Die EU arbeitet am Budget für 2028 bis 2034 – und sucht nach neuen Einnahmen. Weil Digitalisierung, Energiewende und internationale Krisen immer mehr Geld kosten, schlägt die Kommission Steuern vor, die direkt ins EU-Budget fließen sollen. Denn: Die Mitgliedstaaten wollen keine höheren Beiträge zahlen. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht mitunter vor, dass große Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz, einen Solidarbeitrag leisten müssten.
Wenn die Europäische Union ihr Budget plant, macht sie das nicht jährlich, sondern in großen, mehrjährigen Blöcken. Dieser Plan heißt Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR). Er legt fest, wie viel Geld die EU in sieben Jahren maximal ausgeben darf und wofür. Der aktuelle Finanzrahmen umfasst rund 1,2 Billionen Euro (also 1.200 Milliarden Euro) für den Zeitraum 2021 bis 2027. Für das Budget von 2028 bis 2034 sind knapp 2 Billionen Euro geplant.
Um eine Vorstellung zu bekommen, wie viel Geld das ist: Die Ausgaben im österreichischen Bundesbudget liegen 2025 bei rund 123 Milliarden Euro. Der EU-Finanzrahmen umfasst also für 7 Jahre ungefähr das 16-Fache eines österreichischen Jahresbudgets.
EU-Budget muss Energiewende und Digitalwende abdecken
Digitalisierung und Energiewende sind zentrale politische Projekte und gleichzeitig sehr teuer. Die EU will in moderne Netze, Forschung, erneuerbare Energien und Infrastruktur investieren. Gleichzeitig steigen die sicherheits- und geopolitischen Herausforderungen.
Ab 2028 müssen außerdem erstmals die Schulden von dem im Jahr 2021 gegründeten Wiederaufbaufonds “NextGenerationEU” zurückgezahlt werden. NextGenerationEU ist ein Programm der EU, das die Mitgliedstaaten nach der Pandemie und der damit verbundenen Wirtschaftskrise beschlossen haben. Der Wiederaufbaufonds ist mit mehreren hundert Milliarden Euro dotiert. Ziel war, Investitionen innerhalb der EU anzukurbeln, die Wirtschaft zu stärken und die Digitalisierung sowie den Klimaschutz voranzutreiben. EU-Länder konnten Schulden aufnehmen und mussten mit dem Geld nicht ihre eigenen Budgets direkt belasten. Österreich konnte mit diesem Fonds beispielsweise die eigene Schuldenbremse umgehen und trotzdem Investitionen für die Zukunft tätigen.

Die EU-Kommission will Eigenmittel aus eigenen Steuern, statt die Beiträge der Mitgliedsländer zu erhöhen
Trotz dieser Mehrbelastungen auf EU-Ebene wollen viele Mitgliedstaaten nicht dauerhaft höhere nationale Beiträge an die EU zahlen müssen. Deshalb sucht die EU nach neuen Einnahmequellen, die unabhängig von den staatlichen Budgets funktionieren. Diese neuen Einnahmen heißen Eigenmittel. Das bedeutet: Geld, das nicht aus den nationalen Haushalten kommt, sondern über bestimmte Abgaben oder Anteile an Einnahmen direkt an die EU geht.
Die EU-Kommission hat fünf Maßnahmen vorgeschlagen. Nach Angaben der Kommission soll das neue System der Eigenmittel insgesamt 58,2 Mrd. Euro pro Jahr einbringen.
Jährlicher Beitrag von großen Unternehmen ist einer von fünf Vorschlägen
- Eine zentrale Geldquelle sollen die Einnahmen aus dem Emissionshandel (ETS) sein. Dabei kaufen bestimmte Industrien wie Stahl-, Zement- oder Energieunternehmen Verschmutzungsrechte, also Zertifikate dafür, wie viel CO₂ sie ausstoßen dürfen. Das Geld für die Zertifikate fließt derzeit zu einem großen Teil in die Haushalte der Mitgliedsstaaten, die jedoch dazu verpflichtet sind, das Geld direkt in Klimaschutzprojekte zu investieren. Der Vorschlag der Kommission lautet: 30 Prozent dieser Einnahmen sollen künftig direkt ins EU-Budget fließen. CO₂ ist ein Treibhausgas. Durch menschliche Tätigkeiten entstehendes CO₂ trägt am stärksten zur Erderwärmung bei und der Ausstoß soll laut Forscher:innen und laut der EU daher reduziert werden.
- Ein weiterer Teil betrifft den CO₂-Grenzausgleich (CBAM). Wenn Produkte aus dem Ausland mehr CO₂ verursachen als vergleichbare Produkte innerhalb der EU, muss der Importeur eine Abgabe zahlen. Die Referenz dafür ist der CO₂-Preis innerhalb der EU. Die Idee ist, europäische Unternehmen vor unfairen Wettbewerbsnachteilen zu schützen und Klimaschutz global zu fördern. Die Kommisson will, dass 75 Prozent dieser Einnahmen künftig ins EU-Budget fließen.
- Die Kommission schlägt außerdem eine Abgabe auf nicht gesammelten Elektroschrott vor: 2 Euro pro Kilogramm. Länder, die wenig recyclen, würden dadurch mehr zahlen und sollen motiviert werden, ihre Sammelsysteme zu verbessern. Laut der EU werden aktuell lediglich weniger als 40 % des Elektroschrotts recycelt. Bisher sind Hersteller und Importeure in der Pflicht, Altgeräte zurückzunehmen und sicher zu recyceln. Die Mitgliedsstaaten müssen aktuell laut EU-Vorschrift eine gewisse Quote an Sammelstellen zur Verfügung stellen.
- Zudem soll ein kleiner Teil der Tabaksteuer künftig direkt ins EU-Budget fließen: 15 Prozent der Mindeststeuer auf Tabakprodukte. Heute landen alle Tabaksteuern in den nationalen Haushalten – in Österreich fließen sie vollständig an den Staat. Künftig würde ein kleiner Anteil davon zur EU gehen. An den Preisen für Konsument:innen soll sich dadurch nichts ändern.
- Die letzte Maßnahme ist betrifft große Unternehmen: die Corporate Resource for Europe (CORE). Das wäre eine jährliche Abgabe für Firmen, die mehr als 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr machen. Sie soll als „solidarischer Beitrag“ zum EU-Budget verstanden werden und betrifft nur sehr große Unternehmen.
CORE: Was der Solidarbeitrag für Unternehmen bedeuten würde
Die Idee hinter CORE ist, dass große Konzerne besonders stark vom EU-Binnenmarkt profitieren. Sie bewegen ihre Waren frei über Grenzen, nutzen einheitliche Regeln und haben Zugang zu einem Markt mit 450 Millionen Menschen. Dafür sollen sie einen fixen Beitrag leisten.
Die Höhe dieses Beitrags richtet sich nicht nach dem Gewinn, sondern nach dem Umsatz. „Umsatz“ bedeutet: Einnahmen aus Verkäufen, bevor Kosten abgezogen werden.
Die gestaffelten Beiträge würden laut EU-Kommission so aussehen:
| Umsatz pro Jahr | von der EU-Kommission angedachter Beitrag |
|---|---|
| 100-250 Mio. Euro | 100.000 Euro |
| 250-500 Mio. Euro | 250.000 Euro |
| 500-750 Mio. Euro | 500.000 Euro |
| mehr als 750 Mio. Euro | 750.000 Euro |
Bei 100 Millionen Umsatz handelt es sich demnach um einen Beitrag von 0,1 %. Die Kommission schätzt, dass der CORE-Solidarbeitrag etwa 6,8 Milliarden Euro pro Jahr einbringen würde. Erhoben würde dieser Beitrag von den Mitgliedstaaten im Auftrag der EU.
Mehr Umverteilung durch CORE? Neue Einnahme der EU erntet Zuspruch und Kritik
Ein wichtiger Hintergrund für den angedachten CORE-Solidarbeitrag ist die seit Jahren feststeckende globale Digitalsteuer („Pillar 1“). Diese sollte eigentlich sicherstellen, dass große Digitalkonzerne wie Google, Amazon oder Meta fair besteuert werden und nicht ihre Gewinne in Steueroasen verschieben. Doch laut Medienberichten blockieren die USA, in denen viele dieser Konzerne ihren Sitz haben, die Umsetzung. Viele Länder dürfen deshalb keine eigene Digitalsteuer einführen, ohne das Risiko eines Handelsstreits einzugehen. Für die EU ist CORE daher eine Art Ersatzlösung: eine Abgabe, die ähnlich funktioniert, aber nicht offiziell „Digitalsteuer“ heißt.
Es gibt jedoch auch Kritik. Die wichtigste betrifft die Bemessungsgrundlage: Eine Abgabe auf Umsatz trifft auch Unternehmen, die knapp kalkulieren und nur geringe Gewinnmargen haben. Firmen, die viel Umsatz machen, aber wenig Profit erwirtschaften, zahlen also verhältnismäßig mehr als hochprofitable Konzerne. Kritisch wird auch betrachtet, dass die Staffelung der Beiträge auf maximal 750.000 Euro beschränkt ist und die größten Unternehmen (wie beispielsweise Meta) damit prozentual weniger belastet werden als mittelgroße Unternehmen.
Zudem sind direkte Steuern eigentlich Sache der Nationalstaaten, nicht der EU. Die EU darf nur dann in die Steuerpolitik eingreifen, wenn alle Staaten zustimmen. CORE wird zwar als „Beitrag“ und nicht als Steuer bezeichnet, kommt in seiner Wirkung aber einer Steuer nahe. Ob das rechtlich hält, ist offen.
Könnte Ungarn das Vorhaben blockieren?
Damit die neuen Eigenmittel beschlossen werden können, braucht es Einstimmigkeit im Rat der EU. Das bedeutet: Jeder Mitgliedstaat hat ein Vetorecht. Anschließend müssen alle Staaten das Gesetz auch noch national ratifizieren, also in ihren jeweiligen Parlamenten besprechen und dann gesetzlich umsetzen.
Ungarn wird im Zusammenhang mit Einstimmigkeit für die EU oft genannt, weil das Land unter Viktor Orbán mehrfach EU-Vorhaben blockiert oder mit Blockaden gedroht hat, um politische Zugeständnisse zu erzwingen, etwa bei EU-Hilfen für die Ukraine. Auch andere Länder könnten gegen das Vorhaben stimmen, wenn sie Nachteile für die eigene Wirtschaft befürchten.
Klima und Konsumentenschutz: So haben Österreichs EU-Abgeordnete abgestimmt



































