Klaus löst die Probleme von Mietern. Er wechselt Glühbirnen, sorgt für Sicherheit in Haushöfen und Stiegenhäusern und vermittelt zwischen Mietern und der Hausverwaltung. Er ist der “Kümmerer” der Stadt Villach. Den Job hat er über die Aktion 20.000 gekommen. Für ihn war das ein “Lotto-Sechser”, der ihm Hoffnung gegeben hat. Im Juni 2019 läuft die Aktion aus, weil ÖVP und FPÖ das Projekt beendet haben. Den Menschen zieht das den Boden unter den Füßen weg.
Kontrast.at: Klaus, du bist seit September 2017 „Kümmerer“ der Stadt Villach – und den Job hast du über die Aktion 20.000 gefunden. Kannst du uns erzählen: Was macht man als „Kümmerer“?
Klaus: Ich bin quasi der Hausmeister der Stadt. Ich kümmere mich um die Wohnparteien und ihre Probleme und arbeite mit der Hausverwaltung zusammen. Ansonsten gibt es verschiedene Tätigkeiten. Wir kontrollieren und wechseln die Rauchmelder, machen feuerpolizeiliche Besichtigungen von Stiegenhäusern, Kellern und Dachböden und schauen, ob die Wege verstellt sind. Oder ob wo was Gefährliches ist, an dem sich jemand verletzen könnte. Ich mache Rasenpflege und Grünschnitt, entsorge das dann auch selbst. Ich reinige die Parkplätze, reinige und kontrolliere die Müll-Inseln und Grünflächen, auch wenn es ab und zu wirklich ausschaut. Aber das nutzt nichts, da darf man nicht wegschauen – da muss man gleich drübergehen. Und ich mache auch klassische Hausmeister-Tätigkeiten. Also kleine Reparaturarbeiten, wenn was anfällt, zum Beispiel wenn im Keller irgendwas kaputt ist. Oder ich tausche Glühbirnen aus. Das ist grob gesagt das, was wir machen. Es ist eine Tätigkeit, wo man jeden Tag nicht weiß, was kommt, und das ist sehr interessant.
Bevor du auf Jobsuche warst und zur Aktion 20.000 gekommen bist, hast du ja 42 Jahre lang gearbeitet, richtig?
Klaus: Ja, ich bin gelernter KFZ-Mechaniker mit Lehrabschlussprüfung. Ich habe bei „Siemens“ ein paar Jahre in der Fertigung gearbeitet. Danach war ich bei der Firma „Hirsch“, die Schmuckarmbänder und Etuis herstellt. Danach hat sich das Blatt ein bisschen gewendet. Ich war 24 Jahre bei der Post als Zusteller tätig. Da hatte ich tagtäglich mit hunderten Menschen zu tun. Das war für mich ein Job! Aber das Problem war, dass ich das körperlich irgendwann nicht mehr geschafft habe. Irgendwann war es einfach zu viel. Und dann musste ich leider kündigen und war natürlich arbeitslos. Das war nicht gut. Und dann hatte ich das Glück, von der Aktion 20.000 zu erfahren, und bin sofort eingestiegen.
Wie hast du von der Aktion 20.000 erfahren?
Klaus: Über die Medien, es gab Berichte darüber im Fernsehen. Und dann: Eigeninitiative! Da war ich lästig und hab gesagt: Ich will unbedingt in dieses Projekt. Das war die einzige Chance, mit diesem Alter wieder ins Arbeitsleben einzutreten. Ich war ja 55 Jahre alt. Das war die einzige Chance! Sonst nimmt dich keiner!
Wie ist das abgelaufen bei dir, wie bist du schlussendlich Kümmerer geworden?
Klaus: Dass ich als Erster genommen werde, war toll. Ich war nervös und dann kam der entscheidende Tag. Der Chef hat mich gleich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgestellt. Ein paar Leute habe ich schon von früher gekannt und ich habe mir gedacht: „Klausi, du hast es geschafft. Es geht dir gut!“ Ich war eine Stunde dort, und es hat sich gut angefühlt.
“Als der Chef dann gesagt hat, dass ich alle Kriterien erfülle, da ist mir fast das Herz in die Hose gerutscht. Da habe ich mir gedacht: „Du wirst das schaffen, das funktioniert!“ Dann ist der Anruf gekommen von GPS, die uns vermittelt haben: „Klausi, du hast den Job.“ Das war der Lotto-Sechser, das war eine Sensation, echt!”
Am ersten Arbeitstag war ich ein bisschen nervös. Aber ich habe die Leute und das Umfeld schon ein bisschen gekannt. Es ist aber ganz ein neuer Job. Früher, bei der Post, hatte ich auch mit vielen Menschen zu tun. Aber jetzt war ich ja Kümmerer.
Was ist der Unterschied zu deinem Job früher?
Klaus: Naja, jetzt kommen die Leute mit ihren Problemen zu mir und ich muss sie lösen. Das war zuerst mitunter schwierig, aber heute funktioniert das perfekt. Man arbeitet sich ein, und es funktioniert gut. Wenn nötig, sprichst du mit der Hausverwaltung und löst die Probleme mit ihr gemeinsam.
Wie war die Zeit davor für dich, als du auf Jobsuche warst? Wie hast du das erlebt?
Klaus: Ich war über ein Jahr in der „Kärntner Arbeitsstiftung“ und habe Bewerbungen geschrieben. Ich habe sechs Monate in einem Pflegeheim und in der Alpenarena gearbeitet, was mir sehr gefallen hat. Da hatte ich mit alten Menschen und dann mit Sportlern zu tun. Da hab ich viel dazugelernt, das war lässig. Aber das mit den Bewerbungen schreiben dazwischen war schwierig.
„Ich habe nur von zehn Prozent eine Rückmeldung erhalten, dass ich nicht genommen werde. Der Rest hat sich gar nicht gemeldet. Da bist du mit 55 weg vom Fenster.“
Wie war das für dich? Also dass sich so viele Unternehmen nicht gemeldet haben.
Klaus: Ich hatte früher bei der Post schon psychische Probleme. Da bin ich in ein Loch gefallen. Ich hab gedacht: Wenn ich jetzt keinen Job finde, ist das schlimm. Aber dass sich so wenige melden, damit hab ich nicht gerechnet. Ich hab gewusst: Ich muss schauen, dass ich weiterkomm, ich muss mich weiterbilden! Ich habe Kurse gemacht, ich habe mich wirklich weitergebildet mit Kursen, die ich wirklich gebraucht habe.
Was ist jetzt dein Resümee nach eineinhalb Jahren?
“Ich muss sagen: Ich wünsche jedem, so einen Job zu kriegen! Du wirst von der Aktion 20.000 wieder perfekt in die Arbeitswelt eingegliedert und das Wichtigste ist: Du bist wieder Mensch. Mensch, Mensch, Mensch. Und das ist das Wichtigste.”
Klaus: Du bist wieder in einem Team, und das ist Weltklasse! Da spielt Geld keine Rolle, da geht’s nur ums Menschliche. Wenn das stimmt, bist du ein gesunder Mensch und machst du fast jede Arbeit gern – egal, was du machst. Das ist wichtig, auch für die Psyche.
Wie ist es dir gegangen als du letztes Jahr erfahren hast, dass die Aktion eingestellt wird?
Klaus: Es war Anfang Jänner 2018 als ich das gehört habe. Da hatten wir schon Angst, dass unsere Förderung eingespart wird und wir auch gestrichen werden. Die Antwort auf die Anfrage von der Dienststelle und GPS Kärnten war, dass unsere Stellen gesichert sind.
Bis zum Juni 2019 dürfen wir fix bleiben. Das sind wenigstens zwei gewonnene Jahre. Das ist wichtig, aber was machen wir dann? Da sind war dann vielleicht weg, aber wir wissen es noch nicht.
Wie lange dauert es noch bis zu deiner Pension?
Klaus: Zur Pension brauche ich noch viereinhalb Jahre. Das wäre eine Sensation, wenn ich das als Kümmerer schaffen würde. In meinem Alter irgendwas finden… es nimmt dich ja keiner mehr. Das ist echt schwierig. Das braucht es sehr viel Glück. Aber Glück hat man eben nicht oft.
Wenn du dir von der aktuellen Regierung etwas wünschen könntest, was wäre es?
Klaus: Als erstes würde ich mir wünschen, dass sie die Aktion 20.000 fortsetzt. Es gibt Leute, die wirklich keine Chance haben. Ich bin ja ein Glücksengerl! Aber es gibt Leute, die eine Stelle gefunden hätten, sie aber dann nicht antreten konnten, weil die Aktion gestoppt worden ist. Ich hatte das Glück, dass es bei mir schnell gegangen ist. Aber es gibt Personen, die schon vier, fünf, zehn Jahre arbeitslos sind! Die zu integrieren, ist schwer. Die einzige Möglichkeit ist da so ein Projekt. Auch für die Leute, die eine Projektstelle haben, ist eine staatliche Förderung wichtig, da ist der AMS-Anteil zu wenig. Das ist mir ein wichtiges Anliegen, die Leute brauchen das ja.
“Die Leute verelenden sonst daheim. Ich kenn das. Man ist nicht mehr Mensch, man versumpert. Je länger man arbeitslos ist, desto schwieriger wird es, sich wieder in der Arbeitswelt zurechtzufinden. Arbeitslosigkeit zehrt. Jeder will arbeiten gehen.”
Und du bist ja auch neben deinem Job noch sehr engagiert, richtig?
Klaus: Wie sagt man? Jeder hat seine Hobbys. Filmen ist mein Hobby, das mach ich zur Entspannung. Mein anderes Hobby ist eigentlich kein Hobby, sondern eine Pflicht. Ich bin seit zwanzig Jahren bei der freiwilligen Feuerwehr Kraftfahrer, Maschinist und Rüsthauswart. Ich kontrolliere das Rüsthaus und bin dort der kleine Chef. Ich schau, dass alles in Ordnung ist und dass meine Kameraden zufrieden sind. Das alles passt, ist das Wichtigste.
AKTION 20.000
20.000 Männern und Frauen auf Jobsuche hätte die Aktion 20.000 einen Arbeitsplatz und neue Hoffnung gegeben. Doch als eine der ersten Handlungen haben ÖVP und FPÖ die Aktion im Jänner 2018 eingestampft. Wer bis dahin seine Stelle noch nicht antreten konnte, wurde enttäuscht – und blieb ohne Job. 3.755 Männer und Frauen in ganz Österreich haben schlussendlich über die Aktion 20.000 einen Job gefunden. Jetzt, im Juni 2019, laufen ihre Stellen endgültig aus. Wie viele Gemeinden und Vereine einige der Stellen finanziell selbst stemmen und erhalten können, ist unklar.