Sowohl gegen den ÖVP-Nationalratspräsidenten Sobotka und gegen die ehemalige ÖVP-Vizechefin Glatz-Kremsner wird wegen Falschaussage ermittelt. Ein innenpolitischer Paukenschlag? Der bleibt aus. Die Geschichte schafft es auf kaum eine Titelseite des Landes. Im Gegenteil: Kurier-Chefredakteur Grasl spielt die Vorwürfe in seinem Leitartikel sogar hinunter.
Zwei ranghohe ÖVP-Politiker sind wegen Falschaussage angezeigt: Der Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und die ehemalige stellvertretende ÖVP-Vorsitzende und derzeitige Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner. Sobotka wird verdächtigt, bei seiner Befragung im U-Ausschuss 100.000 Euro von der Novomatic an seinen Verein „Alois Mock Institut“ bewusst verschwiegen zu haben. Glatz-Kremsner hat bei ihrer Einvernahme behauptet, mit niemandem aus der ÖVP-Spitze über ihre Bestellung zur Casinos-Chefin mit Millionen-Abfertigung gesprochen zu haben. SMS-Protokolle zeigen jetzt, dass das nicht stimmt.
Karrieregeilheit in der Politik
Doch trotzdem bleibt die Aufregung aus. Die Geschichte schafft es auf kaum eine Titelseite in diesem Land (mit Ausnahme der Kronen Zeitung), obwohl sie Karrieregeilheit und Unehrlichkeit unter Türkis-Blau offenlegt. Und zwar in einem Ausmaß, dass es normalen Leuten schon beim Lesen fast peinlich ist, was da raus kommt. Trotzdem spielt der Kurier die Fälle in einem Leitartikel sogar herunter: „Lassen wir die Kirche im Dorf“. Also Schwamm drüber, ist ja nicht so schlimm, dass da ÖVP-Politiker ein bisschen schummeln.
Aber das ist falsch: Der Skandal ist groß und verdient unsere Aufmerksamkeit. Denn man kann von Politikern sehr wohl mehr erwarten. Sogar ohne allzu hochtrabende Ideale sollte man sich in einem demokratischen Land zumindest auf eines verständigen können: Ranghohe Politiker und Repräsentanten einer Partei verpflichten sich auf einen Eid – dem Interesse Österreichs und der Allgemeinheit zu dienen. Egal, ob sie das mit einer konservativen, sozialdemokratischen, grünen oder rechten Grundüberzeugung tun. Sie sollten ihre politische Funktion nicht nur auszunutzen, um an Geld zu kommen – für sich selbst oder die Partei. Und man sollte auch ein gewisses Maß an Ehrlichkeit erwarten, wenn ein Politiker von Abgeordneten oder Staatsanwälten zu den Motiven und das eigene Handeln befragt wird. Das erwartet man nämlich auch von allen anderen Bürgern.
Wenn man diese Voraussetzungen charakterlich nicht erfüllt und es einem nur um das eigene Vermögen geht, gibt es ja abseits der Politik auch Möglichkeiten: Man kann sich zum Beispiel in der Finanzinvestment- oder Immobilien-Branche hocharbeiten.
Politiker, die den Staat ausnehmen
Bei Glatz-Kremsner ist der unverhohlene Karrierismus, dem sie ihre politische Verantwortung unterordnet, besonders extrem. Man kann fast verstehen, dass sie bei ihrer Einvernahme nicht die Wahrheit gesagt hat. Denn es scheint ihr in ihrer politischen Laufbahn für die ÖVP immer primär darum gegangen zu sein, auf der Karriereleiter voranzukommen und immer höhere Gagen zu beziehen.
Die ÖVP vermittelt uns gerne den Eindruck, es wären vor allem die Armen, die den Staat viel kosten. Das kommt vielleicht daher, dass die ÖVP-Granden von sich auf alle schließen. Sie denken, alle Österreicher würden so funktionieren wie viele ihrer Parteikollegen: Den Staat zielstrebig ausnehmen, um sich zu bereichern – auf Kosten anderer.
Glatz-Kremsner wurde mit 1. Mai 2019 Vorstandsdirektorin der Casinos Austria. Damals war sie auch noch Vize-Parteichefin der ÖVP, Bundeskanzler Kurz hat sie zwei Jahre davor dazu gemacht. 2017 hat sie ihm für seinen Wahlkampf 10.000 Euro gespendet. Kurz wollte sie laut eigenen Aussagen eigentlich zu seiner Finanzministerin machen.
“Du wirst dort CEO! Das MUSS klappen!”
Bei ihrer Einvernahme sagt Glatz-Kremsner, politische Netzwerke hätten bei ihrer Bestellung keine Rolle gespielt. Das mag man ihr nachsehen: Leute mit hohen Positionen und noch höhere Gagen glauben immer, alles ganz alleine erreicht zu haben. Dass sie in der Zeit ihrer Bestellung mit niemanden in der ÖVP in dieser Sache Kontakt hatte, wie Glatz-Kremsner behauptet, stimmt aber laut den Akten nicht. Der SMS-Verkehr mit dem damaligen Generaldirektor im Finanzministerium, Thomas Schmid, zeigt das Gegenteil. Auch er ist später mit Hilfe der ÖVP befördert worden: Zum Chef der Staatsholding ÖBAG – mit dazugehöriger steuerfinanzierter Gage.
Schmid und Glatz-Kremsner beraten sich mehrmals über ihren Weg an die Casino-Spitze. Er versichert ihr aus dem Finanzministerium: “Du wirst dort CEO!” Und setzt noch nach: “Das MUSS klappen”. Sie ist etwas nervös, aber zuversichtlich.
Bezeichnenderweise tauschen sich Schmid und Glatz-Kremsner in den Chatprotokollen ausschließlich über ihre Karriereziele aus, nicht über Wirtschaftspolitik und nicht über die Ausrichtung staatsnaher Unternehmen. Es geht nicht um eine Sache oder Idee, es geht um Posten und Geld.
Als es dann endlich klappt mit ihrem Vorstandsposten, schreibt ihr Schmid, der mittlerweile auch zum ÖBAG-Alleinvorstand aufgestiegen ist: “Hast du feiern können? Wir müssen anstoßen auf unsere neuen Karrieren” – “Ganz bald”. Glatz-Kremsner antwortete: “Ja – ein wenig. War gerade beim BK!!”. Gemeint ist Bundeskanzler Sebastian Kurz.
1,6 Mio. Abfertigung + 700.000 im Jahr für Glatz-Kremsner
Und was sind das für Karrieren, auf die Glatz-Kremsner und Schmid anstoßen wollen? Als Glatz-Kremsner von der Finanzvorständin zur Vorstandsvorsitzenden (CEO) der Casinos Austria AG (CASAG) befördert wurde, bekam sie 1,6 Mio. Euro Abfertigung von den Casinos. Normalerweise werden Abfertigungen beim Ausscheiden aus dem Unternehmen ausbezahlt, bei Glatz-Kremsner scheinbar auch beim Aufstieg zur CEO im selben Unternehmen. Dazu verdient sie laut CEO-Vertrag 700.000 Euro im Jahr.
Als die Frage nach der Abfertigung im U-Ausschuss aufkam, blockierte ihr Parteifreund Wolfgang Sobotka als Vorsitzender des U-Ausschuss die Befragung: Glatz-Kremsner müsse zu ihren horrenden Honoraren nicht Stellung beziehen, nicht einmal die Frage sei zulässig, so Sobotka.
Während die Vorstandsdirektorin Millionen einsteckt, wirft sie 600 MitarbeiterInnen raus – wegen der “Krise” im Unternehmen.
All das ist empörend: Politik ausschließlich als persönliche Karriereleiter zu sehen. Politische Macht und Netzwerke nicht für eine Entwicklung für das Landes zu nutzen, sondern um an Vorstandsposten und Millionen-Gagen zu kommen. Da sind die mutmaßlichen Falschaussagen nur die Spitze des Eisbergs. Sie sind außerdem unanständig. Weil sie die Missachtung dieser Menschen offenbaren – gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber den demokratischen Institutionen und den Leuten in diesem Land. Das richtet enormen Schaden an – materiell und ideell. Lassen wir die Kirche im Dorf: Die Aufregung sollte groß sein.
Dafür klagen diese Leut noch andere Medien ( zackzack ) und bekommen von einer dubiosen Richterin recht.