Wie es dazu kommen konnte, dass dem MAN-Investor und ÖVP-Unterstützer Sigi Wolf Steuern in Millionenhöhe erlassen wurden, und das entgegen der Rechtsmeinung der Fachabteilung, wollte Abgeordnete im Untersuchungsausschuss im März wissen. Bei der Befragung der Spitzenbeamten aus dem Finanzministerium erhärtete sich der Verdacht, dass dies auf Wunsch des ÖVP-Netzwerkes rund um Thomas Schmid geschah. Nun ist Sigi Wolf persönlich vorgeladen und kann zur Causa Stellung nehmen.
2016 kam das Finanzamt nach einer Großbetriebsprüfung zu dem Entschluss, dass Siegfried Wolf rund 11 Millionen Euro an Steuern nachzahlen muss. Der nicht ganz kleine Betrag wurde auf Druck des ÖVP-Kabinetts, unter Federführung von Thomas Schmid, zunächst auf 7,6 Mio. Euro gesenkt. Und das, obwohl die Fachabteilung im Finanzministerium das als nicht rechtmäßig einstufte und sich zuerst dagegen aussprach. Als über die Steuersenkung von 3,4 Mio. Euro in der Schlussbesprechung entschieden wurde, sollte die „strenge“ Leiterin der Großbetriebsprüfung nicht dabei sein. Denn sie war der Meinung, dass Wolf die gesamte Summe zahlen müsse.
Also fand die Schlussbesprechung ohne die Leiterin der Großbetriebsprüfung statt, dafür aber mit dem Steuerberater von Wolf. Organisiert hat das damals Michael K. auf Bitte von Thomas Schmid. K . war stellvertretender Kabinettschef im Finanzministerium und ist heute dort Gruppenleiter.
Er ist jener Mitarbeiter, dem Schmid schrieb „Vergiss nicht – du hackelst im ÖVP Kabinett!! Du bist die Hure für die Reichen!”, als es darum ging, Sigi Wolf Steuern zu erlassen.
Im U-Ausschuss war er geladen, um über die Vorgänge hinter den Kulissen des Steuerdeals Auskunft zu geben. Auf die Frage, ob K. in der Causa Wolf beauftragt worden wäre, antwortet er:
“Klar, wenn ich Wolfs Steuerberater treffen soll, dann ist das ein Auftrag.“
Es sei nicht das einzige Mal gewesen, dass sich Steuerberater mit derartigen Anliegen an das Ministerium gewandt hätten. „Das ist in unregelmäßigen Abständen geschehen“, sagt K. Konnte sich allerdings trotz Nachfrage an keinen weiteren Fall, außer Wolf, erinnern.
Auch die Strafzinsen in Höhe von knapp 690.000 Euro wurden erlassen
Wolf bekam seinen Steuernachlass gegen den Willen der Finanzamtsprüfer schließlich, doch das war ihm noch zu wenig. Da er sein Einkommen nicht ordnungsgemäß versteuert hatte, drohten ihm zusätzlich Strafzinsen in Höhe von knapp 690.000 Euro. Auch die wollte er nicht bezahlen – und sie wurden ihm ebenfalls erlassen. Besonders eingesetzt hat sich dafür die Finanzvorständin Helga K. Als Gegenleistung dafür soll sie mutmaßlich einen Spitzenposten im Finanzamt Baden bekommen haben, dem „Flaggschiff” in diesem Feld, wie ein damaliger Beamter sagt. Das legt etwa der Chat nahe, in dem Wolf an Schmid schrieb: “Thomas, guten Morgen!! Ich habe mit der Dame geredet. Sie will Baden.”
Das Ausmaß der ÖVP-Interventionen im Fall Wolf “einzigartig”
Er habe so etwas noch nie erlebt, erklärt W., der ehemalige Fachvorstand in jenem Finanzamt, das das Steuerverfahren Wolf geführt hat. Was die Länge des Verfahrens, die hohe Geldsumme und auch die Einmischung des ÖVP-Generalsekretärs im Finanzministerium in Einzelsteuerfragen betrifft, sei das Verfahren einzigartig gewesen.
Ähnlich sieht das Gunter M., der längstdienende Sektionschef im Finanzministerium für die Sektion Steuerpolitik und Steuerrecht. Eine politische Intervention in dieser Intensität habe er noch nicht erlebt, sagt er.
„Mir blutet das Herz, wenn eine Handvoll Personen die Reputation des Ministeriums beschädigt“, ärgert sich M. gegenüber den Abgeordneten über den Ablauf des Steuerverfahrens.
Gemeinsames Essen mit Schmid und Benko
Auf einen anderen ÖVP-nahen Millionär – René Benko – angesprochen, erklärte M., dass er von Thomas Schmid den Auftrag bekam, gemeinsam mit ihm und René Benko Essen zu gehen. Schmid hätte dort angeboten, dass sich Benko jederzeit bei steuerlichen Anliegen melden könne – was dann allerdings nicht geschehen sei.
Für die Bemühungen von Thomas Schmid und dem ÖVP-Kabinett im Finanzministerium bedankte sich Wolf bei Schmid übrigens später per SMS und endete mit dem Satz:
„ich kaempfe auch fuer euch mit allen mitteln…“
Am 20. Dezember 2021 fanden in dieser Causa Hausdurchsuchungen statt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit und Bestechung. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Intrigen, Beschimpfungen und Manipulation: Das Worst-of der ÖVP-Chats kann man hier nachlesen.