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ÖVP und Grüne für Niedriglöhne in Europa: Regierung lehnt höhere Mindestlöhne ab

ÖVP und Grüne für Niedriglöhne in Europa: Regierung lehnt höhere Mindestlöhne ab

Kontrast Redaktion Kontrast Redaktion
in Europa
Lesezeit:4 Minuten
3. Mai 2021
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Die drohende Abwanderung von österreichischen Industriearbeitsplätzen nach Polen oder Serbien bei ATB, MAN oder Swarovski zeigt: Zu niedrige Mindestlöhne und das daraus entstehende Lohngefälle sind drängende Probleme in der EU. Eine Richtlinie der EU will das beheben, doch Arbeitsminister Kocher will  das verhindern. Einen Antrag auf Unterstützung der Mindestlohnrichtlinie lehnen die Regierungsparteien im EU-Unterausschuss des Parlaments ab. 

EU-Kommission und Parlament wollen Kollektivverträge in jenen Ländern fördern, in denen sie nicht so verbreitet sind. Für Österreichs Beschäftigte würde sich wenig verändern, aber die Lohnkonkurrenz würde entschärft werden: Weil in anderen Ländern die Löhne steigen. Doch neun Arbeitsminister legen sich quer – ÖVP-Minister Martin Kocher ist einer davon.

Im EU-Unterausschuss des Parlaments wollte die SPÖ in einem Antrag den österreichischen Arbeitsminister verpflichten, der Mindestlohn-Richtlinie zuzustimmen. So ist es den ParlamentarierInnen schon einmal gelungen, die Blockade der ÖVP bei der Steuertransparenz für große Konzerne in der EU zu brechen. Dem sogenannten Country-by-Country Reporting musste Österreichs Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck im Februar 2021 zustimmen, nach jahrelanger Blockade der ÖVP. Damit brach die konservative Sperrminorität in der EU zusammen, Österreich war das Zünglein an der Waage – die Steuertransparenz für Konzerne ist endlich beschlossen.

Das wollten die SPÖ-Abgeordneten jetzt auch bei der Mindestlohn-Initiative erreichen, doch die Regierungsparteien stimmten dagegen. Kocher soll die EU-Initiative für höhere Mindestlöhne und mehr kollektivvertragliche Abdeckung für Beschäftigte verhindern können. Und das wird er auch tun, wie er im Ausschuss klar machte:  Er steht der Richtlinie skeptisch gegenüber, sagt Kocher. Die Grünen sehen die Mindestlohn-Initiative der EU zwar grundsätzlich positiv, stimmen aber dennoch gegen den Antrag. Gleichzeitig plant die Regierung, die Strafen für Lohndumping in Österreich zu senken.

20 Millionen Beschäftigte können nicht von ihrer Arbeit leben

Wettbewerbsdruck und ein niedriger gewerkschaftlicher Organisierungsgrad sind nur zwei Gründe, warum Löhne und Gehälter auch in der EU oft nicht zum Leben reichen. Betriebspleiten in Krisen tun ihr Übriges. Jeder zehnte Beschäftigte in der EU ist trotz Arbeit armutsgefährdet.

In der EU leben 20 Millionen Menschen, die von ihrer Arbeit nicht leben können.

Zwar gibt es in 21 Mitgliedsländern gesetzliche Mindestlöhne, doch sie sind vielerorts zu niedrig. Das Gefälle zwischen den Ländern ist groß: Liegt der Brutto-Mindestlohn in Luxemburg bei 2.140 Euro monatlich, sind es in Bulgarien gerade einmal 310 Euro. Dieses Gefälle bekommen Beschäftigte in Österreich aktuell bei MAN oder Swarovski zu spüren: Ihre Werke drohen mit der Abwanderung der Produktion nach Polen und Serbien, wo die Löhne deutlich niedriger sind.

EU-Lohngefälle ist auch für Österreich ein Problem

Die Lohnkonkurrenz hat aber noch direktere Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt: Wenn in Ungarn, Tschechien und der Slowakei der Durchschnittslohn niedriger ist, bezahlen österreichische Betriebe ungarischen, tschechischen und slowakischen ArbeitnehmerInnen viel weniger, als in Österreich üblich. Ob Tourismus- und Gastronomiebranche, Baugewerbe oder 24-Stunden-Betreuung: Sie funktionieren, weil ausländische Arbeitskräfte in Österreich zu Billiglöhnen arbeiten. Am Ende heißt das: Lohndruck für alle Beschäftigten in diesen Branchen.

eu mindestlohn richtinie
ArbeitnehmerInnen aus osteuropäischen Ländern bekommen oft nur ein Drittel des Lohns, der ihnen laut Kollektivvertrag zusteht. Das drückt das Lohnniveau in Österreich und schadet der heimischen Wirtschaft.

Mindestlohn-Richtlinie der EU-Kommission will Lohngefälle abflachen

Die EU-Kommission hat das Problem aufgegriffen und mit den Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Verbänden Europas verhandelt. Während die Gewerkschaften die Kommission dazu aufgefordert hatten, einen Vorschlag mit verbindlichen Mindestanforderungen vorzulegen, lehnten sämtliche Arbeitgeber-Verbände verbindliche Mindestlöhne ab. Ende Oktober präsentierte man einen Entwurf. Die Richtlinie, die Mindestlöhne ermöglichen soll, könnte das Lohngefälle zwischen den Mitgliedsstaaten verkleinern.

Der EU-Vorschlag berücksichtigt auch, dass in Ländern wie Österreich Kollektivvertrags-Verhandlungen eine wichtige Rolle spielen. Hierzulande sind 98 Prozent aller Beschäftigten von Kollektivverträgen erfasst. Zum Vergleich: In Deutschland sind es nur 45 Prozent. Bald arbeitet ein Viertel der deutschen ArbeitnehmerInnen im Niedriglohn-Bereich.

Stellung von Kollektivverträgen in Österreich von Richtlinie unberührt

An der Stellung österreichischer Kollektivverträge würde auch das Umsetzen der EU-Richtlinie nichts ändern. Aber: Sie würde Beschäftigte in anderen Ländern besserstellen. Denn der Kommissionsvorschlag zielt darauf ab, Kollektivverhandlungen zur Lohnfestsetzung in allen Mitgliedsstaaten zu fördern, insbesondere in jenen Ländern, in denen weniger als 70 Prozent der Beschäftigten kollektivvertraglich abgedeckt sind.

Was ist ein Kollektivvertrag?

Ein Kollektivvertrag (KV) ist eine Vereinbarung, die zwischen der Gewerkschaft und der Wirtschaftskammer geschlossen wird. Der Kollektivvertrag gilt für alle ArbeitnehmerInnen in einer Branche und ist ein Jahr lang gültig. Ein Kollektivvertrag regelt die Mindestlöhne für Berufe, aber auch die Höhe des Weihnachts- und des Urlaubsgeldes sowie Arbeitszeit und Überstunden. In nur sechs EU-Ländern werden Mindestlöhne durch Kollektivverträge festgelegt und geschützt. Neben Österreich in Dänemark, Italien, Zypern, Finnland und Schweden.

Sehr enttäuscht von @MagratheanTimes: 🇦🇹 gegen Mindestlohn-Richtlinie der EU-Kommission, die auf faire Löhne, Stärkung von Kollektivverträgen und ein soziales Europa abzielt. Gut gesetzte Mindestlöhne verbessern Einkommen, Produktivität u Verteilung. @SilviaHruska

— Markus Marterbauer (@MarterbauerM) March 3, 2021

Kocher ist gegen Richtlinie – und nimmt Lohndumping in Kauf

In Brüssel kursiert seit Anfang des Jahres ein Brief, der von Österreichs Arbeitsminister Martin Kocher unterstützt und unterzeichnet wurde – gemeinsam mit Ministern aus acht weiteren EU-Ländern. Sie verweisen auf ausstehende Erläuterungen des juristischen Dienstes, machen aber klar, dass sie ohnehin keine verbindlichen Vorgaben zu Mindestlöhnen wollen, sondern bloß Empfehlungen. Folglich müsste niemand etwas in Bewegung setzen.

„Wir denken, dass eine Empfehlung ein besseres rechtliches Instrument ist, weil es den Mitgliedsstaaten die Flexibilität ermöglicht, die Ziele des Vorschlags zu erreichen“, schreiben Kocher und Minister-Kollegen im Brief.

Heißt übersetzt: An Empfehlungen müssen sich die Staaten nicht halten, weshalb sie „flexibler“ in Bezug auf Mindestlöhne bleiben. Neben Österreich haben Dänemark, Ungarn, Estland, Irland, Malta, die Niederlande, Polen und Schweden den Brief gegen höhere EU-Mindestlöhne unterzeichnet.

Schieder: Sozialdemokratie will Mindeslohn in jedem EU-Land

„Die EU braucht einen sozialen Neustart als Weg aus der Krise. Schade, dass es gerade die österreichische Bundesregierung ist, die auf EU-Ebene jede soziale Initiative im Keim erstickt“, ärgert sich SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder. 9 von 10 Menschen in der EU sagen, dass ein soziales Europa für sie persönlich von großer Bedeutung ist. „Wir SozialdemokratInnen haben einen Fahrplan für die Zukunft Europas, wir wollen einen Mindestlohn in jedem EU-Land umsetzen, die Kinderarmut abschaffen, in neue, gute Jobs investieren und eine Millionärsabgabe einführen.“ Allerdings sei Türkis-Grün Teil der EU-Verhinderer-Allianz. „Immer wenn es um mehr Demokratie, mehr Klimaschutz oder mehr soziale Absicherung geht, steht Österreich verlässlich auf der Seiter der Bremser, kritisiert Schieder.

 

Parlament Das Thema "Mindestlohn" im Parlament

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Ernst Lerch
Ernst Lerch
7. Mai 2021 12:57

Dass die Grünen für Arbeitnehmer nichts übrig haben war mir immer schon klar.

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Herbert Huber
Herbert Huber
5. März 2021 20:23

Jo, mei, Herr Gurgiser! Diese ganze Regulierei geht oft an der Realität vorbei. Ein Beispiel: Überstundenbegrenzung nicht eingehalten. Reeller Sachverhalt dabei: 100-Mann- Maschinenbaufirma, verheerende Software, in 14 Monaten 800 Überstunden eines C++-Softwareentwicklers, damit Firmenrettung.

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Herbert Huber
Herbert Huber
4. März 2021 13:26

Ja, Mindestlöhne recht und gut. Es wird vorkommen, dass sich ein Dienstgeber nicht einmal diese leisten kann: dann wohl besser weniger als gar nichts.
Tendenziell wandern Arbeitsplätze in die EU-Nettoempfängerländer ab, dort wo die EU-Abgeordneten massiv privilegiert sind. Auch ein Kontrast!

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Fritz Gurgiser
Fritz Gurgiser
Reply to  Herbert Huber
5. März 2021 12:47

Sie haben etwas grundsätzlich falsch verstanden: Je mehr Löhne + Sozialabgaben auf hohem Niveau harmonisiert werden, umso weniger Anreiz um abwandern und umso fairer der Wettbewerb. Darum geht es.

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Fritz Gurgiser
Fritz Gurgiser
4. März 2021 12:36

Die in der Grafik dargestellten Lohnniveaus sind das Spiegelbild eines zu 100 % wettbewerbswidrigen EU-Binnenmarktes und sind zugleich Totengräber intakter regionaler Wirtschaftskreisläufe.

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Arnold Schenner
Arnold Schenner
4. März 2021 11:03

Warum hat der ÖGB die Bestellung Kochers dann begrüßt, obwohl er offensichtlich ein Neoliberaler ist?

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rudolf
rudolf
Reply to  Arnold Schenner
4. März 2021 12:41

Na weil der ÖGB KEINE KAMPFMASCHINE mehr für die arbeiteten Menschen ist!!!

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Privatstiftungen sollten ursprünglich einem gemeinnützigen Zweck dienen, etwa in den Bereichen Soziales, Bildung oder Kultur. Doch heute sind sie vor allem ein beliebtes Werkzeug, um Vermögen zu sichern und Steuern zu vermeiden. Sie sind besonders beliebt bei den Reichsten der Reichen – auch weil sie kaum von den Steuerbehörden kontrolliert werden. Zitat: Privatstiftungen sind eine Rechtsform, die beinahe ausschließlich von den Reichsten der Reichen genutzt wird. 40 Prozent aller Privatstiftungen befinden sich im unmittelbaren Umfeld der 60 reichsten Familien. Sie werden von Superreichen benutzt, um ihr Vermögen vor Steuerbehörden zu verschleiern. Auch deshalb weil drei Viertel aller Privatstiftungen überhaupt noch nie von den Steuerbehörden kontrolliert worden sind. Stephan Pühringer
Privatstiftungen sollten ursprünglich einem gemeinnützigen Zweck dienen, etwa in den Bereichen Soziales, Bildung oder Kultur. Doch heute sind sie vor allem ein beliebtes Werkzeug, um Vermögen zu sichern und Steuern zu vermeiden. Sie sind besonders beliebt bei den Reichsten der Reichen – auch weil sie kaum von den Steuerbehörden kontrolliert werden. Zitat: Privatstiftungen sind eine Rechtsform, die beinahe ausschließlich von den Reichsten der Reichen genutzt wird. 40 Prozent aller Privatstiftungen befinden sich im unmittelbaren Umfeld der 60 reichsten Familien. Sie werden von Superreichen benutzt, um ihr Vermögen vor Steuerbehörden zu verschleiern. Auch deshalb weil drei Viertel aller Privatstiftungen überhaupt noch nie von den Steuerbehörden kontrolliert worden sind. Stephan Pühringer

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Privatstiftungen sollten ursprünglich einem gemeinnützigen Zweck dienen, etwa in den Bereichen Soziales, Bildung oder Kultur. Doch heute sind sie vor allem ein beliebtes Werkzeug, um Vermögen zu sichern und Steuern zu vermeiden. Sie sind besonders beliebt bei den Reichsten der Reichen – auch weil sie kaum von den Steuerbehörden kontrolliert werden. Zitat: Privatstiftungen sind eine Rechtsform, die beinahe ausschließlich von den Reichsten der Reichen genutzt wird. 40 Prozent aller Privatstiftungen befinden sich im unmittelbaren Umfeld der 60 reichsten Familien. Sie werden von Superreichen benutzt, um ihr Vermögen vor Steuerbehörden zu verschleiern. Auch deshalb weil drei Viertel aller Privatstiftungen überhaupt noch nie von den Steuerbehörden kontrolliert worden sind. Stephan Pühringer
Privatstiftungen sollten ursprünglich einem gemeinnützigen Zweck dienen, etwa in den Bereichen Soziales, Bildung oder Kultur. Doch heute sind sie vor allem ein beliebtes Werkzeug, um Vermögen zu sichern und Steuern zu vermeiden. Sie sind besonders beliebt bei den Reichsten der Reichen – auch weil sie kaum von den Steuerbehörden kontrolliert werden. Zitat: Privatstiftungen sind eine Rechtsform, die beinahe ausschließlich von den Reichsten der Reichen genutzt wird. 40 Prozent aller Privatstiftungen befinden sich im unmittelbaren Umfeld der 60 reichsten Familien. Sie werden von Superreichen benutzt, um ihr Vermögen vor Steuerbehörden zu verschleiern. Auch deshalb weil drei Viertel aller Privatstiftungen überhaupt noch nie von den Steuerbehörden kontrolliert worden sind. Stephan Pühringer

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