Eine neue Studie der Nationalbank zeigt, wie stark das Vermögen in Österreich in den Händen ganz weniger konzentriert ist. Das reichste Prozent besitzt die Hälfte des gesamten Vermögens im Land. Das ist das Ergebnis aufwändiger statistischer Berechnungen, denn: Offizielle Zahlen gibt es keine. Österreich erhebt keinerlei Daten darüber, wie stark das Vermögen konzentriert ist. Ein verpflichtendes Vermögensregister könnte das ändern.
„Von allen Klassen werden die Reichen am meisten beachtet und am wenigsten analysiert“, sagt der Ökonom Kenneth Galbraith. Verwunderlich ist es allemal, dass der österreichische Staat nicht wissen möchte, wie viel Vermögen die Reichsten hierzulande besitzen. Bei allen anderen Gruppen der Gesellschaft ist es selbstverständlich, dass staatliche Unterstützung nur gewährt wird, wenn der Staat Einblick in die finanzielle Situation der Betroffenen erhält. Bei den 42 Mrd. Euro an Corona-Hilfen an Unternehmen hat man auf solche Bedarfschecks verzichtet. Die Vermögenssituation der großen EigentümerInnen bleibt unbekannt. Und das, obwohl sie von den Hilfszahlungen profitiert haben.
Neue OeNB-Studie: Das reichste Prozent besitzt knapp die Hälfte
Die maue Datenlage zu großen Vermögen in Österreich beklagt auch eine neue Studie der Nationalbank, die sich mit aufwändigen Schätzungen dem realen Vermögen des obersten Prozents im Land annähern musste. Die Simulationen der Ökonomen ergeben, dass das Nettovermögen des reichsten Prozents wohl einen noch höheren Anteil am gesamten Nettovermögen aller Haushalte hat, als bisher geglaubt:
Das oberste Prozent dürfte knapp die Hälfte des gesamten Vermögens in Österreich besitzen, so das Ergebnis der Nationalbank-Studie.
Auch der Gini-Koeffizient, das internationale Maß für die Vermögensungleichheit einer Gesellschaft, dürfte deutlich höher sein als bisher für Österreich galt: Statt bei 0,76 dürfte er bei 0,9 liegen. Der Gini-Koeffizient reicht von 0 (jeder hat gleich viel vom gesamten Vermögen) bis 1 (einem gehört alles).
Bei einem Wert von 0,9, wie er für Österreich angenommen werden kann, haben bei einer Gruppe von hundert Menschen 99 jeweils einen Euro und einer 1.000 Euro.
Regierung erhebt keine Daten zu Vermögen in Österreich
Gemeinsam mit dem US-Statistiker und Altmeister der Vermögensforschung Arthur Kennickell haben zwei Nationalbank-Ökonomen versucht, ein realistisches Bild der Vermögensverteilung in Österreich zu bekommen. Kennickell hat in den 1980er Jahren die regelmäßige Vermögenserhebung für die US-Notenbank Fed aufgebaut. Heute berät er auch die Europäische Zentralbank bei der Vermögenserhebung, die seit 2010 in 24 EU-Ländern durchgeführt wird.
“Die Studie der Nationalbank legt nahe, dass die Top 1 Prozent, also die vermögendsten Haushalte, deutlich mehr besitzen als wir bisher angenommen haben”, sagt Emanuel List von der Wirtschaftsuniversität Wien dazu im Ö1-Journal.
Aufwändig sind die Simulationen aus einem Grund: Österreichs Regierung erhebt keine Daten zum Überreichtum. „Das tatsächliche Ausmaß der Vermögensungleichheit ist unbekannt“, schreiben die Autoren. Die Daten für ihre Berechnungen bezieht die Studie aus der Household Finance and Consumption Survey (HFCS) – der europaweiten Ermittlung von Vermögenswerten, die von der Nationalbank durchgeführt wird. Dazu werden Haushalte stichprobenartig zu ihrer Vermögenssituation befragt. Milliardäre wie René Benko oder die Familie Porsche-Piech erwischt man entweder nicht oder sie geben keine Auskunft. Das auf diese Weise erhobene Vermögen liegt daher weit unter den tatsächlichen Werten, wie mittlerweile einige Studien zeigen. Der reichste Teilnehmer der Studie besaß ein Vermögen von 70 Millionen. Im Vergleich zum 5-Milliarden-Euro Vermögen von René Benko ist das wenig.
Deshalb haben die Studienautoren die Daten mit Informationen aus Reichenlisten wie der Forbes-Liste der Dollar-Milliardäre und der Trend-Reichenliste ergänzt. Weil all diese Daten nur Annäherungen sind, versuchen die Ökonomen in Simulationen das wirkliche Vermögen der Superreichen zu berechnen. Je nach Annahmen und Gewichtung (was etwa die Verschuldung der Reichsten oder die Zusammensetzung ihres Vermögens betrifft), liegt der Vermögensanteil des reichsten Prozents zwischen 24% und 51% am gesamten Vermögen aller Menschen in Österreich. Sämtliche Informationen deuten darauf hin, dass der realistische Anteil des reichsten Prozents etwa bei der Hälfte des gesamten Vermögens liegt.
Interessant dabei: Werden Menschen in Österreich gefragt, wie viel Vermögen das reichste Prozent besitzen sollte, lautet die Antwort: Einen Anteil von etwa 12 Prozent.
Auch bei der Selbsteinschätzung liegen Befragte weit daneben. Nur wenige schätzen ihre tatsächliche Position in der Vermögensverteilung richtig ein. Und: Je reicher Personen sind, desto falscher wird ihre eigene Einschätzung. Unter den reichsten 10% der Haushalte hat sich etwa kein einziger Haushalt richtig in die Gesamtverteilung eingeordnet. Die meisten von ihnen positionieren sich (bewusst oder unbewusst) in der “Mitte” der Gesellschaft. Die Selbsteinschätzungsfähigkeit ist unabhängig vom Bildungsgrad. Wer sich selbst testen will, kann das auf der Seite “binichreich.at” tun.
Verpflichtendes Vermögens-Register könnte Datenlücke schließen
Dass es dringend mehr Daten zur Vermögenskonzentration braucht, ist für die Ökonomen der Nationalbank klar. Die Datenlücke lässt sich nur durch ein gesetzlich verpflichtendes Vermögens-Register schließen. Doch die Lobby der Reichsten läuft seit Jahren dagegen Sturm. Die Nationalbank-Ökonomen fordern ein globales Vermögens-Register. Das wäre nicht nur für analytische Zwecke sinnvoll, es könnte auch dabei helfen, Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu bekämpfen.
Die Reichsten der Reichen hinterziehen laut dem Berkeley Ökonomen Gabriel Zucman rund 25 Prozent ihrer Steuern. Multinationale Konzerne verschieben rund 40 Prozent ihrer Gewinne in Steueroasen. Der Steuerverlust für die öffentlichen Budgets der Industrieländer ist enorm.
Private Vermögen sind das Zentrum der wirtschaftlichen Macht, mit ihnen wird aber auch politischer Einfluss und Medienmacht erkauft. Daten über die Vermögenskonzentration, die auch im Parlament diskutiert werden, wären demokratiepolitisch sinnvoll. Bei keiner anderen Gruppe würde man so selbstverständlich auf Transparenz- und Kontrollmöglichkeiten verzichten wie beim Top-1-Prozent.
Superreiche steigerten im Corona-Jahr 2020/21 ihr Vermögen um 15 Prozent
46 Milliardäre gibt es laut Trend-Reichenliste in Österreich und ihnen hat die Pandemie in die Hände gespielt: Ein Großteil von Österreichs Überreichen konnte ihr Vermögen in den letzten beiden Jahren deutlich steigern. Den Finanzmärkten geht es ausgezeichnet, der Immobilienmarkt boomt. Unter den 100 Reichsten sind vor allem Erben aus Familien, die seit Generationen das Vermögen des Landes auf ihren Konten konzentrieren.
Wo unverhältnismässig viel Geld gemacht wird, fliest viel Blut und Tränen! Tut Busse und Gott wird euch vergeben. Mag sein.