Wenn wir über Pensionen reden, reden wir vom Lebensunterhalt eines Viertels der Bevölkerung. Im Vergleich mit deutschen Rentnern erhalten österreichische Pensionisten im Schnitt 500 Euro mehr pro Monat. Warum das so ist, was das Pensionssystem hierzulande so stabil macht und warum sich private Vorsorge nicht rechnet, hat uns Alois Freitag erklärt. Er ist Vorsitzender des Landesstellen-Ausschusses der Pensionsversicherungs-Anstalt (PVA).
Kontrast.at: Wie ist es um das österreichische Pensionssystem bestellt?
Alois Freitag: Das österreichische Pensionssystem ist stabil und hat sich nachhaltig bewährt. Es ist auch im internationalen Vergleich herausragend. Wir haben sogar nach der Wirtschaftskrise gesehen: Auf die Pensionen hat sich die Krise nicht negativ ausgewirkt. Die österreichischen Pensionisten hatten sogar Steigerungen bei ihren Bezügen. Während in anderen Ländern die Pensionen gesunken sind. Vor allem dort, wo privat in Pensionen eingezahlt wird. Denn die Performance privater Versicherungsfirmen sind negativ gewesen in diesen Jahren. Da ist den Pensionisten am Ende des Tages weniger übrig geblieben.
In Deutschland hat man ja stark auf private Vorsorge gesetzt.
Alois Freitag: Genau. In Deutschland hat man Anfang der 2000er Jahre das Pensionssystem gesplittet, unter dem Titel „Riester Pension“. Wenn man hier den Vergleich anstellt, gemessen am durchschnittlichen Lebenseinkommen eines Mannes, sieht man: Wenn man in Deutschland monatlich 2.500 Euro verdient hat, bekommt man als Rentner 1.050 Euro – und zwar 12 Mal im Jahr. In Österreich ist das anders. Pensionisten mit einem monatlichen Arbeitseinkommen von 2.500 Euro erhalten später 1.560 Euro Pension – und zwar 14 Mal im Jahr. Das ist ein haushoher Unterschied. Und das ist der Grund, warum die Deutschen sehr neidvoll nach Österreich blicken.
Jetzt wirbt Finanzminister Löger – wie schon zuvor andere ÖVP-Politiker – für die private Vorsorge. Rentiert sich das wirklich für den Einzelnen?
Alois Freitag: Bei der privaten Vorsorge ist Skepsis angebracht. Es gibt aktuell ja vom Fachverband der Pensionskassen die Information über die Performance des Jahres 2018. Und da zeigt sich: Die Leistung war schlecht und am Ende hatten die Kassen ein Minus von 5,5 Prozent. Das betrifft alle 18 Kassen, sowohl betriebliche als auch private. Alle hatten sie ein Minus von 5,5 Prozent. Und das bedeutet am Ende des Tages: Ich bekomme weniger Geld ausbezahlt, als ich eingezahlt habe. Und das ist – weil ich weniger Geld zum Verbrauchen habe – auch Geld, das der Wirtschaft fehlt. Und was man sagen muss:
Wenn man sich ausrechnet, wie alt man werden muss, damit man am Ende mehr ausbezahlt bekommt, als man eingezahlt hat, dann ist das ernüchternd. Denn man müsste 91 Jahre alt werden. Das sagt ja auch schon einiges. (Alois Freitag erklärt, warum sich private Vorsorge nicht rechnet)
Private Vorsorge wurde ja auch unter Kanzler Schüssel und Finanzminister Grasser beworben. Hat sich das für Menschen ausgezahlt, die das damals gemacht haben, also die privat in Pensionskassen eingezahlt haben?
Alois Freitag: Die Diskussionen dazu gibt es ja immer wieder. Und die Absicht dahinter ist meiner Meinung nach sehr durchsichtig. Wenn jetzt zum Beispiel Finanzminister Löger sagt, dass sich der Staat die Pensionen nicht mehr leisten kann, dann überrascht mich das zutiefst. Denn er wird ja – wie ich auch – die Zahlen kennen. Das sind ja keine erfundenen Zahlen, sondern Berechnungen der EU. Und die zeigen, dass unser System in Österreich, das Umlagesystem, hervorragend funktioniert und leistbar ist. Zu Schwarz-Blau Anfang der 2000er Jahre: Damals entstand von Seiten der Regierung die Idee einer „staatlich geförderten Zukunftssicherung“, wie das damals genannt wurde. Da haben sie private Vorsorge propagiert und Versicherungen haben versucht, ihre Produkte an den Mann und an die Frau zu bringen.
Aber die Menschen haben dann relativ schnell davon Abstand genommen. Denn die Zinsverläufe, die die Versicherungen prognostiziert haben, sind nicht eingetroffen. Es hat sich nicht verkauft. Selbst die Versicherungswirtschaft war davon peinlich berührt und man hat das langsam wieder eingestampft. Die Performance, die sie versprochen haben, wurde nicht ansatzweise erfüllt.
Wenn man das alles aber weiß, warum redet man dann vor allem jungen Menschen ein, dass sie eine private Pensionsversicherung brauchen?
Alois Freitag: Die Pensionssysteme schlecht zu reden, vor allem bei den Jungen, soll ja nur dazu führen, dass diese Menschen verunsichert sind.
Dass sie Angst haben, dass sie irgendwann arm sind – und deshalb glauben, vorsorgen zu müssen. Das dient ausschließlich der Versicherungswirtschaft, vor allem den großen Anbietern.
Die kommen mit Versprechen über die nächsten 30, 40 Jahren, die sie dann aber nicht einhalten.
Nun ist aber Altersarmut etwas, vor dem sich viele fürchten, vor allem Frauen.
Alois Freitag: Die Pensionsreform unter Schwarz-Blau Anfang der 2000er Jahre hat Frauen massiv negativ getroffen. Denn Frauen haben oft keine durchgängigen Karriere-Verläufe. Sie haben Unterbrechungen, weil sie häufiger die Kinderbetreuung übernehmen und Familienarbeit leisten. Deshalb arbeiten Frauen auch häufiger Teilzeit. In anderen Ländern wie Deutschland kann es einer Frau durchaus passieren, dass sie dann von 600 Euro leben muss. In Österreich gibt es aber die Ausgleichszulage. Das bedeutet, hier sorgt man dafür, dass Menschen mit Einschnitten im Karriere-Verlauf zumindest eine Art von Mindestpension haben, von der man immerhin besser leben kann als Rentner in anderen Ländern. Und so eine Ausgleichszulage würden übrigens private Pensionskassen nicht anbieten.
“Du” als Anrede schreibt man groß. Just saying. Und direkte Anrede ist höchst unprofessionell in Texten (außer man ist Vice)
Richtig: Finger weg von privater Vorsorge sowie der Riester-Rente! Besser investieren Sie in ein Altersheim, dann bekommen Sie später, was Sie brauchen.* … dann wird Ihr Geld nicht von einem Schlipsträger [sic!] verfrühstückt …
* Ups, ob da nicht auch Schlipsträger das Geld verfrühstücken, bevor man das Heim benötigt? Ich denke, Herr Sinn ist noch immer ein bisschen naiv.
Mehr Kritikbewusstsein hätte ich von einem Vierfachdoktor schon erwartet. Besonders, weil er wegen der Erfahrungen mit denen, denen er immer vertraute, so enttäuscht worden ist, dass er sich plötzlich so ganz anders ausdrückt als all die Jahrzehnte davor.