Update 19. März 2023: Das Arbeitsübereinkommen von ÖVP und FPÖ wurde am Sonntag kommentarlos auf der Webseite des Land Niederösterreichs aktualisiert. Der umstrittene Programmpunkt („Erhaltung und Sanierung der jüdischen Friedhöfe sowie Fürsorge für die Kriegs- und Opfergräber.“) ist jetzt wieder im Dokument enthalten. Doron Rabinovici kritisierte auf Twitter die Formulierung, weil damit die Pflege der jüdischen Friedhöfe offenbar mit jener der Kriegergräber für Wehrmacht und SS-Angehörige verknüpft werden sollen.
Das Bündnis der ÖVP Niederösterreich mit der FPÖ stößt auf heftige Kritik – besonders von der jüdischen Community. Denn die FPÖ in Niederösterreich ist mit ihrem Vorsitzenden Udo Landbauer stramm rechts und eng mit deutschnationalen Burschenschaften verzahnt. Genau diese Regierung ließ offenbar im Kapitel “Kultur” in letzter Minute den Erhalt jüdischer Friedhöfe aus dem Arbeitsprogramm streichen.
Bis in die Nacht verhandelten Landbauers FPÖ und Mikl-Leitners ÖVP vergangenen Donnerstag ein Arbeitsübereinkommen für die Regierungszusammenarbeit der nächsten 5 Jahre in Niederösterreich. Am Freitag in den frühen Morgenstunden wurden die letzten Änderungen in das Papier eingearbeitet. Um 9:55 wurde die finale Version abgespeichert, die Meldung mit dem Link zum Download ging um 16.01 online.
Ein Missgeschick der übermüdeten Verhandler gibt jetzt Einblick, welcher Punkt offenbar umstritten war und in letzter Sekunde noch aus dem Programm gestrichen wurde. Denn ein Verhandlungsteam hat einen Entwurf des Übereinkommens zum Download angeboten – neben Tippfehlern und Platzhalter gab es auch einen inhaltlichen Punkt, der sich in der finalen Version nicht mehr findet.
Im Kapitel „Kultur“ und „Verantwortung gegenüber der jüdischen Gemeinschaft in Niederösterreich“ wurde folgender Punkt ersatzlos gestrichen:
„Erhaltung und Sanierung der jüdischen Friedhöfe sowie Fürsorge für die Kriegs- und Opfergräber.“
Entwurf
Veröffentlichte Interims-Version
Die Änderung erscheint im Lichte der heftigen Kritik am niederösterreichischen Regierungsbündnis besonders brisant. Denn der neue Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) gehört zur Burschenschaft Germania, die ein Liederbuch mit NS-Gedankengut herausgab („Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“). Der Formulierung nach, wollte die FPÖ die Pflege der jüdischen Friedhöfe offenbar mit jener der Kriegergräber für Wehrmacht und SS-Angehörige verknüpfen und abtauschen. “Welch eine Verhöhnung der Opfer”, schreibt der Schriftsteller Doron Rabinovici auf Twitter dazu.
Kritik von Kultusgemeinde und Auschwitz Komitee
Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, kritisierte schon während den Verhandlungen eine mögliche Zusammenarbeit der ÖVP mit der FPÖ in Niederösterreich und empfahl der Landeshauptfrau den Abbruch der Gespräche:
„Ich appelliere an Landeshauptfrau Mikl-Leitner, die Gespräche mit dem politischen Arm der deutschnationalen Burschenschaften sofort zu beenden und Gespräche mit den anderen im Landtag vertretenen Fraktionen aufzunehmen.“
Auch das Internationalen Auschwitz Komitee ortet in der Zusammenarbeit mit der FPÖ Niederösterreich ein “bitteres Signal” für Österreichs und Europas Glaubwürdigkeit. “Der unverhohlene und aggressive Antisemitismus, den viele in dieser FPÖ mit den deutschnationalen Burschenschaften Österreichs teilen, ist ebenso skandalös, wie die Tatsache, dass die ÖVP mit dieser Koalition Rechtsextreme salonfähig werden lässt”, schreibt Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, in einer Aussendung.
Mikl-Leitner erklärte am Freitag noch, dass Teile der jüdischen Community ihre Entscheidung für Schwarz-Blau unterstützen:
„Er (Oskar Deutsch) weiß, dass mir die Anliegen der jüdischen Gemeinde wichtig sind. Selbstverständlich werde ich mich auch weiter um die Anliegen der jüdischen Gemeinschaft kümmern. (…) Ich erfahre auch Verständnis für diese Entscheidung aus diesem Bereich der jüdischen Community.“
Dass man in letzter Minute den Erhalt und die Sanierung der jüdischen Friedhöfe aus dem Regierungspapier strich, wird das Vertrauen nicht stärken.
[veröffentlicht am 18.3.2023 um 18.31, aktualisiert am 19.3. um 11.10]