Die Stadt Villach war eine der Modellregionen der Aktion 20.000. In der Stadt haben 36 ältere Langzeit-Arbeitslose einen Job gefunden. Wie sich die Stadt dadurch entwickelt hat und welche Folgen das Ende der Aktion 20.000 hat, darüber haben wir mit dem Villacher Bürgermeister Günter Albel gesprochen.
Kontrast.at: Wie ist es dazu gekommen, dass Villach eine Modellregion für die Aktion 20.000 geworden ist?
Günter Albel: Villach und Kärnten generell haben mit Arbeitslosigkeit ein großes Problem gehabt. Vor allem mit Menschen, die über 50 sind. Und deshalb hat die Regierung damals Villach und die Region Spittal an der Drau ausgewählt, um die Aktion 20.000 umzusetzen. Ich kann mich noch erinnern, wie das damals war: Ich war unheimlich glücklich – also für die Menschen, die lange einen Job gesucht haben und die dann endlich eine Chance bekommen haben.
Kontrast.at: Und wie viele Menschen haben einen Job gefunden?
Günter Albel: Das AMS hat sich viel Mühe gegeben und viele Beratungen durchgeführt. Letztendlich haben 36 Langzeitarbeitslose in der Stadt Villach einen Job bekommen. Ich kenne jeden und jede von ihnen persönlich – und ihre Geschichten. Deshalb macht es mich auch so traurig, dass jetzt diesen Menschen von einen Tag auf den anderen der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Wenn man die Geschichten kennt, weiß man: Das sind Menschen, die haben hunderte Male versucht, einen Job zu finden. Da stecken Familien dahinter, die haben Kinder. Die Aktion 20.000 abzuschaffen… das schadet einfach Menschen.
Kontrast.at: Was sind das denn für Jobs, die man in Villach über die Aktion 20.000 geschaffen hat?
Günter Albel: Wir haben ganz neue Projekte begonnen. Villach ist ja High-Tech-Stadt im Süden Österreichs. Und wir haben gesagt, wir wollen die Digitalisierung aktiv vorantreiben. Viele reden davon, dass durch Digitalisierung Arbeitsplätze verloren gehen. Wir haben genau das Gegenteil gemacht: Wir haben Jobs geschaffen. Wir haben Mitarbeiter über die Aktion 20.000 aufgenommen, die scannen Daten ein und wir haben Computer-Techniker gefunden.
Ein anderer Job, der für uns eine Herzensangelegenheit ist, ist der „Kümmerer“. In Wien gibt es ja Hausbesorger und wir haben das in Kärnten lange nicht mehr gehabt: Menschen, die vor Ort sind und sich um die großen und kleinen Probleme von Bewohnerinnen und Bewohnern kümmern. Villach hat 1.500 eigene Wohnungen. Und wir wollten wieder einen „Kümmerer“, der für die Mieterinnen und Mieter da ist. Und das war jemand, der vorher schon einmal lange in einem Job tätig war, in dem er viel mit Menschen zu tun hatte. Herr Karl I. hat eine Leidenschaft, wenn es darum geht, mit Menschen und für Menschen zu arbeiten. Die Mieterinnen und Mieter sind von ihm hellauf begeistert. Die Arbeit als „Kümmerer“ ist sein Leben – das spürt man jeden Tag.
Kontrast.at: Die Stadt Villach hat auch einen „City Butler“ eingestellt. Was ist das für ein Job?
Günter Albel: Wir haben im Stadtmarketing jemanden aufgenommen, der Besorgungen und Einkäufe erledigt. Und er transportiert Pakete mit dem Rad zu Kunden und Kundinnen in der Stadt. Der Kollege ist sehr zufrieden – und auch die Einkäufer und Einkäuferinnen freuen sich, dass es ihn gibt.
Kontrast.at: Die Aktion 20.000 gab es jetzt eineinhalb Jahre in Villach. Was ist Ihr Resümee?
Günter Albel: Bei dieser Aktion war das Schöne, dass man sofort gesehen hat, wie sie tausenden Menschen geholfen hat. Sie hat real ihr Leben verbessert. Ich habe zum Beispiel einen Mitarbeiter im Stadtgarten, der gehörlos ist und der vorher keine Chance mehr bekommen hat. Dieser Mitarbeiter macht bei uns alle Blumentröge bzw. alle neuen Grün-Bepflanzungen in der Innenstadt. Das müssen Sie sich mal ansehen, was der alles geschaffen hat! Der hat sich eine eigene Marke kreiert. Man merkt sofort: Diese Bepflanzung stammt von diesem Gärtner.
Dieser Mitarbeiter wird auch weiterhin für die Stadt Villach arbeiten können. Wir versuchen es auch bei einigen mehr, dass sie bleiben können. Aber es wird uns nicht bei allen gelingen. Da gilt ja auch der Appell an die Bundesregierung. ÖVP und FPÖ haben gesagt, sie setzen die Aktion nur aus – in Wahrheit haben sie sie abgeschafft. Damit hat sie tausenden Menschen den Boden unter den Füßen weggezogen. Was heißt das für die Leute? Die haben alle jahrelang in die Kasse eingezahlt und haben ein Anrecht auf eine Leistung. Ist es gescheit, dass diese Menschen keinen Job bekommen und ihr Geld abholen?
Ist es nicht gescheiter, diese Leute bekommen einen Job, arbeiten und bekommen für diese Arbeit ihr Geld? Die Regierung sollte da dringend umdenken. Die Aktion 20.000 ist eines der besten Arbeitsmarkt-Projekte, die es in Österreich jemals gegeben hat. Die muss einfach weitergeführt werden.
Kontrast.at: Als Villach zur Modellregion geworden ist, hat sich ja auch die ÖVP gefreut, dass die Aktion 20.000 kommt. Wie ist heute deren Position, wo die ÖVP in der Regierung mit der FPÖ die Aktion eingestampft hat?
Günter Albel: Ich kann mich noch gut an die Wortmeldungen 2017 erinnern. Gemeinderäte der ÖVP oder auch ein heutiger ÖVP-Nationalrat – die haben alle die Aktion 20.000 gelobt. Die haben sogar gefordert, dass sie ausgeweitet wird, also dass auch private Unternehmen Jobs schaffen sollen. Damals wollten sie eine Ausweitung. Jetzt, wo die Regierung sie abgeschafft hat, kommen die Beschwichtigungen und Ausreden: „Es war ja nur ein Versuch, der hat nicht funktioniert“ und so weiter und so fort. Noch bevor die Aktion 20.000 als Ganzes durchgeführt wurde, noch bevor wir alle Erfahrungen sammeln und auswerten konnten, haben ÖVP und FPÖ die Aktion eingestampft. Ich finde es unglaublich, wie man da mit Menschen umgeht, ehrlich gesagt.
AKTION 20.000
20.000 Männern und Frauen auf Jobsuche hätte die Aktion 20.000 einen Arbeitsplatz und neue Hoffnung gegeben. Doch als eine der ersten Handlungen haben ÖVP und FPÖ die Aktion im Jänner 2018 eingestampft. Wer bis dahin seine Stelle noch nicht antreten konnte, wurde enttäuscht – und blieb ohne Job. 3.755 Männer und Frauen in ganz Österreich haben schlussendlich über die Aktion 20.000 einen Job gefunden. Jetzt, im Juni 2019, laufen ihre Stellen endgültig aus. Wie viele Gemeinden und Vereine einige der Stellen finanziell selbst stemmen und erhalten können, ist unklar.