÖ).
Mit einer Mail ist das Innenministerium (BMI) in alle Schlagzeilen gelangt: Zeitungen, die zu kritisch über den Innenminister berichten, werden künftig weniger Informationen vom BMI und von Landespolizeidirektionen erhalten. Journalisten des Standard, des Falter und des Kurier sollen also in ihrer Arbeit behindert werden. Die Polizei soll sich in ihrer Medienarbeit stärker auf Ausländerkriminalität konzentrieren.
„Kickl schafft sich ohnehin seine eigene Medienwelt, indem er mit viel Steuergeld Kamerateams beschäftigt, die sein Wirken auf der Website des Ministeriums oder auf Facebook bejubeln. Gleichzeitig will er verhindern, dass anständige Journalisten einfach ihren Job machen“, fasst es Helmut Branstätter vom Kurier zusammen.
Stoff für kritische Berichte gibt es genug: Kickl baut den Polizeiapparat um, ignoriert Gewalt gegen Frauen und finanziert rechtsextreme Blätter. Und „Probleme“ mit Journalisten hat Kickl schon länger. Wenn diese sein Ministerium betreten, müssen diese sogar ihr Handy abgeben – eine Anordnung, die vor ihm kein Innenminister gegeben hat.
So scheint Kickl in seinem Ministerium Angst und Schrecken zu verbreiten:
Um den Geheimdienst umzubauen, ließ Kickl im Februar 2018 das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) stürmen. Polizisten der Eingreiftruppe gegen Straßenkriminalität (EGS) durchsuchten sogar die Privatwohnungen von Verfassungsschützern und haben Ermittlungsakten gegen Rechtsextreme mitgenommen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss untersucht derzeit die Vorgänge rund um die BVT-Razzia.
Die bisherigen Aussagen von Auskunftspersonen im Ausschuss legen nahe, dass es um politische Machtkämpfe geht. Ein Systemadministrator des BVT, Norbert B., vergleicht das Vorgehen bei den Ermittlungen mit Stasi-Methoden. Die Polizei sei in seinen privatesten Bereich eingedrungen und hat sogar das Kinderzimmer seiner Tochter durchsucht – das obwohl B. nur Auskunftsperson und kein Beschuldigter ist. In einer Mail an den Generalsekretär des Justizministeriums Christian Pilnacek schreibt er:
Auf rechtsextremen Internetseiten wirbt Kickls Ministerium für den Polizeiberuf, wie eine parlamentarische Anfrage ergab. Inseriert wurde unter anderem auf wochenblick.at, unzensuriert.at und info-direkt.eu. Auch unter den Lesern von tagesstimme.com warb man um Polizei-Bewerber – einer Seite, die mit den rechtsextremen Identitären verbunden ist und auf der Verschwörungstheorien verbreitet werden
Dazu senkt Kickl die Aufnahmekriterien bei der Polizei, weil es zu wenig Bewerber gibt. Während man gemeinhin die Hälfte einer Aufgabe geschafft haben muss, um positiv beurteilt zu werden, reichen beim Aufnahmetest der Polizei künftig 140 von 982 Punkten, um aufgenommen zu werden.
Überhaupt können sich FPÖ-nahen Magazine wie „Wochenblick“ und „alles roger?“ seit November 2017 über Inserate der Regierung freuen. Kickl allein hat den beiden Magazinen Einnahmen in der Höhe von fast 22.000 Euro beschert. Dabei stehen beide Medien in der Kritik. Der Presserat hat „Wochenblick“ dafür kritisiert, Falschnachrichten zu verbreiten, um Stimmung gegen Flüchtlinge und Migranten zu machen. Artikel haben gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse verstoßen.
„alles roger?“ verbreitet laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) „verschwörungstheoretische Positionen“. Das Mauthausen Komitee klassifiziert „alles roger?“ als tendenziell antisemitisch. Im Magazin finden sich Homestories über „Identitäre“.
Österreichs Polizei ist durch ihr sensibles Auftreten bei Fällen häuslicher Gewalt aufgefallen. Das österreichische Gewaltschutzgesetz mitsamt den Schulungen für Polizisten durch Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser und gemeinsame Fallbesprechungen zwischen Polizei, Justiz und Frauenhäusern gilt als internationales Vorbild.
Doch genau diese Zusammenarbeit zwischen Frauenhäusern und Polizei beendet Kickl jetzt: Nach über 20 Jahren streicht das Innenministerium das Geld für die Gewaltschutz-Schulungen für Polizisten. Und auch an anderer Stelle wird die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Frauenhäusern gekappt: Künftig wird die Polizei nicht mehr an Fallbesprechungen zu Hoch-Risikofällen von häuslicher Gewalt teilnehmen. Dort haben Polizei, Gewalt-Schutz-Einrichtungen, Jugendamt und JuristInnen über Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Kindern beraten. Das Innenministerium hat 2018 entschieden: Die Polizei nimmt an diesen Treffen nicht mehr teil. Das bedeutete das Ende der Fallkonferenzen.
„Warum die Polizei daran nicht mehr teilnehmen will, wissen wir leider nicht genau. Es hieß aber, es wäre nicht das richtige Instrument – allerdings gibt es auch keine Alternative“, weiß Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt.
Das passt auch gut zu Kickls Order, dass Landespolizei-Direktionen verstärkt über sexuelle Gewalttaten kommunizieren soll, „die in der Öffentlichkeit begangen werden„. Fälle von häuslicher und familiärer Gewalt sollen dagegen weniger mediale Aufmerksamkeit bekommen.
In Österreich wird jede 5. Frau einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt. In 8 von 10 Vergewaltigungsfällen ist der Täter der Partner, Ex-Partner, Freund, oder Familienangehöriger. Wenn das Innenministerium jetzt fordert, nur Gewalt in der Öffentlichkeit „proaktiv“ zu kommunizieren, verzerrt das die öffentliche Wahrnehmung davon, wo und wie Mädchen und Frauen von Gewalt betroffen sind. Das ist reine Stimmungsmache, die der Realität widerspricht.
Ohne Anlass schaltet Kickl mit Steuergeld Anti-Terror-Inserate. „Bewahren Sie Ruhe“, rät das Ministerium. Tatsächich geht es genau um das Gegenteil. Warnsymbole und Notfall-Bilder signalisieren: Achtung, Gefahr droht, Vorsicht! „Man nennt es die Inszenierung des Ausnahmezustandes“, sagt Florian Klenk. Die Öffentlichkeit wird verunsichert bis verängstigt.
Die Inserate bleiben nicht ohne Folgen. Die Waffenlobby meldet sich rasch zu Wort, fordert das Recht für jeden Bürger, eine Waffe zu tragen. Die bewaffnete Gesellschaft ist das Ziel. Geht es nach „United Firearms Österreich“, soll auch das Pumpgun-Verbot fallen. Über die Verbindungen von FPÖ-Ministern zur Waffenlobby haben Dossier und der Standard unlängst recherchiert.
Um 2000 gab es einige Fälle von rassistischer Polizeigewalt. Darauf haben das ÖVP-geführte Innenministerium und die Polizei mit Aufklärung über Polizeigewalt und Rassismus reagiert. Teil der Grundausbildung war der Film Void über den Fall Bakary J., der 2006 von WEGA-Beamten gefoltert worden ist. Der Film wurde ausgezeichnet und sollte zukünftige Polizeibeamte sensibilisieren. Wie der Falter berichtet, wird der Film Void nun aus der Polizei-Ausbildung gestrichen.
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