Die Regierung schickt im zweiten Lockdown Gastronomie, Hotelerie und Freizteitbetriebe in den Winterschlaf. Zum Ausgleich gibt es Ausgleichszahlungen – 80 Prozent des entgangenen Umsatzes. Das Geld bekommt nur, wer keine Arbeitsplätze abbaut. Das hilft den Betrieben, die in der ersten Pleitewelle schließen mussten genauso wenig wie den Mitarbeitern, die ihre Arbeitsstelle zwischen März und November verloren haben. Doch die bereits arbeitslos Gewordenen haben davon nichts – ihr Arbeitslosengeld bleibt zu niedrig.
Im zweiten Lockdown will die Regierung den Fehler vom ersten Lockdown im Frühling nicht wiederholen und die Betriebe besser unterstützen. Dafür schnürt sie ein milliardenschweres Hilfspaket. 80 Prozent des Umsatzentgangs bekommen Cafés, Restaurants und Hotels, die Kurzarbeit läuft weiter. Das gilt auch für Theater und Museen. Kostenpunkt: 1,5 bis zwei Milliarden Euro.
Auch die Forderung der SPÖ, nur Förderungen auszuzahlen, wenn die Betriebe keine Mitarbeiter entlassen, wird umgesetzt. So bleiben zumindest die Arbeitsplätze erhalten, die die erste Kündigungs- und Pleitewelle im Frühjahr überstanden haben. Allein die panikartigen Kündigungen des ersten Lockdowns kosteten 200.000 Arbeitnehmern ihren Job.
Viel Geld für Betriebe im zweiten Lockdown
Das Chaos der ersten Unterstützungen hat massiv am Image der Wirtschaftspartei ÖVP gekratzt, sogar ÖVP-Wirtschaftskammer-Präsident Mahrer, der selbst für die Abwicklung zuständig war, forderte im Vorfeld des zweiten Lockdowns eine massive Verbesserung des Systems.
Und das bekommt er auch: Die Betriebe müssen dieses Mal nicht selbst errechnen – oder kostspielig von einer Steuerberaterin errechnen lassen. Was ihnen zusteht, wird automatisch ausgezahlt, sagte Finanzminister Blümel bei der Präsentation des neuen Pakets. Die Antragstellung war wenige Tage später möglich. Noch vor der Fälligkeit der Weihnachtsgelder Ende des Monats soll das Geld da sein.
Die Unterstützungen für Kurzarbeit und Fixkostenzuschuss werden nicht abgezogen, auch Umsätze aus Zustellung oder Take Away werden nicht gegengerechnet. Gastronomie, Hotellerie und Kunst und Kultur – eben alle betroffenen Betriebe – bekommen 80 Prozent des Umsatzes aus dem November 2019.
Die Deckelung für eine Förderung liegt bei 800.000 Euro, so gibt es die EU vor. Ginge es nach der ÖVP, würde es auch diese Höchstgrenze nicht geben. Davon würden natürlich in erster Linie die großen Konzerne profitieren, nicht die kleinen Theater und Wirte ums Eck, die die Regierung in Pressekonferenzen so gerne in den Mittelpunkt stellt.
Kritiker sehen Überförderung
Oliver Picek, Chefökonom vom Momentum Institut, kritisiert eine “enorme Überförderung der Betriebe”. Das liegt vor allem daran, dass die Betriebe mit Kurzarbeit keine Personalkosten haben. Wer weder Takout noch Lieferung anbietet, hat auch keine Sachkosten. Für die Betriebe, die ihre Fixkosten wie etwa Miete für den zweiten Lockdown reduzieren konnten, schaut am Ende des Monats ein fetter Gewinn heraus, rechnet Picek vor.
Der #Umsatzersatz am Beispiel eines ertragreichen Hotels mit durchschnittlicher Kostenstruktur. Jedenfalls ein gutes Drittel an Gewinn (in % des Umsatzes 2019) könnte unser Beispiel-Hotel heuer lukrieren. Der Gewinn im November des Vorjahres: nur knapp über 10%. 6/13 pic.twitter.com/AbDjoLaTDs
— Oliver Picek (@OliverPicek) November 6, 2020
“Werden zusätzlich noch 80% des Vorjahresumsatzes in diesem Monat ersetzt, bekommen die Unternehmen ihre Personalkosten doppelt ersetzt”, rechnet Picek vor. Auch Kosten für Material und Waren werden in der Höhe des November 2019 erstattet, obwohl während des Lockdowns im November 2020 viel weniger anfallen wird. “Geschlossene Betriebe müssen keine Gäste verköstigen. Wareneinkauf zu ersetzen, der nie stattgefunden hat, ist kein Kostenersatz, sondern eine Gewinnsubvention”, merkt Picek an.
Auch der AK-Ökonom Markus Marterbauer sieht darin eine “völlig unangebrachte Doppel- und Dreifachförderung” und eine “umfangreiche Steuergeldverschwendung”, wie er auf Twitter schreibt.
“Das wäre, als würde man den Arbeitslosen 80% des Letzteinkommens zahlen und das Arbeitslosengeld und den Ersatz für Miete und Betriebskosten und einen Zusatzverdienst erlauben”, kritisiert Marterbauer.
Vizekanzler Kogler gibt zu, dass das Paket eine Überförderungen beinhalten kann: “In den vier Wochen im November kann sich ein besseres Bild ergeben als vor einem Jahr.” Wenn man sich aber das gesamte Jahr ansehe, sei klar, dass sich das Gesamtbild ändere, dann könne man nicht von einem Geschäft auf Staatskosten sprechen.
Jetzt durch Überförderung die Fehler der letztem Monate auszubügeln, hilft nur leider jenen Beschäftigten nicht, die aufgrund der mangelhaften Förderung ihre Arbeit schon verloren haben.
Sparstift für Arbeitslose
Bei ihnen macht die Regierung nichts gut. Die Unterstützung für Arbeitslose fällt weitaus dürftiger aus. Wer zwischen Mai und August mindestens drei Monate auf Jobsuche war, bekam im Oktober zu den 55 Prozent des Letztgehalts einmalig 450 Euro – das sind 150 Euro pro Monat.
Den Bonus bekommt allerdings nur, wer Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezieht. Menschen in Bildungskarenz oder in Berufsunfähigkeitspension sowie Sozialhilfe-Aufstocker gehen leer aus, ebenso diejenigen, die im Krankenstand sind. Einer von ihnen ist Herr Knittel aus Niederösterreich. Er wartete monatelang auf eine Operation, die Corona-bedingt verschoben werden musste. Bis August war er im Krankenstand und galt deswegen nicht als arbeitslos. Seine Fixkosten blieben gleich hoch, im Vorfeld der verschobenen OP war er drei Mal im Krankenhaus, was ihn zusätzlich 200 Euro Selbstbehalt kostete. Dazu kommen Selbstbehalte für Medikamente.
Über 18.000 von allen 423.000 arbeitslos Gemeldeten bekamen nichts vom Bonus der Regierung. Bei der Volksanwaltschaft haben sich viele Menschen wegen der Ungleichbehandlung beschwert. Das zuständige Ministerium kündigt Verbesserungen an.
Höheres Arbeitslosengeld fließt direkt in den Konsum
Das durchschnittliche Arbeitslosengeld liegt derzeit bei rund 30 Euro am Tag, das sind ca. 900 Euro im Monat – oft ist es auch weit darunter. Der Schnitt ist gerade besonders niedrig, weil in der Corona-Krise in erster Linie Menschen ihren Job verloren haben, die ohnehin schon wenig verdient haben: Jobs wurden vor allem in der Gastronomie, im Handel und im Baugewerbe gestrichen. Auch viele Reinigungskräfte haben ihr Einkommen verloren.
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Dadurch bricht auch der Konsum stark ein. Der Wirtschafts- und Arbeitsmarkt-Experte der AK Oberösterreich, Dennis Tamesberger, fordert deswegen eine langfristige Erhöhung des Arbeitslosengeldes.
Die Rechnung ist einfach: Umso weniger die Menschen haben, desto weniger geben sie aus. Wifo-Experte Jürgen Bierbaumer-Polly erwartet beim privaten Konsum ein Minus in Höhe von acht Mrd. Euro. Und der private Konsum macht die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus.
“Zusätzliches Einkommen in den untersten Einkommensgruppen würde in der Wirtschaftskrise den Konsum anregen”, erklärt Oliver Picek. Um die Konjunktur aus dem Tief zu holen, Betriebe durch die Krise zu helfen und Arbeitsplätze zu sichern, gibt es mehrere Wege. Einer, der unbedingt gegangen werden muss, ist aber die Unterstützung von Menschen, die gerade keine Arbeit haben.
Konjunkturpaket dringend notwendig
Die Konjunkturprognosen zeichnen ein düsteres Bild. Der zweite Lockdown wird Österreichs Wirtschaft heuer und nächstes Jahr stärker in Mitleidenschaft ziehen, als ohnehin schon befürchtet. Das Wifo geht für 2020 von einem BIP-Einbruch von 7,7 Prozent statt 6,8 Prozent aus, wie noch im Oktober angenommen.
Es ist unbestritten, dass die Wirtschaft einen Boost braucht, um nicht langfristig in Mitleidenschaft zu gelangen. Das Momentum Institut hat berechnet, dass ohne Konjunkturpaket langfristig jährliche Einnahmeverluste drohen. Darunter leiden die Unternehmen und Arbeitnehmer direkt; durch die eingebrochenen Steuereinnahmen werden auch jene, die erst durch die Krise auf Hilfe angewiesen sind und jene, die es schon davor waren, noch mehr Einschnitte hinnehmen müssen.
Experten und Opposition fordern seit Monaten ein wirksames Konjunkturpaket. Die SPÖ forderte bereits im Mai ein “Kraftaket”. Kernpunkte: Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent, ein Mindestlohn von 1.700 Euro und eine Steuersenkung um 1.000 Euro pro Jahr sowie Lehrlings- und Ausbildungsgarantie für Jugendliche. Außerdem fordern die Sozialdemokraten nachhaltige Investitionen in Klimaschutz, Bildung, Forschung, sozialen Wohnbau und eine staatlich geförderte, freiwillige 4-Tage-Woche.
Dass die Regierung also endlich aktiv wird und wirksame Hilfspakete schnürt, die für die Betriebe mehr als Almosen darstellen, war höchste Zeit. Die Frage bleibt, wann sie auf der anderen Seite nachzieht und sich für Arbeitslose und damit nicht nur der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch für einen nachhaltigen Konjunktur-Boost starkmacht.