Gewalt gegen Frauen ist in Österreich ein Massenphänomen – jede 5. Frau hat körperliche bzw. sexuelle Gewalt erlebt. Dabei sind die österreichischen Gewaltschutzgesetze international vorbildhaft – was fehlt, sind Geld für Präventionsarbeit und der richtige Umgang mit den Tätern.
Vor rund 20 Jahren, 1997, trat in Österreich das Gewaltschutzgesetz in Kraft. Es gilt auch heute noch als einer der frauenpolitischen Meilensteine und machte Österreich international zum Vorreiter: Es sollte Schluss sein damit, dass die – meist weiblichen – Opfer häuslicher Gewalt aus der Wohnung fliehen müssen. Die Täter müssen gehen. Die Polizei hat ein Wegweiserecht bekommen, das heißt sie kann den Gewalttäter aus der Wohnung weisen und über ihn ein Rückkehrverbot verhängen.
Das damals umstrittene Gesetz hat sich bewährt und wird auch von der Polizei häufig angewandt: Fast 9.000 Betretungsverbote hat die Polizei im Jahr 2016 verhängt – der höchste Wert seit Einführung der Maßnahme.
Auch bei den Strafbestimmungen zu sexueller Belästigung ist Österreich durchaus fortschrittlich im internationalen Vergleich. Im Zuge der Strafrechtsreform 2016 wurde die Strafbarkeit der sexuellen Belästigung ausgeweitet („Po-Grapschen“) sowie ein neuer Tatbestand „Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“ eingeführt. Deutschland nahm sich dann die österreichische Regelung zum Vorbild und beschloss eine ähnliche ein halbes Jahr später.
Jede 5. Frau betroffen
Trotz der relativ fortschrittlichen Gesetzgebung in Österreich ist Gewalt gegen Frauen auch bei uns ein weit verbreitetes Phänomen:
Drei Viertel aller Frauen haben schon sexuelle Belästigung erlebt.
Jede 7. Frau ist und war schon einmal von Stalking betroffen.
ExpertInnen orten vor allem Lücken und Mängel im System der Gewaltprävention: „Österreich ist zwar bei der Gesetzgebung vorbildlich, nicht immer aber der Umsetzung“, sagt Rosa Logar von der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie.
Was fehlt
NGOs kritisieren, dass die österreichischen Frauenhäuser, die von den Ländern finanziert werden, in manchen Bundesländern jedes Jahr aufs Neue um ihre Förderungen ansuchen müssen. Sie fordern, dass die Budgets gesetzlich abgesichert werden. Auch die schlechte finanzielle Ausstattung des Frauenministeriums – nur 10 Mio. Euro für Gewaltprävention und Gleichstellungspolitik – sehen sie „als schwerwiegendes Hindernis für die Verbesserung der Prävention von Gewalt gegen Frauen und Mädchen“. 2016 konnten 336 Frauen wegen Platzmangels nicht in einem Frauenhaus aufgenommen werden.
Generell fordern die ExpertInnen für spezialisierte Opferschutzeinrichtungen eine verbindliche Rechtsgrundlage, damit alle Opfer das Recht auf Beratung, Schutz und Unterstützung haben. Die Finanzierung dieser Einrichtungen muss langfristig gesichert sein, d.h. im Rahmen mehrjähriger Verträge.
Zudem scheuen sich viele Frauen, sich an Polizei oder Justiz zu wenden. Damit Frauen durch unangemessene Behandlung bei der Exekutive oder bei Gericht nicht erneut zum Opfer werden, braucht es eine entsprechende Ausbildung der MitarbeiterInnen dort. NGOs fordern deshalb von Innen- und Justizministerium
klare und verbindliche Richtlinien in Form eines Erlasses, der den Umgang von Polizei und Staatsanwaltschaft mit Fällen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt regelt . Notwendig ist außerdem eine fundierte, verpflichtende Ausbildung von StaatsanwältInnen und RichterInnen in diesem Bereich. (Siehe hierzu den „Schattenbericht“ zur Umsetzung der Istanbul-Konvention)
Und die Täter?
Für mehr „opferschutzorientierte Täterarbeit“ plädieren Vertreter von Männerberatungsstellen. Oft haben die Täter Männer selbst in ihrer Kindheit Gewalterfahrungen gemacht. Ziel sollte deshalb auch sein, die Weitergabe dieser Gewalt von Generation zu Generation zu verhindern. „Wir müssen das männliche Rollenverständnis zum Thema machen„, so Romeo Bissutti, Österreich-Obman der „White Ribbon“-Kampagne, die sich international gegen Männergewalt in Beziehungen starkmacht.
[table id=7 /]Das richtige Strafrecht ist natürlich ein erster Schritt in der Gewaltprävention. Es muss dann aber auch die richtigen Stellen geben, die es umsetzen können. Ich finde es gut, dass so viele Überlegungen in dieser Richtung angestellt werden.