Nach der Vorarlberger Inserate-Affäre rund um den ÖVP-Wirtschaftsbund kommen jetzt auch die Inserate-Geschäfte der Tiroler ÖVP-Jungbauern/Landjugend ans Licht. Bis zu 250.000 Euro jährlich könnten über diesen Weg in die Teilorganisation der Volkspartei geflossen sein – ein erheblicher Teil davon von öffentlichen Stellen. Das ist innerhalb weniger Tage der zweite Skandal der Landjugend – haben sie doch, wie das zuständige Ministerium festgestellt hat, zu Unrecht 816.000 Euro Corona-Förderungen erhalten. Die zuständigen Tiroler ÖVP-Politiker Malaun und Geisler schweigen dazu im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss, umso lauter gebärdet sich die ÖVP-Fraktion, die alle Fragen der anderen Fraktionen zu verhindern versuchte.
Als ÖVP-Teilorganisation muss Landjugend 816.000 Euro Hilfsgelder zurückzahlen
Die Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend gehört laut ihrem Statut als Jugendorganisation zum Tiroler Bauernbund – der wiederum eine Teilorganisation der ÖVP ist. Als Partei-Organisation hätte sie demnach keinen Anspruch aus dem Corona-Fördertopf für NGOs gehabt. Nichtsdestotrotz haben 120 Ortsgruppen der Tiroler Jungbauern 2020 und 2021 einen Antrag gestellt – das ist fast jede zweite.
Sowohl hinsichtlich der Ähnlichkeiten der Antragsstellungen sowie den wortgleichen Antworten an das Ministerium, lässt sich vermuten, dass dieses Vorgehen zentral organisiert war. In vielen Anträgen wird als Kostenpunkt auch eine niederösterreichische Steuerberatung angeführt, deren Geschäftsführer der ehemalige Landjugend-Bundesleiter ist.
Mit dem Ergebnis, dass die Tiroler Landjugend insgesamt 853.000 Euro erhielt – 816.000 davon muss diese jetzt zurückzahlen, nachdem das zuständige Ministerium BMKÖS alle Anträge geprüft hat. Die Tiroler ÖVP-Jungbauern sind allerdings nur einer von vielen ÖVP-Vereinen, der sich an den Hilfsgeldern bedient hat.
Jetzt kommt auch noch eine Inserate-Affäre dazu
Jetzt kommen auch Einnahmen aus öffentlichen Inseraten in der Mitgliederzeitung der Tiroler Jungbauern ans Licht. Ihr Magazin „LOGO“ erscheint fünf bis sechs Mal im Jahr und dürfte laut Ö1-Morgenjournal pro Ausgabe rund 50.000 Euro an Inseraten-Einnahmen lukrieren. Ein erheblicher Teil davon stammt von öffentlichen Stellen, etwa vom Landwirtschaftsministerium. Dieses empfiehlt das Magazin laut Impressum auch als Schullektüre:
„Vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft als Lehrbehelf für land- und forstwirtschaftliche Schulen empfohlen“, ist im Impressum zu lesen.
Doch das Ministerium ist nicht die einzige öffentliche Stelle, die für Werbung bei den ÖVP-Jungbauern bezahlt. So finden sich etwa in allen Ausgaben Inserate der Agrarmarketing Tirol GmbH (AMTirol), die über eine Holding zu 100 Prozent im Eigentum des Landes Tirol ist. Im Aufsichtsrat sitzen ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter sowie sein Stellvertreter Josef Geisler. Geisler ist außerdem nicht nur Obmann des Tiroler Bauernbundes, sondern auch Aufsichtsratsrat-Vorsitzender in der Tiroler Versicherung. Seit 2018 schaltet die Tiroler Versicherung ganzseitige Inserate bzw. bezahlte redaktionelle Beiträge (sogenannte Editorials).
ÖVP-Ministerium und Unternehmen im Eigentum des Landes Tirol zahlen
Wenn man die Zeitschrift durchblättert, findet sich in der Ausgabe 2/2019 ein Inserat des Ausbildungszentrums West für Gesundheitsberufe der Tirol Kliniken GmbH mit Logopräsenz der landwirtschaftliche Landeslehranstalt Imst. Beide sind zu 100 Prozent Einrichtungen des Landes Tirol.
Auch das Land Tirol selbst wirbt teilweise mit ganzseitigen Inseraten in der Landjugend-Zeitung – seit der 5. Ausgabe 2020 in jedem einzelnen Heft.
Bis vor wenigen Tagen waren die Ausgaben 2018 und 2019 auch auf der Homepage verfügbar, wurden inzwischen aber entfernt – ebenso ist die Seite der Jungbauern inzwischen „under construction“. Das erinnert an den Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund, der nach Aufkommen des Skandals sein Magazin von der Website genommen hat.
Im U-Ausschuss: Verzögerungstaktik und Zudecken
Die Inserate-Geschäfte der Tiroler Landjugend waren Thema im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss. Hochrangige Vertreter der Tiroler ÖVP waren geladen, etwa Landesgeschäftsführer Martin Malaun sowie Landeshauptmann-Stellvertreter und Bauernbund-Obmann, Josef Geisler. Doch die ÖVP wollte partout nicht darüber reden. Bei nahezu jeder Frage wollten die Befragten von der Verfahrensrichterin wissen, ob die Fragen zulässig sind, unterstützt wurden sie dabei verlässlich von der ÖVP-Fraktion, die jede einzelne Frage der anderen Parteien mit Geschäftsordnungseinwänden verhindern wollte. Mussten sie nach langem Hin und Her doch antworten, konnten sie sich kaum an etwas erinnern, weder was Inserate in ÖVP-Zeitschriften, noch die Corona-Hilfszahlungen an die Landjugend betraf.
Das führte zu teils absurden Gesprächssituationen: Etwa die Frage, wann Josef Geisler Mitglied des Bauernbundes wurde und wie der zur ÖVP steht, wollte die ÖVP nicht zulassen. Obwohl die Verfahrensrichterin sie anschließend zugelassen hat, folgte eine Stehung – und verzögerte die Beantwortung nochmals deutlich.
Und der Tiroler Landjugend-Chef Dominik Traxl? Dieser weiß in seiner Befragung erstaunlich wenig über die Tiroler Landjugend-Zeitung LOGO. So wisse er etwa nicht, wer Medieninhaber ist, wem die Einnahmen aus Inseraten zugutekommen, wie viel ein Inserat kostet und auch nicht, welcher Mitarbeiter wissen könnte, wie viel ein Inserat kostet. Traxl kandidiert auf VP-Listenplatz 7 für die kommende Landtagswahl – könnte demnach also bald in den Tiroler Landtag einziehen.