Manche haben in der Corona-Krise das Geschäft ihres Lebens gemacht. Besonders das ÖVP-geführte Oberösterreich scheint zu einem wahren Eldorado für Jung-Medizinunternehmer geworden zu sein. Das Land kaufte etwa um 18 Millionen Euro medizinische Schutzausrüstung bei einem T-Shirt-Unternehmen mit nur einem Mitarbeiter und Sitz in Deutschland. 10 Millionen wurden als Vorauszahlung bereits überwiesen – doch Waren um 3,7 Mio. Euro sind eineinhalb Jahre nach Bestellung noch immer nicht angekommen.
Das Land Oberösterreich gab zu Beginn der Pandemie knapp 80 Millionen Euro für den Ankauf von Masken, OP-Handschuhen und anderer Schutzausrüstung aus. Der Rechnungshof merkt diese hohen Kosten kritisch in einem noch nicht veröffentlichten Bericht an, der Kontrast vorliegt. Schaut man sich einzelne Deals näher an, kann man sich die Kostenexplosion in Oberösterreich erklären: So bekam etwa ein Ex-ÖVP-Wahlkampfmanager Aufträge zu überhöhten Preisen. Kontrast berichtete. Nun ist ein weiterer Fall aufgetaucht, der am Umgang des Landes mit Steuergeld zweifeln lässt: Die oberösterreichische Gesundheitsholding kaufte im Auftrag der ÖVP-Landesregierung um 18,8 Millionen Euro OP-Hauben, Handschuhe und Schutzkittel bei einer kleinen Firma mit Sitz in Bayern. Die Firma hat nur einen Mitarbeiter. 10 Millionen Euro überwies die Gesundheitsholding auf Vorkasse. Bis heute – eineinhalb Jahre nach Vertragsabschluss – ist das Unternehmen Waren im Wert von 3,7 Millionen Euro schuldig. Laut Kronen Zeitung sollen sie Mitte Oktober geliefert werden – zu damaligen Preisen, obwohl Masken und Co. heute weit billiger zu haben sind als zu Beginn der Pandemie.
T-Shirt-Händler wird zum Corona-Millionär
Bei der Firma, die der größte Lieferant des Landes Oberösterreich ist, handelt es sich um ein Unternehmen mit Sitz in Bayern. Der einzige Gesellschafter der Firma ist der Wiener P., der Geschäftsführer und einzige Mitarbeiter ist ein ebenfalls in Wien lebender Verwandter Ps. Die Firma verfügt über ein Stammkapital von nur 25.000 Euro. Normalerweise verkauft das Unternehmen T-Shirts mit Aufdrucken von Firmen oder Sportvereinen. Damit machten sie laut Firmenbuchauszug 2017 einen Umsatz von 100.000 Euro. Insgesamt also eine kleine Firma mit wenig Stammkapital, einem überschaubaren Umsatz und vor allem keinerlei Erfahrung im Handel mit medizinischer Schutzausrüstung. Trotzdem erhielten sie vom Land Oberösterreich einen Auftrag über 18,8 Millionen Euro. Alleine mit diesem Auftrag konnten sie ihren Umsatz also um das 180-fache steigern.
Dabei war P.s Firma auch nicht besonders günstig: Für einen Schutzkittel verlangte sie beispielsweise 5,75 Euro – das ist fast fünfmal so viel wie der günstigste Anbieter der Gesundheitsholding mit 1,20 Euro. Auf die Frage, ob P. außer dem Land Oberösterreich noch andere Kunden mit Schutzausrichtung beliefert hat, wollte das Unternehmen auf Kontrast-Anfrage nicht antworten. Das falle “unter den Datenschutz”.
10 Millionen Euro Steuergeld wurden bereits nach Bayern überwiesen – die Ware fehlt noch
Ob das eine gute Idee der oberösterreichischen Gesundheitsholding war, einen zweistelligen Millionenbetrag für medizinische Schutzausrichtung an einen bayrischen T-Shirt-Händler zu zahlen, ist mehr als fraglich. Das Jung-Medizinunternehmen ist nämlich alles andere als ein verlässlicher Lieferant. Heute – eineinhalb Jahre nach der Bestellung sind viele Produkte noch immer nicht in Oberösterreich angekommen – insgesamt fehlt Schutzausrüstung im Wert von 3,7 Millionen Euro. Das wäre unangenehm, aber nicht weiter schlimm, schließlich herrscht in Österreich mittlerweile keine Knappheit an medizinischer Schutzausrüstung mehr. Doch das ÖVP-Krisenmanagement hat einen schweren Fehler gemacht: Sie vertrauten dem Ein-Personen-Unternehmen scheinbar so sehr, dass sie ihnen 10 Millionen Euro im Vorhinein überwiesen haben. Das Geld ist also weg – die Waren noch immer nicht angekommen. Der Händler wollte auf Anfrage keine Auskunft zur Vorauszahlung geben, auch das falle unter den Datenschutz. Laut Gesundheitsholding sollen die Waren Mitte Oktober geliefert werden, wie die Kronen Zeitung berichtet.
Wie kam es tatsächlich zu dem Millionen Deal
Wie kam es zu diesem seltsamen Deal? Wie konnte die oberösterreichische Gesundheitsholding überhaupt auf die Idee kommen, medizinische Schutzausrüstung um 18,8 Millionen Euro bei einem T-Shirt-Händler in Bayern zu kaufen? Auch auf die Frage nach der Anbahnung des Geschäftes wollte der Werbeartikelhändeler auf Kontrast-Anfrage nicht antworten. Kontrast liegt ein interner Prüfbericht der oberösterreichischen Gesundheitsholding vor, der sich auch mit diesem Deal beschäftigt. Dort wird das zustande kommen des Deals so beschrieben: Ein Mitarbeiter für Beschaffungslogistik und Investitionsmanagement einer Oberösterreichischen Klinik bekam durch einen ehemaligen Arbeitskollegen via Social Media einen Hinweise auf die Firma und kontaktierte diese dann. Das reicht in Oberösterreich scheinbar, um 18,8 Millionen Steuergeld in die Hand zu nehmen und Millionen im Voraus zu überweisen. Oder gab es doch andere Kontakte? Besagter Mitarbeiter für Beschaffungslogistik und Investitionsmanagement, nämlich David H, spielt auch noch in einem anderem Geschäft der Gesundheitsholding eine interessante Rolle: Sein Vater ist Vertriebsverantwortlicher beim zweitgrößte Lieferant für medizinische Schutzausrüstung des Landes Oberösterreich (Auftragsvolumen von 14 Mio Euro). Immerhin handelt es sich dabei um ein Unternehmen mit Erfahrung bei medizinischer Ausrüstung. Mehr verkaufte nur Ps. Firma aus Bayern.
Keine Sorge, die Millionen sind gut investiert, in ein großes Grundstück mit einer netten Villa am Kaasgraben in Wien.