Die Bundesanstalt für Bergbauernfragen gilt als „gallisches Dorf“ im ÖVP-dominierten Landwirtschaftsministerium. Die Forschungseinrichtung hat sich für Kleinbauern, Bergbauern und Umweltschutz eingesetzt. ÖVP und FPÖ machen sie nun dicht – und entledigen sich damit still und heimlich kritischer Stimmen in der Landwirtschaftspolitik.
Februar 2017: Zwei Redakteure von Kontrast.at sitzen auf einer kleinen nebelverhangenen Alm in der Steiermark inmitten hoher und prall gefüllter Bücherregale. Was wie eine Bibliothek aussieht, ist von außen tatsächlich ein kleiner Bergbauernhof. Der Bauer, der hier seine Pension mit seiner Frau verbringt, holt ein Buch aus dem Regal. „Im Kampf um ihre Rechte – die Geschichte der Bauern und Bäuerinnen in Österreich“ heißt es. Das Buch ist 2012 erschienen. Er hat es geschrieben.
Josef Krammer ist nie groß im Scheinwerferlicht gestanden. Dabei war er jahrzehntelang so etwas wie der oberste „Bauern-Rebell“ in Österreich. Die von 1979 bis 2007 von Krammer geleitete Bundesanstalt für Bergbauernfragen (BABF) hat sich für kleine Bäuerinnen und Bauern eingesetzt, für die Nebenerwerbslandwirtschaften, für Umweltschutz und Bergbauernhöfe. Das hat nicht allen im Landwirtschaftsministerium gefallen.
„Der ÖVP war unsere Arbeit immer ein Dorn im Auge. Am liebsten hätten sie das für kritische Stimmen so wichtige Forschungsinstitut abgedreht“, erzählt Krammer.
Er kritisiert, dass in Österreich Politik für Agrarkonzerne und Großgrundbesitzer gemacht wird während kleine Landwirtschaften sterben.
Nun ist die Warnung des Bergbauern Josef Krammer Realität geworden: ÖVP und FPÖ lösen die international angesehene und erfolgreiche Forschungsanstalt auf. Sie wird mit der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft (AWI) fusioniert. Die Regierungsparteien argumentieren das damit, dass beide Institute auf demselben Gebiet forschen würden und dass die Fusion Kosten erspart.
Um die Kostenfrage kann es bei der Auflösung nicht gehen
Ab diesem Punkt wird es interessant: Im vergangenen Jahr wollte die ÖVP noch bewusst Mehrkosten in Kauf nehmen, um das rebellische Institut nach Tirol übersiedeln zu lassen. Für die in Wien arbeitenden Forscherinnen und Forscher wäre das dem Ende ihrer Arbeit gleichgekommen. Sie konnten sich erfolgreich gegen den Umzug wehren. Das Kostenargument war der ÖVP damals nicht so wichtig.
Die Übersiedelung des Umweltbundesamtes nach Klosterneuburg wäre zudem ein Gegenbeispiel. Hier haben Kosten keine Rolle gespielt. Der Standortwechsel ins ÖVP-geführte Niederösterreich kostet 57 Millionen Euro.
Wer zu Agrarkonzernen forscht, wird sich nicht für Fragen von Bergbauern interessieren
Auch das Argument mit dem identen Forschungsschwerpunkt, ist zweifelhaft. Während sich die Bundesanstalt für Bergbauernfragen um kleine Landwirtinnen und Landwirte und um die Entwicklung des ländlichen Raums kümmert, geht es in der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft – wie der Name schon sagt – vor allem um Fragen der Agrarindustrie. Doppelte Forschungsstrukturen für denselben Bereich, wie von der Regierung behauptet, gibt es kaum. Und wenn es welche gab, wurden sie aus anderer Perspektive beleuchtet.
Ging es der ÖVP darum, kritische Landwirtschafts-Forschung zu verdrängen?
Der Verdacht, der sich einstellt: Ging es der ÖVP am Ende einfach darum, kritische Forscherinnen und Forscher zu entmachten und ihre Arbeit einzustellen? Viele landwirtschaftliche Organisationen sehen das so.
„Es ist völlig unverständlich, warum das Bergland Österreich keine eigenständige Bundesanstalt für Bergbauernfragen haben soll“, kritisiert die Österreichische Berg- und Kleinbauern-Vereinigung (ÖBV).
Auch die Umweltorganisation Global 2000 hält fest: „Die österreichische Forschungslandschaft verliert eine kritische, und wissenschaftlich international anerkannte und angesehene Stimme, für Umwelt- und Sozialgerechtigkeit und Gentechnik- und Pestizidfreiheit.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu großen Veränderungen in Österreichs Landwirtschaft. Mehr Maschinen wurden eingesetzt, immer weniger Menschen benötigt. Die soziale Position vieler Bäuerinnen und Bauern verschlechterte sich. Unzufriedenheit machte sich breit.
Die SPÖ-Alleinregierung Kreisky setzte daher in den 1970er Jahren eine völlig neue Landwirtschaftspolitik: eine aktive Berg- und Kleinbauernpolitik. „Die Bauern wurden unabhängiger und freier in dieser Zeit. Das war eine Regionalentwicklung von unten“, berichtet Josef Krammer.
Bergbauernhöfe wurden elektrifiziert, Gymnasien und Schulen in ländlichen Regionen gebaut. Die Klein- und Nebenerwerbsbauern haben Hilfe bekommen. Die Einführung des Bergbauernzuschusses und die Reform der Familienbeihilfe haben sich finanziell sehr positiv auf die Berglandwirtschaft ausgewirkt. Investitionen in die Infrastruktur haben den ländlichen Raum gestärkt. Auch die Bundesanstalt für Bergbauernfragen wurde in dieser Zeit gegründet.
Klein- und Bergbauern begannen die SPÖ zu wählen
Viele Klein- und Bergbauern wendeten sich in dieser Zeit von der ÖVP ab. Davon wusste auch der ehemalige ÖVP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter zu berichten: „Mein Vater war Bürgermeister der ÖVP und jedes Kind war Stamm-Mitglied des Bauernbundes. Also war klar, was zu wählen ist. Aber meine Mutter hat in den 70er-Jahren zwei Mal Bruno Kreisky gewählt, weil er das Stipendium für Bauernkindern eingeführt hat. Sie ging natürlich beichten und der Pfarrer hat ihr als Buße jeweils zwei Mal das „Gegrüßet seist du Maria“ aufgetragen. Das war also die Strafe in den 70ern, wenn man SPÖ gewählt hat.“
Krammer schließt sein Buch daher mit einem Aufruf: „Mit Verspottung und Ausgrenzung müssen auch heute andersdenkende, aufmüpfige und widerständige Bauern und Bäuerinnen rechnen. Der Spott und die Ausgrenzung sind in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten leichter zu ertragen. Es ist daher besonders wichtig, dass sich andersdenkende, aufmüpfige und widerständige Bauern und Bäuerinnen zusammenschließen.“