Arbeiter und Arbeiterinnen hätten ab Juli den gleichen Kündigungsschutz wie Angestellte bekommen sollen. Aktuell können sie in vielen Fällen von einem auf den anderen Tag gekündigt werden. Doch die Regierung hat das erneut nach hinten verschoben. SPÖ und Gewerkschaft orten ein “Geschenk an ÖVP-Wahlkampfspender”.
Selbst nach mehreren Arbeitsjahren kann eine Bäckereibesitzerin ihren Bäcker von einem Tag auf den anderen kündigen. Wenn die Chefin am Freitag die Kündigung ausspricht, ist der Bäcker am Montag arbeitslos. Gewerkschaft und SPÖ versuchen seit Jahren, den Kündigungsschutz von ArbeiterInnen an jenen von Angestellten anzugleichen. Denn der beträgt mindestens sechs Wochen und verlängert sich mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses auf bis zu fünf Monate.
Das scheiterte stets an der ÖVP. 2017 ist es der SPÖ, den Grünen und der FPÖ im freien Spiel der Kräfte im Parlament schließlich gelungen, die gleichen Rechte von ArbeiterInnen und Angestellten beim Kündigungsschutz zu beschließen. Dagegen stimmten ÖVP und NEOS. Bis 1. Jänner 2021 sollten ArbeiterInnen die gleichen Kündigungsfristen haben wie Angestellte. Die Übergangsfrist von drei Jahren sollte es allen Unternehmen und Branchen ermöglichen, sich auf die besseren Kündigungsfristen für ArbeiterInnen einzustellen.
“Ihr seid für uns Menschen zweiter Klasse” – weiterhin schlechter Kündigungsschutz für ArbeiterInnen
Doch seither hat die ÖVP die Angleichung bereits zwei Mal verzögert – mit Zustimmung der Grünen. Zunächst im Herbst 2020 von 1. Jänner 2021 auf 1. Juli 2021. Und nun kurz vor dem Inkrafttreten dann von Juli auf 1. Oktober 2021. Es darf bezweifelt werden, dass dieser Termin hält. „Damit sendet die türkis-grüne Bundesregierung ein deutliches Signal an Arbeiterinnen und Arbeiter: Ihr seid für uns Beschäftigte zweiter Klasse und sollt es auch bleiben“, betonen die Vorsitzenden der beiden größten ArbeiterInnengewerkschaften Rainer Wimmer (PRO-GE) und Roman Hebenstreit (vida) in einer Aussendung. Die Verzögerung interpretieren die beiden Gewerkschafter als “ein billiges Geschenk an ÖVP-Wahlkampfspender”.
Die Regierung begründet die Verzögerung mit Corona und tauscht den Kündigungsschutz für ArbeiterInnen offiziell mit der erhöhten Notstandshilfe für Arbeitslose ab. Dabei waren gerade ArbeiterInnen von kurzfristigen Kündigungen in der Covid-Krise besonders betroffen.
Regierung spielt ArbeiterInnen gegen Arbeitslose aus
„Es muss endlich Schluss sein mit der Ungleichbehandlung von Arbeitern und Arbeiterinnen gegenüber Angestellten. Hier werden wie am Schachbrett einfach ArbeiterInnen gegen Arbeitslose ausgespielt. Und das bei einer Rekordzahl von über 140.000 Langzeitbeschäftigungslosen“, kritisiert SPÖ-Sozialsprecher Beppo Muchitsch in einer Aussendung.
Die beiden Arbeitsrechts-Experten Alois Obereder und Michael Haider betonen, dass die Angleichung des Kündigungsschutzes ohnehin bereits ausgehöhlt sei: Denn Saisonbranchen sind ausgenommen – dort können weitere kürzere Kündigungsfristen gelten. Die Arbeitsrechtler fürchten, dass “der Saisonbegriff – zum Nachteil der Arbeiterinnen und Arbeiter – inflationär verwendet wird.” So könne etwa im Kollektivvertrag für Maler-, Lackierer- oder Fliesenlegergewerbe und für private Autobusbetriebe die Kündigungsfrist kürzer sein.