Europa

ÖVP stimmt nicht für EU-Klimagesetz

Das EU-Parlament hat Anfang Oktober für besseren Klimaschutz und ein neues Klimagesetz gestimmt. Bis 2030 sollen 60 Prozent der Treibhausgase eingespart werden. Die EU-Abgeordneten der SPÖ, NEOS und Grüne stimmten dafür. Die ÖVP enthielt sich und die FPÖ stimmte dagegen. Der Beschluss des EU-Parlaments muss jetzt noch mit der EU-Kommission und den Länderchefs im Europäischen Rat angestimmt werden. Und dort ist man mit den fortschrittlichen Beschlüssen des EU-Parlaments nicht immer einer Meinung. Auch Österreichs ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz wird dem neuen Beschluss aller Voraussicht nach Steine in den Weg legen. 

Anfang Oktober tagte das EU-Parlament, wo die Parteien über wichtige Beschlüsse abstimmen. Auf der Tagesordnung: das EU-Klimagesetz. Es ist das Herzstück des Europäischen Green Deal und beinhaltet die Forderung der 60 Prozent-Grenze für den Ausstoß von Treibhausgasen. Also 60 Prozent bis 2030 weniger Ausstoß im Vergleich zum Jahr 1990. Mit den Stimmen der SPÖ, Neos und Grünen wurde für das 60 Prozent Ziel gestimmt. Und das ging mit einer knappen Mehrheit von 352 zu 326 Stimmen und 18 Enthaltungen durch.

Das knappe Ergebnis zeigt die zwei Lager im EU-Parlament auf: Die linke, liberale Seite bejubelt die Abstimmung, Konservative und Rechte zeigen sich besorgt über die wirtschaftlichen Auswirkungen des neuen Klimagesetzes.

55 oder 60 Prozent weniger CO2?

Die Befürworter unter den Abgeordneten stützen sich aber auf Stimmen aus der Wissenschaft und auf Klimaaktivisten, die sogar das 60 Prozent-Ziel als nicht ausreichend einschätzen. Greenpeace und Fridays for Future meinen etwa, es müsse noch mehr getan werden, um die entscheidende Grenze von 1,5 Grad Celsius-Erderwärmung nicht zu überschreiten. Diese Grenze wurde 2015 im Pariser Klimaabkommen von 195 Vertragsparteien beschlossen – und auch von allen EU-Ländern.

Nun sorgt die 60 Prozent-Grenze für Diskussionen zwischen den Politikern: Denn nicht nur im Parlament gibt es zu dieser Grenze unterschiedliche Vorschläge.

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Eine Fridays for Future-Demonstration in Wien.

EU-Kommission fordert erstmals 55 Prozent

Die EU-Kommission forderte bisher, dass der CO2-Ausstoß bis 2030 um nur 40 Prozent gesenkt werden soll. Dieses Zwischenziel reicht aber bei Weitem nicht aus, um die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, sind sich Experten und Klimaaktivisten einig. So erhöhte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen das EU-Ziel letzten Monat nun von 40 auf 55 Prozent. Dies wurde zunächst auch vom EU-Parlament begrüßt. Eine knappe Mehrheit der Abgeordneten fordert nun aber mehr.

Konservative: CO2-Reduktion Bedrohung für Wohlstand

Wer sich über den Beschluss nicht freut, ist die konservative Europäische Volkspartei: Bei einem 55 Prozent-Ziel wäre sie bei der Abstimmung mitgegangen, alles darüber sei jedoch nicht vertretbar. Bei der EVP-Fraktion, der auch die ÖVP angehört, steht vor allem das Wirtschaftsinteresse im Vordergrund. Praktisch also, dass die EU-Kommission bereits einen Bericht vorlegte, wonach das 55 Prozent-Ziel der Wirtschaft zumutbar sei.

Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der EVP, ist gegen eine Verschärfung des EU-Klimaziels. Das 55 Prozent-Ziel werde viele Wirtschaftszweige bereits „massiv fordern“, sagte er. Noch mehr Reduktion von CO2 bis 2030 würde „die Axt an den Wohlstand Europas“ legen. Auch die FPÖ-Delegation lehnt eine Senkung von CO2-Ausstoß ab.

EU-ÖVP stellt sich gegen Klimaschutz

Auch der österreichische ÖVP-EU-Abgeordnete Alexander Bernhuber hatte vor der Abstimmung im Gespräch mit der Wiener Zeitung Kritik am Verschärfen der Ziele geübt: „Das ist unrealistisch, das sind politische Träumereien, die von der Wirtschaft nicht erfüllbar sind.“ Die Vorgabe sei zu ambitioniert, die Einschnitte zu drastisch.

Insgesamt unterstützt die ÖVP-EU-Delegation dabei die Linie ihrer Parteifamilie, der EVP. Diese empfahl eine Stimmenthaltung. Dem schlossen sich alle ÖVP-Abgeordnete an – außer einem.

Othmar Karas, der in der Vergangenheit schon öfter von der konservativen Parteilinie abwich, ist „selbstverständlich für das Gesetz“.

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Othmar Karas ist einer der EU-Abgeordneten der ÖVP. Er stimmt allerdings nicht immer mit der türkisen Parteilinie überein.

Eine Reduktion sei gerade für ein Land wie Österreich – das ja laut Regierungsprogramm bereits 2040 klimaneutral sein möchte – enorm wichtig, betonte er. Ob das Einsparungsziel bis 2030 nun 55 Prozent oder fünf Prozent mehr betrage, dürfe nicht das gesamte Gesetz gefährden. Karas rechnet aber damit, dass das Ergebnis der bevorstehenden Verhandlungen mit den Staats- und Regierungschefs ein Kompromiss sein wird.

Ohne EU-Länderchefs geht gar nichts

Es liegt nun auch an Bundeskanzler Kurz die Vorstöße des EU-Parlaments nicht weiter zu blockieren.

Denn mit dem Beschluss des EU-Parlament ist das letzte Wort keinesfalls gesprochen. Denn jetzt folgen Verhandlungen des EU-Parlaments mit der EU-Kommission und den EU-Mitgliedsländern im sogenannten Trilog. Oft wird dabei ein fortschrittlicher Beschluss des EU-Parlaments von den Regierungschefs im Rat aufgeweicht.

Die europäischen Regierungen müssten sich aber gerade jetzt stärker engagieren, erklärte Klimaexperte Adam Pawloff in einem Statement für die APA. Greenpeace appelliert an Österreichs Kanzler Kurz:

Zwar behauptet die ÖVP im Regierungsprogramm, sie wäre für ambitionierten Klimaschutz, „auf EU Ebene torpediert sie diesen aber gleichzeitig. Nun ist Bundeskanzler Sebastian Kurz am Zug – es liegt auch in seiner Verantwortung, ob die EU auf Seite der Wissenschaft steht, oder eben auf Seite der Bremser“, so Greenpeace.

Wirtschaftsinteressen vor Klimaschutz

Zu Beginn des Jahres wurde deutlich, wie eng die Bundeskanzler-Partei ÖVP mit der Wirtschaftslobby und den Interessen der Agrar-Industrie verknüpft ist. So stimmten damals alle ÖVP-Abgeordneten im EU-Parlament gegen Klimamaßnahmen im Corona-Rettungspaket.

Die Corona-Rettungsgelder der EU hätten mit den Pariser Klimazielen in Einklang beschlossen werden sollen. Investiert man diese massiven Summen an Corona-Wiederaufbaugelder nämlich gleich in grüne Technologien und nachhaltiges Wirtschaften, kann gleichzeitig die Klimakrise angegangen werden. Doch die ÖVP lehnte das ab, Kontrast.at hat berichtet.

Linke Tempomacher im EU-Parlament

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EU-Abgeordneter Günther Sidl sieht das EU-Parlament als Tempomacher beim Klimaschutz. Foto: Thomas Peintinger

SPÖ-EU-Abgeordneter Günther Sidl bedauerte, dass einige Fraktionen „den Ernst der Lage“ immer noch nicht erkannt hätten. Er sieht das Parlament als „Tempomacher“ beim Klimaschutz. Immerhin habe das Parlament auch den Klimanotstand ausgerufen. Ein starkes Gesetz mit strengen Zwischenzielen bis 2030 sei daher zwingend notwendig. „Auch als Zeichen an die Blockierer in den Mitgliedstaaten.“ Denn sie sind jetzt am Wort.

Die Mitgliedsstaaten dürfen das Klimagesetz nicht mehr „verwässern“, forderte auch Lukas Hammer, Klimaschutzsprecher der Grünen im Nationalrat. Der Grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz ergänzt, das europäische Klimagesetz sei die beste Chance, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, und ein klarer Handlungsauftrag.

 

EU-Klimagesetz, das Herzstück des European Green Deal

Und was steht noch im neuen Klimagesetz? In dem Gesetz ist auch die Klimaneutralität der EU binnen 30 Jahren, also bis 2050 verankert. Der Weg dorthin ist mit Zwischenetappen festgelegt und die Kohlenstoff-Budgets für die Staaten sind beziffert. Außerdem soll es die Pflicht zu regelmäßigen Berichten geben.

Und: Mit den Klima-Ambitionen bleibt Europa nicht alleine. Auch China hat nun angekündigt, klimaneutral zu werden – noch vor 2060.

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