Während Handelsunternehmen Gewinne erwirtschaften, gibt es für Beschäftigte zu niedrige Zuschläge, Personal-Engpässe und zu niedrige Gehälter. Während Beschäftigte acht Stunden am Tag und mehr im Geschäft stehen, spontan Überstunden leisten, können sie sich oft selbst ihre privaten Einkäufe nicht mehr leisten. Das muss sich ändern, sagt Helga Fichtinger von der Gewerkschaft GPA.
Es geht um das Einkommen von 430 000 Beschäftigten im Handel, überwiegend Frauen (63 Prozent): Jede 5. erwerbstätige Frau in Österreich arbeitet im Handel, die meisten von ihnen in Teilzeit mit niedrigen Einkommen. 10 Prozent Lohnplus fordert die Gewerkschaft zu Beginn der Verhandlungen im Oktober, um die hohe Inflation für die Angestellten auszugleichen – und als Lohn für die enorme Arbeitsbelastung in den letzten Jahren. Doch auch die 4. Verhandlungsrunde ist am Mittwoch gescheitert, die Arbeitgeber wollen nur 5 Prozent mehr zahlen.
Die Handelsangestellten werten das Angebot der Arbeitgeber als “Beleidigung”, wie man vergangene Woche bei Demonstrationen in Wien und Salzburg hören konnte. Zumindest acht Prozent müssen drin sein, erklärte so gut wie jede Demonstrantin. Eine Einmalzahlung ist dort für niemanden ein Ersatz für einen guten KV-Abschluss. Und weil die Enttäuschung der Angestellten so groß ist, droht im Handel etwas, was es dort eigentlich noch nie gegeben hat: Warnstreiks – Anfang Dezember, mitten im Weihnachtsgeschäft.
Um einen Kompromiss wahrscheinlicher zu machen, hat die Gewerkschaft bei der letzten Verhandlungsrunde ihre Forderung von ursprünglich 10 auf 8,5 Prozent gesenkt. Doch die Arbeitgeber wollen nicht mehr als 5 Prozent Gehaltsplus bieten, als Ersatz wollen sie eine Einmalzahlung von 3 Prozent. Doch GPA-Chefverhandlerin Helga Fichtinger bezeichnet die Einrechnung von Einmalprämien ins Lohnplus als „Mogelpackung“, weil sie dann im Jahr darauf beim Gehalt fehlt – die Preise werden dann aber nicht gesunken sein.
Deshalb finden diese Woche in 300 Geschäften Betriebsversammlungen statt. Die Gewerkschaft informiert das Personal über die Verhandlungen und holt sich vom ÖGB die Streikfreigabe. Die Warnstreiks sollen am Freitag, den 2. und Samstag, den 3. Dezember stattfinden. Davor will es die Gewerkschaft aber noch einmal am Verhandlungstisch probieren, sie hat für 29.11. einen Termin vorgeschlagen. Ob die Arbeitgeber das Angebot annehmen, weiß man noch nicht.
Beim Einkommen liegen Reinigungskräfte und Einzelhandelsangestellte am unteren Ende in Österreich – sie verdienen im Schnitt weniger als 1.300 Euro netto pro Monat und kommen mit ihrem Einkommen mehrheitlich nur knapp oder gar nicht aus, wie eine SORA-Untersuchung ergeben hat.
Beschäftigte im Einzelhandel sind auch häufiger geringfügig, befristet oder als LeiharbeiterInnen beschäftigt als in anderen Branchen. 22 Prozent der Kassa- und Verkaufskräfte kommen aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien oder osteuropäischen Ländern.
Überstunden gehören für viele von ihnen zum Arbeitsalltag: 7 von 10 Beschäftigten im Handel müssen regelmäßig Überstunden machen.
Interview mit Chef-Verhandlerin Helga Fichtinger zum Beginn der Verhandlungen
Kontrast.at: Von Lebensmitteln bis hin zu Kleidung und Elektroprodukten: Die Preise steigen ungebremst. Sind wir bald an dem Punkt, dass sich die Handelsangestellten die Produkte in ihren eigenen Geschäften nicht mehr leisten können?
Helga Fichtinger: Handelsbeschäftigte haben wirklich keinen finanziellen Spielraum mehr. Die hohe Teuerung frisst im Alltag alles weg. Egal ob beim Einkaufen, beim Tanken, bei der Stromrechnung – es geht sich nicht mehr aus.
Mit welcher Gehalts-Forderung geht ihr in die KV-Verhandlung?
Helga Fichtinger: Wir fordern heuer eine kräftige, dauerhafte Gehaltssteigerung für alle Handelsbeschäftigten in Höhe von 10 %. Diese 10 %-Forderung wurde genau überlegt und sie ist für Unternehmen auch leistbar. Die zugrundeliegenden Zahlen: eine rollierende Inflation in Höhe von 6,9 % (für die letzten 12 Monate), ein BIP von 4,3 % und gute Ergebnisse der Handelsbranche in den abgelaufenen 12 Monaten.
Die Handelsunternehmen und ihre Beschäftigten haben sehr gut gewirtschaftet. Daher ist es jetzt an der Zeit, dass die Beschäftigten ihren gerechten Anteil in Form einer kräftigen, dauerhaften Gehaltserhöhung bekommen.
Einmalzahlungen des Staates: die haben sich die Beschäftigten ohnehin selbst bezahlt
Was ist die Position der Arbeitgeber-Seite? Sind die bereit, der Forderung nachzukommen?
Helga Fichtinger: Von Arbeitgeberseite wird argumentiert, dass die bereits ausbezahlten „Einmalzahlungen“ vom Staat einzuberechnen sind. Das lehnen wir entschieden ab, denn somit würde sich z.B. eine Handelsbeschäftigte als Steuerzahlerin gleich zweimal ihre eigene Gehaltserhöhung bezahlen! Auf die Behauptung, dass jetzt wieder alles schlecht wird und die Kauflaune abnimmt, kann ich eine einfache und klare Antwort geben: Die Kaufkraft können wir steigern, indem wir ganz speziell die Handelsgehälter kräftig erhöhen und diese dann unmittelbar wieder in die Kaufkraft und somit auch in den Handel zurückfließen. Jeder 7. Arbeitsplatz wird mittlerweile vom Handel geschaffen.
Der Handel ist nicht gerade für gute Arbeitsbedingungen berühmt. Was sind die größten Probleme?
Helga Fichtinger: Die Arbeitsbedingungen, der Arbeitsdruck und der Stress sind mittlerweile auf einem Niveau angekommen, das nicht mehr erträglich ist. Es fehlt oft an Personal. Kolleginnen und Kollegen müssen die Engpässe ausgleichen, kurzfristig einspringen – und haben keine Planbarkeit für die Arbeit, aber auch nicht für die Familie. Das muss sich dringend ändern.
Auch hier gibt es einige Möglichkeiten, die für beide Seiten eine win-win-Situation sein kann: Verkürzung der Öffnungszeiten, statt einer 6-Tage-Woche eine 5-Tage-Arbeitswoche für Handelsbeschäftigte und selbstverständlich gutes Gehalt, von dem man leben kann. Wenn der Beruf attraktiver ist, findet man auch Personal, das gut arbeiten kann.
Sind Streiks eine Option, um den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen?
Helga Fichtinger: Streiks sind immer die letzte Eskalationsstufe. Wenn am Verhandlungstisch nichts mehr geht, dann ist Streik legitim und selbstverständlich eine Maßnahme. Heuer verspüren wir sehr großen Rückenwind, dass die Angestellten auch für diesen letzten Schritt bereit sind, wenn es notwendig wird.
Stellen Sie sich vor, es ist der 8. Dezember – und kein einziger Angestellter steht im Geschäft. Die Weihnachtszeit rückt ja auch näher.
Streiks würden Unternehmen in der Vorweihnachtszeit empfindlich treffen – darum sollten sie Interessen von Beschäftigten ernst nehmen
Einige Händler haben angekündigt, die Temperaturen in den Geschäften herunterzusetzen. Kann das wirklich passieren?
Helga Fichtinger: Hier gibt es ganz klare gesetzliche Vorgaben, die nicht unterschritten werden dürfen. Jene Geschäfte im Süden Österreichs, die mit dem „Tiefkühlangebot“ rausgegangen sind – haben diese Maßnahme bereits aufgrund gewerkschaftlichen Drucks wieder zurückgenommen. Auch hier gilt: Wenn die Arbeitsbedingungen nicht passen, wird sich die Personalknappheit mit Krankenständen und nicht besetzten Stellen noch mehr verschärfen. Die Arbeitgeber haben es also selbst in der Hand, die Situation im eigenen Geschäft zu verbessern und somit auch die Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten.
[Das Interview wurde am 25. Okt. 2022 veröffentlicht, der Artikel am 24. November aktualisiert].
Nicht nur “REDEN” sondern WIRKLICH kämpfen, so wie es in Deutschland gemacht wird! Sofort den STREIK ausrufen und nicht “Mauscheln”, wie es gerade passiert! Das bringt den AN NICHTS, nur weniger im Börserl.
Übrigens:Man lebt nur vom NETTO-LOHN!! Daher nur auf NETTO-LOHN-PASSIS verhandeln!! Oder NETTO Stunden-Lohn von 17.50€ 0 ca. 2200.-€ mtl.bei einer 30 Wochenstunde.Das wollen jetzt ALLE, wegen der AL + Freizeit Gestaltung der Jugend. Die Armut wird auch weniger!!
Du bist sicher einer der ersten die heulen wenn die Geschäfte zu sind
Ich wünsche den Beschäftigten im Handel viel Erfolg . Nicht aufstecken , auch wenn nötig kämfen !
Diese korrupte Regierung soll alle Corona Hilfen bei Unternehmen einrechnen, die überördert wurden und jetzt nach Energiekosten Zuschuss schreien. Überförderungen zurück holen will diese korrupte schwarze Brut mit grünen Beiwagerl nicht. Sie lehnen es ab! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Zahlen zuviel aus und wollen es nicht zurück holen. Irgendein Gegeggeschäft wird für jemanden aus der korrupten Regierung schon drin sein……