In keinem anderen EU-Land steigen die Löhne so wenig wie in Österreich – das zeigt eine aktuelle Schätzung des deutschen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts. Rechnet man die Inflation dazu, schneidet nur Tschechien schlechter ab. Hierzulande müssen die Arbeitnehmer:innen mit einem Reallohnverlust von -4,2 Prozent rechnen – deutlich mehr als im EU-Durchschnitt. Das zeigt: im Herbst braucht es hohe Lohnabschlüsse und preissenkende Maßnahmen von der Regierung.
Im aktuellen Report zur „Tarifpolitik im Zeichen von Krise, Krieg und Inflation“ schlüsselt das deutsche Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut die Lohnentwicklungen der EU-Länder auf. Österreich schneidet in ihrer Schätzung für das Jahr 2022 besonders schlecht ab.
Für dieses Jahr rechnen die Ökonomen mit der EU-weit niedrigsten Lohnsteigerung von 1,5 Prozent. Berücksichtigt man die Preissteigerungen, sinken die Löhne sogar um 4,2 Prozent – der zweithöchste Wert.
Lediglich Tschechien muss aufgrund einer besonders hohen Inflationsrate (11,7%) und ebenfalls kaum steigenden Gehältern mit Reallohnverlusten von über 8 Prozent rechnen.
Die “Lohn-Preis-Spirale” ist ein Mythos
Um den realen Lohnverlusten entgegenzusteuern, gibt es zwei Möglichkeiten: niedrigere Preise und höhere Löhne. Zentral für die kommenden Lohnentwicklungen werden demnach die Verhandlungen zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebervertretern sein. Die dramatischen Entwicklungen bringen einerseits die Gewerkschaften unter Druck, hohe Abschlüsse zu erzielen. Die Arbeitgeber andererseits warnen „unter Verweis auf eine drohende Lohn-Preisspirale vor deutlichen Lohnsteigerungen – selbst wenn bisher von den Löhnen kein erkennbarer Inflationsdruck ausgeht“, wie in dem Bericht festgehalten ist. Auch in Österreich greifen die Arbeitgeber-Vertreter sowie Bundeskanzler Nehammer und Finanzminister Brunner auf diese Argumentation zurück.
Dabei hat es historisch in Österreich noch nie eine „Lohn-Preis-Spirale“ gegeben.
Die Beschäftigten zahlen massiv drauf – besonders in Österreich
Insbesondere der Krieg in der Ukraine habe das zuletzt wieder starke Wirtschaftswachstum deutlich gebremst. Denn „die von den Energiepreisen getriebene schockartige Inflation vermindert die Kaufkraft der Löhne, verschärft die Armut bei den unteren Lohngruppen und bremst Investitionen“, schreiben die Ökonomen. Hinzu kommen Probleme bei den globalen Lieferketten aufgrund neuer Lockdowns in China, die zur weiteren Verknappung von Produkten führen. Da die Löhne bei der Preisentwicklung nicht entsprechend mitziehen, erwarten die Autoren des Berichts, dass die „Verteilungsbilanz im laufenden Jahr zulasten der Beschäftigten ausfällt“. Denn in allen 27 EU-Ländern rechnen sie mit Reallohnverlusten. Beschäftigte müssen also in Angesicht der Teuerung mit weniger Geld auskommen als noch vor einem Jahr.
Bei anderen Kennzahlen schneidet Österreich hingegen besser ab. So soll etwa das Wirtschaftswachstum laut Berechnung in diesem Jahr um 3,9 Prozent im Vergleich zu 2021 steigen. Das liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt von 2,7 Prozent. Auch bei der Arbeitslosigkeit liegt Österreich mit 5 Prozent unter dem Durchschnitt von 6,7 Prozent. Und die Verbraucherpreise steigen hierzulande mit einem Plus von 6 Prozent – im Vergleich zu 6,8 Prozent EU-weit.