Im Sudan herrscht seit 2023 ein brutaler Krieg, der laut UN momentan eine der schlimmsten humanitären Katastrophen weltweit ist. Zwei Warlords kämpfen um Macht, die Zivilbevölkerung leidet am meisten. Welche Interessen es in diesem Konflikt gibt, welche Rolle rassistische Hierarchien aus der Kolonialzeit spielen und welche Hoffnung es auf ein Ende des Krieges gibt, diskutiert Simone Schlindwein im Interview. Die Journalistin und Autorin lebt in Uganda und ist Ostafrika-Korrespondentin der taz.
Kontrast: Im Sudan herrscht seit 2023 Krieg. Die UN bezeichneten den Bürgerkrieg als eine der schlimmsten humanitären Katastrophen weltweit. Erst vor ein paar Wochen bekam der Krieg in europäischen Medien etwas mehr Aufmerksamkeit – davor fast gar nicht. Warum ist das so?
Simone Schlindwein: Für mich ist das gar nicht so einfach zu beantworten, weil ich aus afrikanischer Perspektive den Konflikt permanent am Schirm habe. Aber ich habe analysiert, wie Medien und die deutsche Öffentlichkeit so funktionieren. Und es ist schon so, dass Gaza und die Ukraine so viel Aufmerksamkeit auf sich nehmen, dass alles dahinter gewissermaßen wegfällt.
Das ist natürlich logisch, weil aus europäischer Sicht diese Kriege viel näher dran sind, die Leute die Geschichte des Krieges besser kennen und nicht neu einsteigen müssen, um das alles zu verstehen.
Und das andere ist, dass der Kontinent Afrika in den Medien immer mit Krieg, Chaos, Katastrophen und Klimawandel wahrgenommen wird und viele in gewisser Weise auch kriegsmüde dahin blicken. Nach dem Motto: “Ist denn da nichts anderes los?”
Ein Krieg mit langer und komplexer Geschichte
Bei Kriegen, die sich über 30, 40 Jahre hinstrecken, kann da schon mal eine Art Kriegsmüdigkeit einsetzen. Der Sudankrieg ist ja auch nicht neu, sondern nur die Fortsetzung eines alten Konflikts. Gerade bei diesen langen Kriegen wie im Kongo und Sudan muss man auf 30 Jahre Geschichte zurückblicken und eine extreme Komplexität des Krieges verstehen und aufarbeiten. Dazu gibt es oft keinen Platz und dann geht es schon unter.
Jetzt fordert der Krieg im Sudan die Aufmerksamkeit mit Gewalt ein. Es ist so schlimm, dass man nicht mehr wegsehen kann und darf. Erst jetzt sind die Medien so aufgeschreckt von den Sachen, die da passieren. Dabei hat sich das alles vor langer Zeit angebahnt. Also mich als Afrika-Berichterstatterin hat es überhaupt nicht gewundert, dass eines Tages die Spitze des Eisbergs erreicht ist.

Kontrast: Wer sind denn die Kriegsparteien und warum kämpfen sie gegeneinander?
Schlindwein: Es gibt natürlich viel mehr Akteure als diese zwei Kriegsparteien, um die es momentan geht. Der Sudan ist ein Riesenland mit sehr vielen verschiedenen ethnischen Gruppen, die schon auf eine lange Konfliktgeschichte zurückblicken. Und damit gibt es wahnsinnig viele Spieler, die bei diesem Schachspiel mitspielen.
Aber wenn man das Schachspiel in vereinfachter Form erklärt: Es ist einerseits die Regierungsarmee – bzw. die ehemalige Armee von Diktator Al-Baschir – die nach seinem Sturz die Macht wieder an sich gerissen hat. Es ist eine legitime Regierungsarmee und damit beansprucht sie, die legale Regierung zu sein, auch wenn sie das verfassungsmäßig vielleicht nicht ist. Es ist eine Militärorganisation und keine zivile Regierung. Die sitzen momentan in der Stadt Port Sudan, weil sie aus der Hauptstadt Khartum beim Beginn des Krieges hinaus gebombt wurden. Die Hauptstadt ist nach wie vor geteilt bzw. umkämpft.

Zwei Warlords kämpfen gegeneinander, die früher miteinander gearbeitet haben
Die andere Kriegspartei ist die RSF-Miliz – übersetzt “Schnelle Eingreiftruppe”. Ihr Führer, General Mohamed Hamdan Daglo, auch Hemeti genannt, ist der ehemalige Chef der Spezialeinheit der Armee. Al-Baschir setzte diese damals selbst auf. Also eine Spezialtruppe, die auf Befehl von Al-Baschir agiert hat und die er irgendwo hinschicken konnte, wenn es spezielle Probleme gab. Sprich, da war jetzt keine andere Hierarchie involviert. Die hat er durch die Gegend schicken können und sie sind mächtig geworden.
Dadurch, dass die Europäer versucht haben, Migration durch den Sudan in Richtung Mittelmeer zu stoppen, sind diese Spezialeinheiten später zur Grenzpolizei bzw. Grenzarmee aufgestiegen. Sie bewachten die Grenzen und wurden dazu mit extrem viel Geld, neuer Ausrüstung und Macht ausgestattet.
Als Al-Baschir im Jahr 2019 durch anhaltende Massenproteste und schließlich durch einen Militärputsch gestürzt wurde, standen sich die beiden Kräfte in einem Machtkampf gegenüber. Jede beanspruchte für sich, die legitime Armee zu sein. Dieser Konflikt eskalierte schließlich am 23. April 2023 in der Hauptstadt Khartum, im Regierungsviertel, wo sich auch die Armee-Einheiten und die Baracken des größten Militärstützpunkts befanden. Dort brach der Krieg aus, als die beiden Militärverbände direkt aufeinanderprallten.
Das Land ist in zwei Machtblöcke geteilt
Mittlerweile sprechen wir von einem geteilten Land. Beide Seiten haben rund jeweils die Hälfte unter Kontrolle. Es geht um jeden Quadratkilometer Macht und Land, das man erobert. Es wird momentan täglich gekämpft und die Frontlinie rutscht permanent hin und her. Beide Seiten haben loyale andere Milizen hinter sich, die sie jeweils unterstützen.
Kontrast: Inwiefern spielt das Erbe des Kolonialismus im Sudankrieg eine Rolle?
Schlindwein: Dieses koloniale Konstrukt hat sehr drastische Folgen. Man muss dazu sagen, dass das Land quasi am Reißbrett entworfen wurde. Es hat extrem klare Linien als Grenzen, die wie mit dem Lineal quer durch die Wüste gezogen wurden – in der Kolonialzeit, aber dann auch später. Auch in deutschen und anderen Regierungsstrukturen wird der Sudan nach wie vor nicht ausschließlich als afrikanisches Land wahrgenommen. Stattdessen läuft er in manchen Außenministerien immer noch in Abteilungen mit, die für die arabische Region zuständig sind. Das wirkt etwas merkwürdig, wenn man sich die geografische Lage des Landes vor Augen führt.
Rassistische Hierarchie aus der Kolonialzeit prägt bis heute den Sudan
Aber natürlich hat im Sudan immer schon eine arabisch geprägte Elite regiert. Diese Struktur geht bis in die Kolonialzeit zurück: Die britische Verwaltung betrachtete damals die arabisierten, meist hellhäutigeren Gruppen als die „natürlichen“ Herrscher, während die Bevölkerungsgruppen mit sehr dunkler Hautfarbe im Süden als „afrikanisch“ und damit als beherrschbar eingestuft wurden. Diese koloniale Sichtweise hat die Machtverhältnisse im Land langfristig geprägt.
Ich habe erst gestern ein Interview mit einer Sudanesin geführt, die aus Khartum kommt. Sie hat gesagt: “Ich bin in Khartum immer aus der Elite gewesen, aus der Regierungselite, weil ich so helle Haut habe. Dann kam ich hierher nach Uganda, wo vorwiegend die Sudanesen aus dem Süden weiter nach Uganda geflüchtet sind. Und da sind jetzt sehr viele Leute aus Darfur.” Da wird sie jetzt auch wieder diskriminiert, weil die Leute dort sagen: “Aber ihr seid doch die aus dem Norden!”
RSF hat Checkpoints errichtet und kontrolliert die Hautfarbe der Menschen
Es gibt innerhalb der sudanesischen Bevölkerung keine Einheit. Jeder schaut, wo er gerade herkommt und wo er in der Machthierarchie steht. Und so ist es momentan der Fall. Vor allem die RSF steht an den Checkpoints und kontrolliert die Leute. Sie schaut, welche Hautfarbe jemand hat, welche Sprache jemand spricht und welcher ethnischen Minderheit er angehört.
Ich habe beispielsweise mit Frauen aus Darfur gesprochen, die im vergangenen Jahr aus dem Kriegsgebiet entkommen sind und es bis nach Uganda geschafft haben. Sie sind durch diese Checkpoints durchgegangen. Sie sagten:
“Wir sind gestoppt worden, wir sind sortiert worden. Man hat Menschen in Gruppen sortiert: Die mit hellerer Hautfarbe und arabischem Einfluss durften durchgehen, denn das sind quasi die Brüder und Cousins der RSF.”
Wobei Hemeti ja selbst auch aus Darfur stammt. Allerdings denkt er, dass er von einem höheren Stamm kommt, als andere ethnische Gruppen mit dunkler Hautfarbe. Diese sieht er als minderwertig an. Deren Männer und Jugendliche wurden direkt am Straßenrand exekutiert und die Kinder entführt, um sie umzuerziehen.
Kontrast: Was bedeutet es speziell als Frau, diesen Krieg mitzuerleben?
Schlindwein: Viele Frauen werden verschleppt und vergewaltigt, um genetische RSF-Einflüsse zu haben. Um Kinder auf die Welt zu bringen, die dann nicht mehr von der Masalit-Ethnie sind wie die Mutter, sondern von einer anderen Ethnie, die sie als höherwertiger betrachten.
Diese ethnischen Säuberungen werden nach rassischen Gruppeneinteilungen durchgespielt, die in der Kolonialzeit erfunden wurden.

Kontrast: Wie einfach oder schwer ist es denn momentan, an verifizierbare Informationen vom Kriegsgebiet heranzukommen – etwa, wenn es um Menschenrechts- und Kriegsverbrechen geht?
Schlindwein: Es ist einfacher, als man immer denkt, obwohl im Sudan Internet und Telefon seit Ausbruch des Kriegs komplett tot sind. Wir sind in einer Art Vakuum. Trotzdem kommt recht viel raus. Die sudanesische Community im Exil, also die, die es aus dem Kriegsgebiet herausgeschafft haben, ist gut über Social Media vernetzt, vor allem WhatsApp und TikTok. Sie wollen wissen, wohin ihre Verwandten und Freunde geflüchtet sind. Sie sind auf diese Vernetztheit angewiesen.
Aber sie machen sich natürlich auch Sorgen um Leute, die nach wie vor im Sudan sind. Deshalb versuchen sie, sich quer durch Afrika zu vernetzen und Neuigkeiten herauszufinden. Soziale Medien bleiben nach wie vor wichtige Informationskanäle.
Auch Hilfswerke, die im Sudan tätig sind – beispielsweise Save the Children oder Ärzte ohne Grenzen – bieten nach wie vor einen ziemlich guten Nachrichtenzugang an. Wir können beispielsweise im Vertriebenenlager Tawila anrufen und fragen, wie die Lage ist und in welchem Zustand sich die Leute befinden, die dort ankommen. Da gibt es große Bereitschaft, mit Journalist:innen zu sprechen und Internetverbindungen über Satellitenleitungen herzustellen.
Moderne Kriegspropaganda der RSF auf Telegram und TikTok
Was wirklich gruselig ist: Die RSF ist medial recht agil. Die haben Telegram- unFacebook-Kanälele, also eigene Propagandasender, wo sie sehr viele Videos ihrer Kriegsführung posten. Sie haben jetzt auch Kameradrohnen eingesetzt, wo sie den Sturm auf die Stadt Al-Fashir vor einigen Wochen mitgefilmt haben. Diese Videos kursieren jetzt im Internet und gehen über Tiktok viral.
Ich habe außerdem Zugang zu ihrem Telegram-Kanal gefunden. Die kommunizieren untereinander auch mit diesen Videos und senden sich dadurch Botschaften. Sie unterlegen die Videos mit Pauken und Trompeten. Da ist schon sehr viel Propaganda dahinter. Das ist natürlich auch eine Quelle, wenn auch keine schöne. Aber zumindest kann man sich ansehen, wie sich die Akteure der Kriegsparteien selbst darstellen wollen.
Kontrast: Gibt es solche Propagandavideos auch vonseiten der „Regierungspartei“ unter General Burhan?
Schlindwein: Dadurch, dass sie sich ja als legitime Regierung aufführen, machen sie das, was legitime Regierungen machen. Nämlich Pressemitteilungen und Pressekonferenzen. Das wird über die normalen Kanäle und über sudanesische Medien kommuniziert. Teilweise agieren sie auch aus dem Exil heraus oder sitzen in Port Sudan.
Kontrast: Wie gelangen humanitäre Hilfsgüter und Lebensmittel zur sudanesischen Zivilbevölkerung?
Schlindwein: Also die Sache der Logistik ist das eine. Denn dort, wo die Hilfsmittel am dringendsten gebraucht werden, nämlich in der heiß umkämpften Region Darfur, gibt es kaum Straßen. Und wenn diese Straßen existieren, dann sind sie von der RSF kontrolliert. Jede Lieferung von Hilfsgütern, jeder Lastwagen muss mit der RSF koordiniert und abgesegnet werden. Und die verlangen teilweise auch Hilfsgüter für sich. Da ist die große Frage, wie man damit umgeht.
Tom Fletcher ist der Chef vom humanitären Koordinierungsbüro der UN, also der Chef für alle Hilfswerke, die dort arbeiten. Die koordinieren wiederum mit den UN, wann sie wo was hintransportieren. Er hat sich in den vergangenen Tagen selbst ins Auto geschwungen und versucht, vom Tschad aus die Stadt, die vor drei Wochen gestürmt wurde, zu erreichen, um zu schauen, ob er dort mit Überlebenden sprechen kann. Er war wirklich tagelang unterwegs und hat versucht, es mit Videos zu dokumentieren.
I spent yesterday in Korma with survivors of El Fasher atrocities. So many halting, harrowing conversations in Arabic, or translated from Zaghawa, about horror and misery.
Then Haseena pushed through crowd. Speaking in perfect English, she wanted the world to hear her story. #Sudan
— Tom Fletcher (@tomfletcherun.bsky.social) 17. November 2025 um 20:06
Es ist sehr schwer, nach Al-Fashir zu kommen, weil man immer mit der RSF und der Regierungsseite Absprache halten muss. Das große Problem ist, dass die Regierungsseite nicht möchte, dass man in die von der RSF kontrollierten Gebiete Hilfstruppen und Hilfslieferungen reinschickt. Denn sie sagt, dass damit die RSF Zugang zu diesen Produkten bekommen und als Ansprechpartner oder lokale Regierung legitimiert werden würde.
Die Lage vor Ort ist auch für Hilfsmitarbeiter:innen eine große Gefahr
Für viele NGOs, die nicht unter das UN-System fallen, ist es äußerst schwierig, ihre Arbeit im Kriegsgebiet fortzuführen. Ein Grund dafür ist, dass zentrale Infrastrukturen fehlen: Lagerstätten für Nahrungsmittel – oft auch gekühlte Lager in der Wüste, damit die Vorräte nicht verderben – werden in der Regel von UN-Organisationen wie dem World Food Programme betrieben. Ebenso fehlen die Lastwagen und Transportkapazitäten, die normalerweise von UN-Strukturen bereitgestellt werden. In anderen afrikanischen Konfliktregionen werden solche Transporte teilweise von UN-Blauhelmen geschützt. Im Sudan war dies jedoch nicht möglich, was die logistische Lage zusätzlich erschwert.
Hinzu kommt die Gefahrenlage vor Ort. Viele Hilfswerke sind darauf angewiesen, lokale Mitarbeitende einzusetzen, die sich damit in extreme Gefahr begeben. Wenn internationale Mitarbeitende entsandt werden, sind auch sie großen Risiken ausgesetzt. Die größte Hürde bleibt somit, sicher im Einsatzgebiet arbeiten zu können – und die Sicherheitslage kann sich jeden Moment ändern.

Kontrast: Was ist das Ziel der beiden Machthaber und wie könnte dieses Leid im Sudan gestoppt werden?
Schlindwein: Das Ziel ist ziemlich einfach herunterzubrechen. Es geht hier um Macht und die Kontrolle über das ganze Land. Wir sind momentan an einem Punkt, wo man sagt, okay, jeder bekommt die Hälfte des Kuchens. Friede, Waffenstillstand. Und wir verhandeln morgen. Aber damit würde sich keine der beiden Kriegsparteien zufriedengeben.
Logik der RSF: Das Märchen der heldenhaften Befreiung des Sudan
Ich kann jetzt über diesen Telegram-Kanal die interne Kommunikation der RSF beobachten. Die sprechen immer davon, dass sie das Land von den Islamisten befreien müssen. Die RSF-Logik ist diese: Unser Großvater Baschir wurde gestürzt und damit hat sich eine islamistische, also ISIS-nahe Regierungskoalition gebildet, die jetzt versucht, die Macht an sich zu reißen.
Das ist alles an den Haaren herbeigezogen, aber deren interne Erklärung, warum sie die Macht im Sudan an sich reißen müssen: Sie müssen das Land vor der islamistischen Gefahr retten. Dazu rekrutieren sie auch Kämpfer aus sehr abgelegenen Regionen und da ist es eine Bildungsfrage, wie weit Leute imstande sind, dieser Logik ein Argument entgegenzusetzen.
Viele Leute, die da kämpfen, glauben tatsächlich, dass es sich um einen Befreiungsschlag handelt. Das Heldenepos ist das Entscheidende, warum sie kämpfen.
RSF-Anführer Hemeti hat auch andere Interessen: Gold, Schaf- und Ziegenherden
Hemeti hat natürlich ganz andere Interessen: Nämlich eines der reichsten Länder Afrikas in seine Macht zu bekommen. Wir sprechen hier von enormen Goldvorräten. Wir sprechen von einem Land, das in gewissen Teilen der Region – vor allem in Darfur – extrem fruchtbar ist und einen hohen Viehbestand hat. Die Sudanesen sind schon immer Herdenvölker, die aufgrund großer Schaf- und Ziegenherden über viel Reichtum verfügen. Der Goldhandel dieses Kontinents wird schon seit Jahrzehnten von RSF-Mitgliedern abgewickelt.
Mittlerweile ist es ein regionaler Krieg, weil die Nachbarländer in dieser Einflusszone drinstecken. Es gibt auch Anschuldigungen an die Vereinigten Arabischen Emirate, die RSF zu unterstützen und Waffen reinzuliefern.
Es ist also nicht nur ein sudanesischer Bürgerkrieg um ein Stück Kuchen, sondern da geht es um viel mehr. Nämlich um wirtschaftlichen Einfluss und Reichtum.
Kontrast: Welche Rolle spielen andere Länder in diesem Konflikt?
Schlindwein: Die ganze Region ist nicht unbedingt Teil des Spiels, sondern viele wurden in diesen Krieg hineingezogen. Das ist ziemlich logisch, wenn man Nachbarländer hat, wo die Menschen hin flüchten. Aber auch wenn es um wirtschaftliche Zugänge geht, um Pipelines, um Handelsrouten usw., macht jeder Krieg erstmal Business. In dem Moment, wo die Drohne abstürzt oder einschlägt, muss man eine neue kaufen. Und all das Kriegsgerät, das in diesem Krieg eingesetzt wird, zählt zur Upper Class moderner Kriegsführung. Da wird längst nicht mehr nur mit der Kalaschnikow gekämpft.
Verbindungen in die Vereinigten Arabischen Emirate
Da kommen natürlich Waffenhändler aus aller Welt ins Spiel. Insofern gibt es schon auch Länder, die nicht an den Sudan angrenzen, wie die Vereinigten Arabischen Emirate, die von sich aus immer sagen, dass sie bei diesem Krieg nicht dabei sind. Aber es gibt nach wie vor Gegenbeweise: Flüge, die mit Waffenlieferungen hin- und herfliegen, auf denen die Vereinigten Arabischen Emirate als Ursprungsland gekennzeichnet sind.
Die ganze Hemeti-Brigade agiert auch nach wie vor mit ihren Goldreserven in anderen Ländern. Hemetis Familie lebt komplett in den Emiraten. Er hat dort seine Gelder und Goldreserven angelegt. Es gibt auch freundschaftliche Beziehungen zu verschiedenen Ländern im Süden, wo RSF-Leute in den Krankenhäusern behandelt werden. Es gibt also jenseits der sudanesischen Grenzen Netzwerke, die da mitmachen.
Kontrast: Wie könnte die Zukunft im Sudan nach einer Waffenruhe ausschauen?
Schlindwein: Wenn ich mit Sudanesen spreche, zucken alle nur die Schultern. Niemand kann sich vorstellen, dass dieser Krieg von heute auf morgen endet. Wie gesagt, der Sudan kann auf eine 30-jährige Geschichte zurückschauen, in der ein Zustand des Friedens nie richtig erreicht wurde. Es kann sich noch lange hinziehen – vielleicht bis alle Gelder und Goldreserven erschöpft sind. Von einem Frieden heute oder morgen wagt niemand zu träumen.
Die Frage ist jetzt: Schafft man einen Waffenstillstand, um gewisse humanitäre Lieferungen hereinzubekommen, die das Leben der Zivilbevölkerung wieder möglich machen? Die Menschen sind alle kurz vor dem Sterben. Gegen sie wird die Kriegswaffe Hunger eingesetzt, aber auch Infektionskrankheiten wie Cholera oder Malaria machen die Situation extrem gefährlich. Und in der Wüste ohne Wasser und Nahrung zu überleben ist natürlich auch sehr schwierig. Die geographische Situation erschwert das also zusätzlich.
Und wie die Zukunft dieses Landes aussieht, wagt sich niemand auszudenken. Es kann genauso wie in den vergangenen Jahren weitergehen und da wurde es immer nur schlechter anstatt besser. Die Amerikaner haben jetzt eine große Offensive gestartet, wo sie Waffenlieferungen an die RSF unterbinden und Länder, die Waffen liefern, unter Druck setzen. All das wären zumindest kleine Schritte, die in eine andere Richtung gehen, als es bislang war.
max. 5 zur Auswahl
































